Berufsbildung – eine lohnende Investition !

Genf, 13.11.2006 - Bundesrätin Doris Leuthard | Tag der Berufsbildung | Genf Palexpo

Liebe Lehrlinge,
liebe Eltern,
liebe Lehrmeister,
Sehr geehrter Herr Regierungsrat,
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren Regierungs- und Nationalräte,
Sehr geehrte Damen und Herren Ständeräte,
Meine Damen und Herren,

Kein Wertpapier bringt so gute Zinsen wie die Investition in die Jugend. Ein Börsianer würde von einer guten, langfristigen Anlage sprechen. Heute, am Tag der Berufsbildung, sehen wir den Zinsertrag. Und was ich sehe, stimmt mich zuversichtlich.
Unsere Jugend ist gut!

An den Berufsweltmeisterschaften 2005 in Helsinki hat das Schweizer Team unser Land erfolgreich vertreten und den ersten Platz in der Nationenwertung verteidigt. An den Schweizer Berufsmeisterschaften 2006 haben viele von Ihnen mit Spitzenresultaten so gut abgeschnitten, dass Sie an den Berufsweltmeisterschaften 2007 in Japan beste Startchancen haben. Darauf bin ich stolz! Und ich wünsche Ihnen schon heute viel Erfolg.

Noch nicht ganz zufrieden kann ich sein, wenn ich den Lehrstellenmarkt anschaue. Zwar zeichnet sich eine Entspannung ab. Auch hier beginnt die Investition in die Ausbildung der Jugend Zinsen zu tragen!

Aber:Es gibt immer noch regionale Unterschiede. Es gibt immer wieder sozial und schulisch schwächere Jugendliche, die Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche haben. Auch in diesem Jahr haben rund 3’000 Jugendliche auf der Suche nach einer Lehrstelle kein passendes Ausbildungsangebot gefunden. Und dennoch scheinen die gemeinsamen Anstrengungen der letzten Jahre Früchte zu tragen. Die Zahl der angebotenen Lehrstellen hat von Jahr zu Jahr um rund 2% zugenommen. Die Zahl der Jugendlichen nimmt ab, die in einem Zwischenjahr stehen. Der günstige Konjunkturverlauf wirkt sich positiv auf das Lehrstellenangebot aus. Das zeigt mir, dass die Lehrstellenfrage nicht nur von den Behörden, sondern auch von der Wirtschaft ernst genommen wird.
Ich danke allen, die sich in diesen Zeiten für die Jugend und für die Berufsbildung eingesetzt haben und weiterhin einsetzen werden. Ich danke ganz besonders den Eltern, den Lehrmeistern, den Behörden und Politikern, den Gewerkschaftern und nicht zuletzt den Unternehmern.

Doch wir dürfen in den Bemühungen nicht nachlassen.Das wäre fatal!
Alle müssen im Bildungsbereich investieren:

  • Die Schule, in dem sie die Jugendlichen auf den Berufsalltag vorbereiten.
  • Die Betriebe, in dem sie den Jugendlichen Gelegenheiten für Schnupperlehren geben.
  • Die Wirtschaft, in dem sie neue Lehrstellen schafft und den Jugendlichen auch nach der Lehre eine Chance gibt.
  • Die Verbände, in dem sie Attestausbildungen für Schwächere ermöglichen.
  • Die Kantone, in dem sie ihre Aktivitäten in der Lehrstellenförderung fortführen und selber Ausbildungsplätze anbieten.
  • Der Bundesrat und das Parlament, in dem sie die Berufsbildung mit genügend finanziellen Mitteln ausstatten.

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt erfordert nämlich weiterhin unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Auch in Zukunft werden wir vor dem Problem stehen, dass sich Nachfrage und Angebot je nach Beruf nicht decken. Der Wunsch der Jugendlichen nach dem Traumberuf und der Run nach dem Trendberuf stehen nicht immer im Einklang mit der wirtschaftlichen Realität. Technologisierung und Automatisierung wirken sich auf das Lehrstellenangebot aus. Lehrstellen mit niedrigeren Anforderungen werden knapper, Spezialisten sind immer mehr gefragt.

