Schweizer Literaturpreise 2021

Bern, 12.05.2021 - Rede von Bundesrat Alain Berset. Es gilt das gesprochene Wort.

Die Schweiz ist bekanntlich ein Land der Vielfalt. Aber eines eint uns: Wir alle haben genug von diesem Virus. Leider hat das Virus noch nicht genug von uns. Aber dank der Impfung wird es jeden Tag ein bisschen besser.

Der Kultursektor wurde hart getroffen. Vor allem die Musik und das Theater, aber auch die Literatur.Sie braucht ihren Betrieb: Lesungen, Diskussionen, Podien. Offene Buchläden, in denen man stöbern, sich treffen und über Bücherdiskutieren kann. Wer liest, tauscht sich gerne mit anderen aus. Wer schreibt, braucht spontane Reaktionen von Leserinnen und Lesern. Und natürlich fehlt den Autorinnen und Autoren eine wichtige Einnahmequelle.

Der Bundesrat ist sich dieser schwierigen Situation bewusst. Er hat seit Beginn der Pandemie besondere Massnahmen für den Kulturbereich beschlossen – zusätzlich zu den Massnahmen für die gesamte Wirtschaft. Davon können auch Autorinnenund Autoren und literarische Übersetzerinnen und Übersetzer profitieren. Seit dem letzten Herbst können die Kantone auch Verlage für abgesagte Veranstaltungen und Projekte entschädigen und Transformationsprojekte unterstützen. Das Covid-19-Gesetz ermöglicht es, diese Massnahmen so lange weiterzuführen bis diese Krise ausgestanden ist.

Diese Krise hat uns allen vor Augen geführt, wie unverzichtbar Kultur ist. Denn jetzt haben wir erfahren, wiesich ein Leben ohne kulturelle Veranstaltungen anfühlt: Langweilig, uninspiriert, öde. Die Ödnis beschränkt sich nicht auf die fehlenden Live-Veranstaltungen. Unser Selbstgespräch als Gesellschaft scheint sich seit über einem Jahr auf ein einziges Thema zu beschränken: Das Virus. Pandemie bedeutet Monotonie. Entsprechend dürsten wir nach Vielfalt. Nach anderen Perspektiven, Gegenwelten, überraschenden Einfällen.

Das Gesamtwerk von Frédéric Pajak steht exemplarisch für die imaginäre Kraft der Literatur. Der Träger des diesjährigen Grand Prix Literatur 2021. Es ist, «die Liebe zur Fremdheit», die ihn antreibt, wie er sagt. In seinemOpus Magnum, dem Manifeste incertain, findet Pajak diese Fremdheit bei Walter Benjamin, Fernando Pessoa, bei Van Gogh und Nietzsche, um nur einige zu nennen. 

Pajak sagt über sein Verhältniszu diesen Persönlichkeiten: «Au départ, ils me sont tous assez étrangers – et plus ils me paraissent étrangers, plus je m’approche d’eux, de leur mystère, de leur intimité.»

L’amour de ce mystère – qui comprend aussi l’amour du mystère que nous découvrons en nous – pourrait aussi être le leitmotiv des œuvres des autres lauréates et lauréats. Les ouvrages primés par les Prix suisses de littérature révèlent toutes les voix de la Suisse au XXIe siècle, en mettant en évidence une diversité qui va au-delà des langues officielles :

  • X Schneeberger met en évidence son identité queer en jouant avec l’allemand ;
  • l’écriture de Dragica Rajčić Holzner est marqué par la guerre en Yougoslavie et son identité croate ;
  • Benjamin von Wyl décrit notre modernité en jouant avec l’anglais et l’anglophilie ;
  • Levin Westermann fait sauter les carcans de la poésie ;
  • Corinne Desarzens tisse en 27 récits des liens entreles langues du monde ;
  • Alexandre Lecoultre invente pour son personnage une langue enrichie de mots alémaniques ;
  • quant à Silvia Ricci Lempen, bilingue, elle a écrit deux fois son livre, en italien et en français.

Le Prix spécial de médiation va aux formidables passeuses que sont les Bibliothèques Braille et pour malvoyants de Genève, Lausanne, Zurich et du Tessin. Les lauréates et lauréats 2021 illustrent la diversité culturelle suisse, si précieuse, que je vous invite à découvrir.

Wir werden diese Pandemie überwinden. Es geht vorwärts. Wird danach alles anders werden? Oder kehren wir zu genau jenem Leben zurück, das uns im März 2020 so unerwartet abhandenkam? Wir ahnen: Weder das eine noch das andere.

Wir werden uns als Individuen, aber auch als Gesellschaft – teilweise – neu erfinden müssen. Wirwerden in ein Spannungsfeld eintreten zwischen dem Fremden und dem Gewohnten. Zwischen dem Unsicheren und dem vermeintlich Unerschütterlichen. Wir werden genau jene Spannung erleben, die Frédéric Pajak seinem Opus magnum als Titel gegeben hat: Manifeste incertain. Das ist ein treffender Kommentar zur geistigen Situation unserer Zeit.

Felsenfeste Überzeugungen hallen in den Echoräumen der „social media“ – und nicht nur dort – und überzeugen diebereits Überzeugten. Und gleichzeitig wissen wir jetzt alle, dass wir lernen müssen, mit einer gewissen Unsicherheit zu leben; und dass das auch nach der Pandemie so bleiben wird.


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