Sanasilva-Inventur 2000: Baumkronen stärker verlichtet

Bern, 15.01.2001 - Zum ersten Mal seit 1995 hat im Jahr 2000 die Kronenverlichtung im Schweizer Wald wieder zugenommen - und zwar deutlich. Gemäss Sanasilva-Inventur wiesen 3 von 10 Bäumen eine Verlichtung von mehr als 25% auf. Die Ursachen für die Zunahme sind unklar. Nur ein Teil davon lässt sich nach heutigem Kenntnisstand eindeutig auf den Sturm Lothar zurückführen.

Jedes Jahr überprüfen Fachleute der Eidg. Forschungsanstalt WSL im Rahmen der Sanasilva-Inventur den Zustand der Baumkronen im Schweizer Wald. Im Sommer 2000 beurteilten sie auf Stichprobeflächen im Abstand von 16 Kilometern rund 1100 Bäume.

29,4% der Bäume wiesen eine Kronenverlichtung von mehr als 25% auf. Dabei wird nur jene Verlichtung berücksichtigt, bei der keine offensichtliche Ursache erkennbar ist, wie z.B. Hagelschäden oder Insektenbefall. Zum Vergleich: 1999 wiesen 19% der Bäume eine Verlichtung von mehr als einem Viertel auf. Entsprechend erhöhte sich auch die durchschnittliche Kronenverlichtung im Schweizer Wald: von 21,4% im Jahre 1999 auf 26,0% im Jahre 2000. Die Verlichtung erreicht damit die höchsten Werte seit 1985, als die erste Inventur mit vergleichbarer Methode durchgeführt wurde. Bei den Fichten und Tannen war die Zunahme der Verlichtung besonders gross, bei der Buche hingegen nur gering.

Die WSL beurteilte die Kronenverlichtung auch auf den 16 Flächen der Langfristigen Waldökosystem-Forschung (LWF) des Bundes an zusätzlich 3200 Bäumen. Auf diesen Flächen nahm die Verlichtung unbekannter Ursache in ähnlichem Ausmass zu wie auf den Flächen der Sanasilva-Inventur.

Nicht verändert hat sich die Sterblichkeit der Bäume: Wie in den Vorjahren sind gemäss Sanasilva-Inventur innert Jahresfrist rund 0,4% der Bäume abgestorben. In dieser Zahl nicht enthalten sind die vom Sturm Lothar gefällten Bäume.

Mehrere mögliche Ursachen

Zum Teil hat der Sturm Lothar die Zunahme der Kronenverlichtungen verursacht. Zwar haben die Fachleute bei der Kronenbeobachtung jeweils diejenige Verlichtung abgezogen, die offensichtlich durch Lothar verursacht wurde, zum Beispiel wenn ein dicker Ast abgebrochen war. Nicht alle Folgen von Lothar sind aber leicht zu erkennen. So ist es praktisch unmöglich, zu beurteilen, wieviele Nadeln und Zweige der Sturm abgebrochen hat. Auch dürfte der Sturm Wurzeln beschädigt haben, was in den Folgejahren das Wachstum von Nadeln und Blättern beeinträchtigt.

Dass Lothar aber nicht alleine für die Zunahme der Kronenverlichtung unbekannter Ursache verantwortlich ist, zeigen folgende Ergebnisse:

  • In den Gebieten der Schweiz, die von Lothar nicht betroffen waren, nahm die Kronenverlichtung fast so stark zu wie in den von Lothar betroffenen Gebieten.
    Auf zwei LWF-Flächen werden die herunterfallenden Nadeln und Blätter während des ganzen Jahres gesammelt. Lothar erhöhte dort zwar kurzfristig die Nadelmenge deutlich; die Jahresmenge war aber nur wenig grösser als üblich.
  • Frankreich und Baden-Württemberg waren vom Sturm Lothar stark betroffen. Im Gegensatz zur Schweiz wurde aber im Sommer 2000 keine Zunahme der Kronenverlichtung festgestellt. Hingegen nahm die Kronenverlichtung in Bayern und Österreich zu, welche weniger stark oder kaum vom Sturm betroffen waren.
  • Neben Lothar könnte auch die ausgeprägte Frühjahrstrockenheit zur Zunahme der Kronenverlichtung beigetragen haben.

Intensive Forschung

Neben der Beobachtung der Kronenverlichtung arbeitet die WSL intensiv daran, deren Ursachen zu erforschen. Der Waldzustand und seine Abhängigkeit von menschlichen Belastungen lassen sich nur aufgrund eines umfassenden Forschungsansatzes beurteilen. Auf den LWF-Flächen werden deshalb neben dem Kronenzustand viele zusätzliche Zustands- und Einflussgrössen erfasst, so die Witterung, die Schadstoffeinträge, das Nährstoff- und Wasserangebot im Boden und die Entwicklung der Flora. Zudem untersucht die WSL im Auftrag des BUWAL, ob Schadstoffeinträge die Böden versauern lassen und die Wurzeln der Bäume schädigen.

Bodenversauerung ist ein Langzeitrisiko

Trotz der hohen Kronenverlichtungs-Werte von 2000: Der Schweizer Wald ist nicht akut gefährdet. Es besteht aber ein langfristiges Risiko. Die Einträge von Säuren und Stickstoff sind immer noch zu hoch. Sie führen im Boden langfristig zur Versauerung, zur Auswaschung von Nährstoffen und zu einer einseitigen Nährstoffversorgung der Bäume. In Böden, die von Natur aus schon sauer sind, können sich diese Veränderungen in wenigen Jahrzehnten nachteilig auf den Wald auswirken; zum Beispiel können Bäume anfälliger werden auf Trockenheit und Stürme. Hinweise dafür sind unter anderem auf 64 durch Lothar geschädigten Waldflächen gefunden worden, welche das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (Schönenbuch, BL) im Auftrag von sieben Kantonen beobachtet. Es gab dort mehr Windwurfschäden auf den Flächen, wo der Boden stärker versauert und der Stickstoffgehalt im Laub erhöht ist.

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