Bern, 01.11.2020 - Rede von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga, Sonntag 31.10.20

Sehr geehrte Damen und Herren

Es freut mich sehr, dieses Jahr die Digitaltage eröffnen zu dürfen.

Und dieses Mal respektiere ich auch die Etikette. Bis jetzt war ich stets analog dabei –  vor Ort, mit Publikum im Saal.

Heute komme ich am Digitaltag zum ersten Mal wirklich digital daher.

Die Form stimmt also. Jetzt kommt es nur noch auf den Inhalt drauf an. Damit bin ich bei meinem heutigen Thema, nämlich bei der Frage: Wie nehmen wir die Menschen mit, wenn wir die Infrastruktur für die Digitalisierung aufbauen? Dazu gab es in den letzten Jahren – und gibt es auch heute – heftige Diskussionen.

Mein Ziel ist klar: Die Digitalisierung darf uns nicht spalten. Wir müssen die Menschen auch mitnehmen, wenn es um den Ausbau der Infrastruktur geht. Schliesslich soll die Digitalisierung auch den Zusammenhalt in unserem Land stärken.

Das ist gerade wenn es um die Weiterentwicklung des 5G-Netzes geht eine anspruchsvolle Aufgabe.

5G ist wichtig für die Digitalisierung. Mit der fünften Generation des Mobilfunks können wir mehr Daten transportieren, und wir können sie schneller übertragen. Das erleichtert bestehende Anwendungen, und es ermöglicht neue. In der Industrie zum Beispiel oder im Dienstleistungssektor.

Nun wissen wir alle: 5G ist umstritten. In der Bevölkerung, in den Parlamenten, in den Kantonen. Im Vordergrund stehen gesundheitliche Argumente. Es wird befürchtet, dass die zusätzliche Strahlenbelastung durch 5G-Antennen Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung mit sich bringt.

Die Folgen dieser Skepsis kennen Sie: Der Ausbau des 5G-Netzes ist blockiert. Einzelne Kantone bewilligen hochoffiziell keine neuen Antennen. Andernorts bleiben Baugesuche unüblich lange liegen. Mehrere Hundert Gesuche für neue Antennen sind derzeit sistiert oder schubladisiert.

Entspannung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Fronten verhärten sich zunehmend.

Vertrauen schaffen

In dieser verfahrenen Situation kommen wir mit Druck nicht weiter. Es braucht Vertrauen.

Vertrauen erhält man aber nicht einfach so. Vertrauen muss man sich erarbeiten. Und das will ich machen.

Eine gute Basis, um Vertrauen zu schaffen, ist der Bericht der Arbeitsgruppe zu 5G. In der Arbeitsgruppe sind ganz unterschiedliche Akteure vertreten: die Kantone, die Mobilfunkbranche, Fachärzte.

Interessant ist nun, was die Arbeitsgruppe zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlung gesagt hat: Wenn die heute geltenden Grenzwerte eingehalten werden, gibt es zwar Hinweise auf Effekte, aber es lassen sich wissenschaftlich keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit nachweisen.

Das heisst für mich: Basis für die weiteren Arbeiten sind die heutigen Grenzwerte. Dann sind wir auf der sicheren Seite und wir können den Bedenken und Einwänden mit Fakten begegnen.

Ich bin überzeugt, dass die ganzen Diskussionen um die Aufweichung der Grenzwerte dem Ausbau des 5G-Netzes ziemlich geschadet haben.

Ein Teil der Bevölkerung ist immer schon skeptisch gewesen, wenn es um Neuerungen im Strahlenbereich geht. Wenn diese Neuerungen dann mit der Forderung verknüpft werden, auch noch die bestehenden Schutzwerte aufzuweichen, dann wird das Misstrauen nur noch grösser.

Wenn wir das 5G-Netz wirklich ausbauen wollen, müssen wir deshalb wegkommen von der Diskussion um die Grenzwerte. Wir müssen Fakten liefern – und nicht Schutzvorschriften aufweichen.

Fakten bei den adaptiven Antennen

Fakten braucht es zum Beispiel bei den adaptiven Antennen.

Adaptive Antennen können den Ausbau des 5G-Netzes beschleunigen. Von den herkömmlichen Antennen unterscheiden sie sich vor allem in einem Punkt.

Während herkömmliche Antennen gleichmässig und flächendeckend strahlen, strahlt eine adaptive Antenne primär dann, wenn der Mobilenutzer 5G wirklich verwendet.

Wie sich adaptive Antennen auf die Belastung für die Bevölkerung auswirken, war bislang unklar. Ich habe deshalb einen Testbetrieb angeordnet, um zu schauen, ob sich die Belastung der Bevölkerung wirklich reduzieren lässt.

Meine Ämter haben diese Messungen diesen Sommer an zwei Standorten in der Schweiz durchgeführt. Das war Pionierarbeit. Nun werten wir die Ergebnisse aus und machen gestützt darauf neue Vorschriften für die adaptiven Antennen.

All dies tun wir in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen. Denn sie müssen nachher die Bewilligungen erteilen.

Entscheidend sind hier wieder zwei Punkte: Wir stützen uns auf Fakten, nicht auf Vermutungen. Und die heutigen Grenzwerte müssen auch bei den adaptiven Antennen eingehalten werden. Damit schaffen wir Vertrauen.

Ebenfalls im Sinne der Vertrauensbildung hat der Bundesrat die Einrichtung einer umweltmedizinischen Beratungsstelle beschlossen. Und wir werden das Monitoring zu den Gesundheitsauswirkungen weiterentwickeln.

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Sehr geehrte Damen und Herren

Wir brauchen die Digitalisierung. Die Digitalisierung darf uns aber nicht spalten, sondern muss uns zusammenbringen – auch wenn es um die Infrastruktur geht. 5G können wir deshalb nur zusammen mit der Bevölkerung vorwärtsbringen

Ich bin mir bewusst, dass wir nie alle überzeugen werden. Aber die grosse Mehrheit müssen wir mitnehmen.

Das gelingt uns nur, wenn wir umsichtig vorgehen. Ich bin überzeugt, dass wir so am Ende schneller zum Ziel kommen.

Ihnen allen danke ich für Ihr Engagement und überbringe Ihnen im Namen des Bundesrats die besten Wünsche.


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