Vorsitz der Alpenkonvention: Schweiz übernimmt von Frankreich

Bern, 10.12.2020 - XVI. Alpenkonferenz - Rede von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga

(Es gilt das gesprochene Wort.) 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
Sehr geehrte Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und Botschafterinnen und Botschafter,
Sehr geehrte Damen und Herren

Die Zusammenarbeit der Alpenstaaten im Bereich der Klimapolitik ist für mich von grosser Bedeutung. Im Berggebiet wirkt sich der Temperaturanstieg viel deutlicher aus. Als Alpen-UmweltministerInnen tragen wir deshalb eine besonders hohe Verantwortung für die rasche Umsetzung von Anpassungs- und Minderungsmassnahmen.

Mit dem Klimazielsystem 2050 und dem heute verabschiedeten Klimaaktionsplan haben wir gemeinsam einen guten und umfassenden Rahmen geschaffen. Dieser gibt uns klare Vorgaben und ermuntert uns tatkräftig zuzupacken.

So ist die Klimapolitik unser «fil rouge» der kommenden zwei Jahre. Gerne lade ich alle Alpenkonventionsmitglieder ein, sich in den nächsten zwei Jahren aktiv an allen Projekten zu beteiligen und ihren Beitrag für die vereinbarten Klimaziele zu leisten.


Für unseren Vorsitz haben wir einen sogenannten Fünf-Punkte-Plan definiert:

Unsere fünf Punkte sind der Velotourismus, eine gemeinsame Klimastunde im Juni, das nachhaltige Bauen und Sanieren in den Alpen, die Alpenstädte und die Verlagerungspolitik. Die Jugend soll zudem aktiv in die verschiedenen Projekte miteinbezogen werden. Beim Thema Klima geht es ohne die Stimme der Jugend nicht. Diese Stimme will ich ernstnehmen.

Velotourismus

Der Tourismus im Alpenraum ist ein wichtiges Thema, das mit der Corona-Pandemie noch zusätzliche Relevanz erhalten hat. Im April 2021 setzen wir mit einer Tagung zum Velotourismus die Reihe von Konferenzen fort, die meine Kolleginnen Schulze und Gewessler erfolgreich angestossen haben.

Die Alpenkonvention ist meines Erachtens eine ideale Plattform für Themen, die inhaltlich verschiedene Akteure ansprechen und für einen aktiven Austausch, von dem alle profitieren können.

Tourismus und Velo ist ein Thementandem welches gerade im letzten Jahr noch weiter an Relevanz gewonnen hat. Ferien in den Bergen besteht glücklicherweise nicht nur aus Skifahren: Wandern und Velofahren sind ebenso beliebte Sportarten, die in der aktuellen Diskussion leider etwas vergessen gehen. Von der Tagung zum Velotourismus erwarte ich einen engagierten Austausch und viel Erkenntnisgewinn. Ergänzend zu der Tagung möchte ich zudem ein ganz konkretes Projekt mit jungen Menschen umsetzen.

Jugend

Sofern es im Frühling möglich ist, möchte ich zudem in den Sommermonaten die dritte Ausgabe des Projekts «Youth Alpine Interrail (YOALIN)» lancieren. Gemeinsam mit Österreich, Deutschland und Liechtenstein haben wir in den letzten Jahren dieses Projekt erfolgreich durchgeführt. Daraus ist eine engagierte alpenweite Gemeinschaft von Jugendlichen entstanden, die sich für nachhaltiges Reisen im Alpenraum einsetzt. Ich würde mich sehr freuen, bald wieder 100 Jugendliche mit dem Zug auf klimafreundliche Reisen quer durch die Alpen zu schicken. Die Alpen sind kulturell vielfältig und bieten als Zugsreise gerade so viel Abenteuer und Erfahrungen wie Flugreisen ans Meer oder auf andere Kontinente.

Wie umfassend die Alpen mit ihren Facetten von jungen Menschen wahrgenommen werden, zeigen die Bilder im diesjährigen Alpenkonventionskalender eindrücklich auf.

Klimastunde

Im Juni folgt das neue Format der alpenweiten «Klimastunde». Am internationalen Tag der Umwelt, jeweils am fünften Juni, sollen möglichst viele lokale und dezentrale Aktivitäten und Veranstaltungen im Mittelpunkt stehen. Ich bin überzeugt, dass die Alpengemeinden und -regionen eine ungemein wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen.

Die Klimastunde ist eine ausgezeichnete Gelegenheit aufzuzeigen, mit welch einfachen Massnahmen sich Gemeinden und Regionen für eine gemeinsame Klimapolitik einsetzen können. Alpenweit wollen wir mobilisieren und uns gemeinsam über gute Beispiele austauschen.

Gerne lade ich Sie ein, sich mit einer Veranstaltung daran zu beteiligen! Als Veranstaltungen denken wir an einen Markt, an einen Kinoabend, ein Panelgespräch, ein fleischloses Menüangebot. Den Ideen sollen keine Grenzen gesetzt sein.

Nachhaltiges Sanieren und Bauen in den Alpen

Ebenfalls im Juni 2021 organisieren wir eine Konferenz zum Thema nachhaltiges Sanieren und Bauen in den Alpen. Der Anlass ist das 10-jährige Jubiläum des Architekturpreises Constructive Alps, den wir gemeinsam mit Liechtenstein organisieren. Gerade beim Thema Bauen müssen wir zukünftig mehr Klimavernunft zeigen und die alpine Baukultur besser in Wert setzen.

