Die Exzellenz der Hochschullandschaft Schweiz

Basel, 24.08.2020 - Referat von Bundesrat Guy Parmelin Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung anlässlich des Netzwerkanlasses beider Basel

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin (Elisabeth Ackermann, BS)
Sehr geehrter Herr Regierungspräsident (Anton Lauber, BL)
Sehr geehrte Damen und Herren aus Hochschule und Wirtschaft, aus Politik und Verwaltung

«Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen»! Dieser Satz stammt nicht von mir, auch wenn er von mir sein könnte. J

Er ist von Mark Twain. Sie erinnern sich – er schrieb die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Mark Twain sagte also einmal: «Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen»!

Das stimmt. Diese Erfahrung können wir alle teilen. Wir alle wissen: Es ist fast unmöglich vorauszusehen, was nur schon morgen oder übermorgen wirklich sein wird. Dass beispielsweise ein Virus eine globale Gesundheits- und Wirtschaftskrise mit mutmasslich jahrelangen Folgen hervorrufen könnte, das hat noch im Januar 2020 kaum jemand für sehr wahrscheinlich gehalten.

Doch gerade trotz all dem Unvorhergesehenen, das auf uns zukommt, ist es wichtig, dass wir uns mit der Zukunft beschäftigen. Auch hierfür lässt sich Mark Twain trefflich zitieren: «Natürlich kümmere ich mich um die Zukunft. Ich habe vor, den Rest meines Lebens darin zu verbringen». Auch das könnte übrigens fast von mir sein. J

In welcher Zukunft möchten wir leben, sehr geehrte Damen und Herren?

Dazu mag es ganz persönliche und darum auch ganz viele verschiedene Antworten und Gewichtungen geben. Gesundheit, Arbeit und Wohlstand sind wohl Begriffe, die in den Hoffnungen der meisten Menschen vorkommen.

Aus heutiger Perspektive sehe ich für die Schweiz diese Wünsche weitgehend eingelöst. Wir leben in einem der weltweit sichersten, innovativsten und wohlhabendsten Länder. Doch ebenso ist klar, dass wir uns als Land und als Teil der Staatengemeinschaft sehr grossen Zukunftsfragen stellen müssen:

  • Wie geht es weiter mit Covid-19? Das ist aktuell wohl eine der drängendsten Fragen.
  • Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf uns und unsere Gesellschaft?
  • Wie gehen wir mit den Spannungsfeldern Klimawandel, Biodiversität, Energiebedarf und Wachstum um?
  • Grosse Fragezeichen gibt es auch im Bereich des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Migration und der demografischen Veränderungen.

Diese und weitere Herausforderungen stellen sich in einem vielschichtigen Umfeld. Oft hängt das eine mit dem anderen zusammen. Dazu kommt, dass die nationale und die internationale Ebene oft kaum mehr zu trennen sind. Wir können im Sinne Mark Twains kaum verlässlich vorhersagen, wie sich die Welt und die Schweiz künftig entwickeln werden.

Wir müssen aber keine Propheten sein, um festzustellen, dass wir mit neuem Wissen und neuen Anwendungsmöglichkeiten die Probleme dieser Zeit angehen können. Die Rede von der «Wissensgesellschaft» ist nicht neu. Doch noch nie war es so offensichtlich, wie wichtig individuelles und kollektives Wissen für ein erfolgreiches, soziales und ökonomisches Zusammenleben sind.

Hier kommen nun für mich unsere Hochschulen und deren Zukunft ins Spiel.

Die Gegenwart darf, ja soll uns positiv stimmen. Egal ob wir Hochschul-Rankings, Statistiken zur Arbeitsmarktfähigkeit der Hochschulabgänger oder Studien über die Innovationskraft konsultieren – die Schweiz steht heute im internationalen Vergleich als Musterschülerin da. Bedenken Sie, dass gemäss dem neuesten Shanghaier «Academic Ranking of World Universities» unter den 100 besten Universitäten nicht weniger als fünf Schweizer Hochschulen zu finden sind, darunter auch jene in Basel. Das freut mich als Bildungsminister natürlich sehr und ich kann nur applaudieren, auch hier nach Basel.

Solche Leistungen sind nur dank entsprechenden Investitionen möglich. Die Schweizer Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstitutionen sind heute fähig, Lehre und Forschung in hoher Quantität und Qualität zu bestreiten. Und das Interessante daran ist, dass es erst noch vor allem durch die öffentliche Hand finanziert ist.

Was braucht es, damit das so bleibt?

Diese Frage hat sich der Bundesrat in der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024 intensiv gestellt. Er ist zum Schluss gekommen, dass der bisherige Erfolg der BFI-Akteure auf einem intelligenten Fördersystem beruht. Der Bundesrat ist überzeugt, dass dieses Fördersystem mit seinen Eckwerten auch für die Zukunft tauglich ist.

Natürlich macht eine Vielzahl an Nationen massiv Druck auf den kleinen, aber feinen Denk- und Werkplatz Schweiz. Aber eine grundsätzlich neue BFI-Strategie des Bundes für seine eigenen Dossiers braucht es unserer Ansicht nach deswegen nicht – ebenso für die Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich finanziell federführenden Kantonen. . «Never change a winning system»! – hat sich der Bundesrat gesagt.