Deshalb ist das Bildungsangebot so auszugestalten, dass die Wirtschaft qualifizierten Nachwuchs erhält und die Jugend die Chance „Berufsbildung“ packen kann. Dabei dürfen wir die Messlatte nicht zu tief, aber auch nicht zu hoch ansetzen.

Diese Kluft zwischen Wunsch und Realität können wir nur überbrücken, wenn Wirtschaft, Schule und Behörden schon in einer sehr frühen Phase zusammenarbeiten.
  • Wer sich für die Berufsbildung entscheidet, muss schnuppern können.
  • Wer mit einer Lehre beginnt, muss einen guten Schulsack mitbringen.
  • Wer Lehrstellen anbietet, muss wissen, dass die Schule nicht nur Genies wie Albert Einstein heranbilden kann.

Nur wenn wir das Miteinander weiter ausbauen, können wir die Zahl der Jugendlichen mit einem Abschluss steigern. Dank den neuen Leitlinien der kantonalen Erziehungsdirektoren und der Partnern in der Berufsbildung ist dies erstmals möglich. Sie schaffen für schulisch Schwächere einen einfacheren Übertritt von der Schule in die Berufsbildung.

In Kenntnis dieser neuen Ausgangslage, meine Damen und Herren, haben wir heute an der zweiten nationalen Lehrstellenkonferenz das bestehende Instrumentarium genau überprüft und neue Massnahmen beschlossen.

Die positive Erkenntnis zuerst: Was wir unternommen haben, hat sich bewährt.Deshalb wollen alle Beteiligten diese Massnahmen weiterführen:
  • Der Einsatz der Lehrstellenförderinnen und Lehrstellenförderer,
  • der Aufbau von Lehrbetriebsverbünden,
  • die individuelle Begleitung von Jugendlichen.

Der Bund hilft. In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir unser finanzielles Engagement für Projekte der Berufsbildung von 20 auf über 30 Millionen ausgeweitet. Wir wollen gemeinsam aber noch mehr tun, damit möglichst alle Jugendlichen eine ihren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung abschliessen können. An der Lehrstellenkonferenz haben wir heute insbesondere für schulisch und sozial schwache Jugendliche folgende zusätzliche Massnahmen beschlossen.

Zusammen mit den Kantonen will der Bund ein Case Management einführen. Ziel ist es, sozial und schulisch schwache Jugendliche, bereits ab dem 7. Schuljahr zu identifizieren. Lehrerinnen und Lehrer, Berufsberater und Eltern müssen schon in dieser Phase einbezogen werden. Jugendliche, die Hilfe brauchen, wollen wir an die Hand nehmen und individuell begleiten. Im 9. Schuljahr werden wir ihnen einen Coach zur Seite stellen. Er soll sie bei der Berufswahl und bei der Suche nach einer Lehrstelle unterstützen. Auch wer nach der obligatorischen Schulzeit keine Lehrstelle gefunden hat, wird so lange weiter betreut, bis eine passende Lösung gefunden ist.

Parallel dazu wollen wir gemeinsam mit den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt das Beratungsangebot für Lehrbetriebe ausbauen. Im Vordergrund stehen Unterstützung in rechtlichen, organisatorischen und sozialen Fragen und die Vermittlungstätigkeit bei Konflikten und in Krisensituationen.

Meine Damen und Herren, mit all diesen Massnahmen sind wir auf dem richtigen Weg.
  • Viele Jugendliche finden heute einen Ausbildungsplatz.
  • Viele Jugendliche packen auch die Chancen, die ihnen die Berufsbildung eröffnet.
  • Viele Unternehmer sehen in der Ausbildung junger Menschen eine Chance; für ihren Betrieb, für ihre Produkte und für den Wirtschaftsstandort Schweiz.


Aber wir sind noch nicht am Ziel! Ich zähle auf Sie alle hier am Tag der Berufsbildung. Und ich spreche die Jugend ganz direkt an: Packt die „Chance Berufsbildung“, schmeisst die Lehre nicht beim ersten Problem hin, zeigt Einsatz und entwickelt Freude am Beruf.
Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement und für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort !


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Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
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