Die letzte Ausschreibung hat gezeigt, dass das Wissen und Interesse für nachhaltiges Bauen und Sanieren in der Breite angekommen ist.

Die dieses Jahr prämierten Projekte spiegeln low-tech, schonenden Umgang mit den Ressourcen und sparsamen Bodenverbrauch sowie autofreies urbanes Wohnen. Gerne werden wir bald eine sechste Ausschreibung lancieren und das Thema weiterpflegen.

Alpenstädte

Wir haben während unserem Vorsitz die Aufgabe, die Erarbeitung des 9. Alpenzustandsberichts zu leiten. Ich möchte in diesem Bericht für einmal die Alpenstädte ins Licht rücken.

Die Alpen machen 60 Prozent der gesamten Fläche der Schweiz aus. Die Alpen sind keine Peripherie. Sie sind Heimat, Verkehrsnetz, vor allem auch Wirtschaftsstandort und sie sind urban! Alpenstädte sind Multitalente, reich an Kultur und Tradition. Sie verbinden den peripheren Raum mit den europäischen Metropolen.

Alpenstädte sind aber auch Auslöser und Schnittstelle vieler Herausforderungen. Herausforderungen mit denen sich die Alpenkonvention seit Jahren auseinandersetzt. Ich denke an Raumplanung und Verkehr, aber auch die Bevölkerungsentwicklung, den Tourismus und den Bodenverbrauch. Dieses vielfältige Wissen ist der Schatz der Alpenkonvention, den ich für unseren Alpenzustandsbericht nutzen möchte. Wir brauchen dringend interdisziplinäres Wissen um diese urbanen Lebensrealitäten zu erfassen. Das dient einem besseren Klimaschutz und der nachhaltigen Entwicklung im gesamten Alpenraum.


Den Alpenzustandsbericht möchte ich mit verschiedenen Aktivitäten unseres Fünf-Punkte-Planes während unseres Vorsitzes vernetzen.

Mit dem Projekt «Climate Action in Alpine Towns», welches zugleich Pilotaktion der Territorial Agenda 2030 der Europäischen Union ist, werden wir die vielen Herausforderungen lokal und direkt anpacken und neue Lösungen für Klimaschutz und Lebensqualität in den Städten finden.

In diesem Sinne freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit beim Alpenzustandsbericht, auf die neuen Netzwerke und vor allem auf neue Erkenntnisse für die Zukunft der Alpenstädte.

Verlagerungspolitik

Ich möchte die Gelegenheit des Vorsitzes auch nutzen, um unsere Koordination im Bereich der Verkehrsverlagerung und des Transitverkehrs zu verbessern. Zu diesem Zweck möchte ich die Zusammenarbeit zwischen Verkehrs- und Umweltministerinnen und -ministern noch besser ausgestalten. Gerade beim Verkehr orte ich grosses Handlungspotenzial für den Alpenraum. Wenn alle Alpenländer am gleichen Strick ziehen, können wir hier gemeinsam sehr viel erreichen und gegenseitig von unseren Erfahrungen lernen.

Hier möchte ich mit dem Vorsitz der Alpenkonvention ein Forum schaffen, wo wir einerseits die Klimaziele und Verkehrsziele gemeinsam diskutieren können.

Wir müssen Klima und Güterverkehr zusammen denken und einen alpenweiten Dialog führen.

So komme ich zurück auf unseren Fünf-Punkte-Plan und lade Sie alle ein, mit uns anzupacken. Gemeinsam können wir diese fünf Punkte in ein Vielfaches an Wirkung verwandeln. 

Ausblick
Derzeit ist unklar, ob und wann Versammlungen nächstes Jahr wieder stattfinden können. Aber wir haben dieses Jahr gelernt, dass produktive und gute Zusammenarbeit auch virtuell möglich ist. Wir werden diese Erfahrungen weiter anwenden.

Für 2021 und 2022 habe ich ein vielseitiges und ambitioniertes Programm vorgesehen. Mit ihrer Unterstützung wird der Schweiz eine wirkungsvolle Umsetzung gelingen.

Die zweijährige Präsidentschaft werde ich mit einer Alpenkonferenz und einer Klimawoche abschliessen. Ich hoffe, dass wir im Herbst 2022 gemeinsam auf verschiedene spannende Projekte stolz sein können. Gerne lade ich Sie dann alle in die Schweiz ein.

Vor 2022 sehen wir uns aber in Glasgow an der COP26. Die internationale Klimapolitik wird im November 2021 hoffentlich wieder gestärkt dastehen und die notwendigen Schritte vorwärtsmachen.

Ich darf mich als zukünftige Vorsitzende der Alpenkonferenz herzlich bei der französischen Vorgängerin für die geleisteten Arbeiten der letzten beiden Jahre bedanken. Ich wünsche eine erfolgreiche Biodiversitätskonferenz im Januar 2021 und viel Erfolg mit der Umsetzung der Empfehlungen betreffend Luftqualität. Und ich freue mich auf die weitere gute Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und dem Ständigen Sekretariat. Und ganz besonders: auf die vielen spannenden Projekte in den nächsten beiden Jahren.


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