Doch was heisst das?

Es heisst insbesondere, dass für den Bund und für mich persönlich die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation auch künftig eine prioritäre Aufgabe ist. Als verlässlicher Partner der Kantone wollen wir künftig mit gut 28 Milliarden Franken rund 2 Milliarden mehr in den BFI-Bereich investieren. Circa 5,2 Milliarden davon sollen an die kantonalen Hochschulen gehen. Damit erfüllen wir das Hochschulförderungs- und –koordinationsgesetz.

Tatsächlich haben der Bund und die Kantone im Hochschulbereich einige wichtige Berührungspunkte. Der Bund ist mit seinen ETH ebenso Hochschulträger wie es die zehn Universitätskantone sind. Dazu kommen diejenigen Kantone, die selber eine Fachhochschule führen oder -  wie Basel-Stadt und Baselland im Falle der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) - zusammen mit anderen Kantonen für eine Fachhochschule mitverantwortlich sind.

All diese Träger kooperieren heute in der Schweizerischen Hochschulkonferenz. Aber, und hier betone ich den Geist des Hochschulförderungs- und ‑koordinationsgesetzes: Trotz Koordination und Austausch soll der Hochschulraum Schweiz ein föderalistischer Wettbewerbsraum bleiben. Die gegenseitige Konkurrenz soll die Qualität der Institutionen positiv beeinflussen. Es liegt auf der Hand, dass dabei die Möglichkeiten und Interessen der einzelnen Hochschulträger unterschiedlich sind. Diese Trägerschaften haben deshalb nun die Aufgabe, sich einige Grundsatzfragen zu stellen und diese zu beantworten. Das sind Fragen wie:

  • Soll unsere Universität oder Fachhochschule regional, national und international präsent sein?
  • Welche Fachbereiche soll sie abdecken?
  • Wie viele Studierende wollen wir?
  • Wie viele ausländische Studierende wollen wir und wie steuern wir die Auswahl?
  • Wo sind teure Schwerpunkte in der Forschung sinnvoll?
  • Wo und mit wem suchen wir die Kooperation?

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich sehe 3 wichtige Schlüssel für eine erfolgreiche Hochschullandschaft Schweiz:

Als ersten wichtigen Schlüssel erachte ich einen harten Wettbewerb und grundsätzlich eine schlaue Zusammenarbeit «à géométrie variable».

Ein zweiter entscheidender Schlüssel ist für mich die «Forschungsfreiheit», wie sie zum Beispiel der schweizerische Nationalfonds SNF betreibt. Darum will der Bund den SNF auch in der kommenden Förderperiode mit einer grosszügig dotierten Leistungsvereinbarung ausstatten. Grundlagenforschung darf und soll risikoreich und unkonventionell sein. Sie ist langfristig angelegt und soll – bei allem Interesse der Politik und der Öffentlichkeit an anwendbaren Ergebnissen – primär dem Erkenntnisgewinn dienen. Darüber sollen die Forschenden auch berichten – wir verteilen keine Maulkörbe.

Wir erwarten allerdings, dass der schweizerische Nationalfonds alle Wissenschaftszweige fördert und dass seine Förderinstrumente auf die höchstmögliche wissenschaftliche Qualität justiert sind. Diese Erwartung zieht sich wie ein roter Faden durch die Leistungsvereinbarung mit dem SNF. Das zwingt die Hochschulen und ihre Angehörigen, in ihren Forschungsprojekten kompetitiv zu bleiben. Nur so kommen sie - zusätzlich zur Grundfinanzierung durch die Trägerorganisationen und den Bund - zu Drittmitteln.

Auch das Portefeuille des SNF darf sich in den Jahren 2021-2024 sehen lassen. Wir beantragen hier 4,6 Milliarden Franken, die letztlich den Hochschulen zugutekommen.

Das gilt auch für unser Engagement für eine Erneuerung des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU. Hier geht es natürlich um die Beteiligung am sogenannten Horizon-Paket. Wir wollen hier eine ununterbrochene Assoziierung der Schweiz sicherstellen.

Der dritte matchentscheidende Schlüssel für eine auch in Zukunft erfolgreiche Hochschullandschaft Schweiz, sehr geehrte Damen und Herren, das ist für mich ein weltoffenes BFI-Fördersystem.

Für mich ist absolut klar: In der Schweiz verfügen wir nur über einen Rohstoff, unsere graue Materie. Wohlgemerkt: das ist ein äusserst wertvoller Rohstoff! Der Bund, die Kantone und die Privatwirtschaft müssen gemeinsam daran arbeiten, dass in unserem Land Wissen, Können, Kreativität und Innovation gefördert werden. Ich bin überzeugt - und damit wage ich entgegen der Meinung von Mark Twain eine Prognose über die Zukunft – ich bin überzeugt, dass unsere Zukunft der Hochschullandschaft Schweiz von diesen Qualitäten und der ihnen zugrundeliegenden Bildung und Weiterbildung abhängt.

Besten Dank für Ihre Mitarbeit und für Ihre Aufmerksamkeit!


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