Schweizer Finanzmarkt auf dem Klimaprüfstand

Bern, 09.11.2020 - Erstmals hat sich der gesamte Schweizer Finanzmarkt auf Initiative des Bundesamts für Umwelt BAFU und in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF freiwillig auf Klimaverträglichkeit testen lassen. Die Resultate des repräsentativen Tests schaffen Transparenz und unterstützen die Anstrengungen der Finanzinstitute, ihre Investitionen in klimaverträgliche Bahnen zu lenken. Die Resultate zeigen erste Fortschritte, verfehlen aber noch das Ziel, wenn der Schweizer Finanzplatz eine führende Rolle im Bereich nachhaltiger Finanzflüsse einnehmen soll. So investiert dieser nach wie vor zu stark in die Erdöl- und Kohleförderung. Einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen können Pensionskassen leisten, wenn sie ihre geplanten Gebäudesanierungen umsetzen.

Der Weltklimarat (IPCC) hat 2018 aufgezeigt, dass die globale Klimaerwärmung 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten soll, um gravierende Veränderungen der Ökosysteme zu verhindern. Dies kann nur erreicht werden, wenn auch die Investitionen und Finanzierungen der Finanzinstitute auf dieses Ziel ausgerichtet werden.

Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat zusammen mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF den Klimaverträglichkeitstest nach der internationalen PACTA-Methode (siehe Kasten) durchgeführt. Daran haben 179 Finanzinstitute teilgenommen, erstmals auch Banken und Vermögensverwaltungen. Das sind mehr als doppelt so viele wie beim letzten Test im Jahr 2017, der nur Pensionskassen und Versicherungen offenstand. Die Ergebnisse sind repräsentativ für den gesamten Schweizer Finanzmarkt.

Transparenz innerhalb der Finanzbranche wirkt

Die Resultate des Klimatests 2020 zeigen, dass der Test im Jahr 2017 nachweislich zu mehr Transparenz für Finanzinstitute bezüglich klimaschädigenden und - freundlichen Investitionen geführt und konkrete Handlungen ausgelöst hat. Die Hälfte aller Teilnehmenden an beiden Testrunden hat eigenen Angaben zufolge aufgrund der Testresultate von 2017 Klimamassnahmen ergriffen und schneidet nun im Durchschnitt klimafreundlicher ab als die Konkurrenz.

Durchzogene Klimabilanz

Insgesamt investiert der Schweizer Finanzplatz heute viermal mehr Mittel in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle und Gas erzeugen, als sie in Produzenten von erneuerbarem Strom investiert. 80 Prozent der Teilnehmenden halten Firmen in ihren Portfolien, die Kohle abbauen. Dabei unterstützt der Schweizer Finanzplatz im Schnitt einen zusätzlichen Ausbau der internationalen Kohle- und Erdölförderung. Dies läuft dem Klimaziel zuwider. Investitionen in fossile Energien können auch finanzielle Risiken für Kapitalgeber bergen, wenn solche Energieträger aufgrund klimapolitischer Massnahmen künftig weniger attraktiv werden. Es gibt aber auch Fortschritte zu verzeichnen: Verschiedene Finanzinstitute halten vermehrt Firmen in ihren Portfolien, die erneuerbare Energien und Elektromobilität ausbauen.

Klimastrategien im Aufwind, Umsetzung jedoch ungenügend

In der ergänzenden Befragung zum Test gaben über zwei Drittel der Teilnehmenden an, eine Klimastrategie zur verfolgen. Damit diese Wirkung zeigt und Kunden genügend über Klimarisiken und Auswirkungen ihrer Investitionen informiert sind, besteht aber Handlungsbedarf: Mehr als die Hälfte der Institute, die eigenen Angaben zufolge Kohle bei ihren Investitionen ausschliessen, halten noch Aktien und Anleihen von Unternehmen, die Kohle abbauen oder Kohlestrom produzieren. Obwohl ein Drittel der Institute angibt, die Klima- und Nachhaltigkeitsziele ihrer Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen, greifen nur 5 Prozent das Thema regelmässig von sich aus auf. Die meisten befragen ihre Kundinnen und Kunden erst auf deren Nachfrage.

Weitere Anstrengungen sind nötig

Die Schweiz soll gemäss Bundesrat ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden. Damit der Finanzplatz seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet, bedarf es noch mehr konkreter Massnahmen der Finanzbranche.

Grossen Einfluss auf die direkte Emissionsverminderung können Besitzerinnen und Besitzer von Immobilienportfolien nehmen. Pensionskassen planen heute bei 30 Prozent ihrer Gebäude eine Umstellung von fossilen auf erneuerbare Heizsysteme. Hingegen gaben die anderen Finanzbranchen lediglich für ein bis zwei Prozent ihrer Liegenschaften solche Massnahmen an. Zusammen mit den Testergebnissen wird den Finanzinstituten ein interaktiver Leitfaden (der sog. Climate Action Guide) zur Verfügung gestellt. Dieser hilft dabei, wirksame Klimamassnahmen zu planen und umzusetzen.

Mehr Transparenz und eine regelmässige Fortschrittsmessung bleiben wichtig. Der nächste Klimaverträglichkeitstest ist 2022 geplant.

KASTEN
PACTA Methode für den Klimaverträglichkeitstest
Der Klimaverträglichkeitstest wird unter dem Titel PACTA 2020 (Paris Agreement Capital Transition Assessment) durchgeführt. Die PACTA-Methode ist eine standardisierte Analyse für globale Aktien, Unternehmensanleihen und Kreditportfolien. Sie wurde vom unabhängigen, internationalen und gemeinnützen Think Tank 2°Investing Initiative entwickelt und wird von zahlreichen Finanzinstituten und Staaten angewandt.
Dabei werden die Produktionspläne der in den Portfolien enthaltenen Firmen mit einer Entwicklung verglichen, die gemäss Internationaler Energieagentur IEA nötig ist, um das maximale Erwärmung auf 1,5°Grad Celsius zu begrenzen. Die Analyse umfasst die vier Sektoren Förderung fossiler Energien, Stromerzeugung, Transport (Automobilproduktion, Schifffahrt und Flugverkehr) sowie Industrie (Zement und Stahl), für welche klimaschädigende wie auch alternative, klimaverträgliche Technologien untersucht werden. Neu kann untersucht werden, wie gut die Schweizer Immobilien im Vergleich zum Klimaziel für den inländischen Gebäudepark abschneiden. Die dahinterliegende Datenbasis erfasst rund eine viertel Million industrieller Anlagen weltweit sowie alle Gebäude in der Schweiz. Mit der Analyse dieser klimarelevanten Sektoren können 70–90 Prozent der über die Kapitalmärkte indirekt verbundenen Emissionen erfasst werden. Ergänzend zu den Tests gibt eine qualitative Umfrage Aufschluss über klimarelevante Investitionsstrategien der Teilnehmenden. Zusätzlich zeigt ein Stresstest Risiken auf.
Eine repräsentative Anzahl Schweizer Pensionskassen, Versicherungen, Banken und Vermögensverwaltungen hat freiwillig am PACTA 2020 Test teilgenommen. Auf aggregierter Ebene des Finanzmarkts können so die Entwicklungen seit der Testrunde 2017 beobachtet werden. Insgesamt konnten im PACTA 2020 Test so rund 80 Prozent der Investitionen in Aktien und Unternehmensanleihen, die Hälfte aller Liegenschaften, die von institutionellen Investoren gehalten werden, sowie drei Viertel der Schweizer Wohngebäude, die über Hypotheken abgedeckt sind, untersucht werden. Der standardisierte Test zeigt den Finanzinstituten, wo ihre Finanzprodukte und Investitionen in Bezug auf Klima im Vergleich zu ihren Konkurrenten stehen. Den Teilnehmenden steht frei, ob sie ihre Ergebnisse nur für interne Folgearbeiten verwenden oder offenlegen.


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