Swiss Media Forum POP UP

Bern, 08.10.2019 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, 08.10.2019

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Mitglieder der eidgenössischen Räte

Geschätzte Anwesende

Es ist nicht das erste Mal, dass ich bei Ihnen bin. Ich war vor zwei Jahren Gast beim Swiss Media Forum in Luzern.

Ich habe Ihnen damals in Luzern gesagt, dass ich die Sorgen der Branche kenne, und dass ich offen sei für konkrete Lösungsvorschläge.

Damals hatte ich leicht reden. Da war ich noch im EJPD, und meine grossen Themen waren Lohngleichheit und Frauenquote, ein neues Urheberrecht, die Entschädigung für die Verdingkinder oder die Beschleunigung der Asylverfahren.

Diese Projekte sind mittlerweile alle durchs Parlament.

Eine Vorlage für die Medienbranche haben wir hingegen immer noch nicht.

Ich habe darum das Mediendossier nach meinem Wechsel ins UVEK rasch in die Hand genommen.

Vor allem habe ich das Gespräch mit der Medienbranche gesucht, wie ich es damals in Luzern gesagt habe. Wir haben uns vor der Sommerpause an einem runden Tisch getroffen. Mit dabei waren von den Privatradios über den Verlegerverband bis zur SRG alle Akteure. Aus meiner Sicht war der Austausch sehr gut. Und es hat sich für mich bestätigt, dass die Richtung bei der neuen Medienvorlage stimmt. Das sieht mittlerweile auch der Bundesrat so.

Nachrichten verbreiten

Für mich sind zwei Punkte zentral, wenn wir über eine neue Medienvorlage sprechen:

Erstens: Was hilft den einheimischen Medien wirklich?

Und zweitens: Wie bleiben die Medien trotz staatlicher Unterstützung unabhängig?

Der amerikanische Kongress stand vor 140 Jahren vor ziemlich ähnlichen Fragen.

Seine Antwort war der post office act vom 3. März 1879. Mit dem Beschluss verbilligte der Kongress den Versand von Zeitungen und Zeitschriften. Die Überlegung dahinter war so einfach wie bestechend: Die Behörden helfen mit, Artikel und News zu verbreiten, halten sich sonst aber raus bei den Zeitungen.

Nun hat sich seither einiges verändert. Packesel sind selten geworden bei der Post, genauso wie Setzkästen bei den Verlagen.

Geblieben ist die Bedeutung der Medien für die Demokratie. Ohne funktionierende Medien funktioniert auch keine Demokratie.

Geblieben ist aber noch etwas Zweites: Der Ansatz des post office act findet sich heute im Schweizer Postgesetz. Bei uns heisst das Zustellermässigung. Die Überlegung dahinter kennen Sie: Der Bund sorgt dafür, dass die Post Zeitschriften und Zeitungen günstig zu den Abonnenten bringt.

Die Zustellermässigung ist für mich unbestritten. Darum habe ich dem Bundesrat beantragt, sie auf weitere Titel auszweiten und den Betrag pro Zeitungsexemplar zu erhöhen.

Schwierige wirtschaftliche Situation

Medienpolitik kann sich im digitalen Zeitalter aber nicht auf die gedruckte Presse beschränken.

Immer mehr Menschen informieren sich heute digital. Wirklich Geld verdienen online aber nicht die heimischen Medien, sondern die grossen Internet-Konzerne. Sie machen Profit damit, dass wir täglich stundenlang auf unser Handy oder Tablet starren.

Die Schweizer Titel haben im Netz das Nachsehen. Der Grossteil der Werbeausgaben fliesst zu den Internetkonzernen, und nur eine kleine Minderheit der Leserschaft bezahlt für journalistische Inhalte. Gleichzeitig sind die Fixkosten auch für Online-Inhalte hoch.

In dieser schwierigen Situation möchte der Bundesrat nicht länger zuschauen. Sondern die Rahmenbedingungen so gestalten, dass wir in der Schweiz auch künftig eine lebendige und kritische Medienlandschaft haben.

Der Bundesrat hat deshalb verschiedene Massnahmen zu einem eigentlichen Medienpaket gebündelt. Den Ausbau der indirekten Presseförderung habe ich bereits erwähnt. Hinzu kommen weitere Massnahmen.

Im Kern haben die Massnahmen für mich eines gemeinsam: Sie sollen dafür sorgen, dass die Inhalte zur Bevölkerung kommen. Für die Inhalte bleiben aber die Medien zu 100 Prozent selber verantwortlich. Der Bund macht ihnen keine inhaltlichen Vorgaben. Er ist nur der Pöstler, der analog und digital auszutragen hilft, was die Medien an Geschichten, Analysen und News produzieren. So bleiben die Medien unabhängig.

IT-Projekte und Bezahl-Modelle

Im Online-Bereich setzen wir auf zwei Instrumente. Zunächst wollen wir IT-Projekte unterstützen. Die Entwicklung von IT-Lösungen kostet, und die Investitionszyklen werden kürzer. Deshalb möchte der Bundesrat der Branche Geld zur Verfügung stellen für Lösungen, die verschiedenen Portalen zu Gute kommen. Spannende Ideen gibt es in der Branche bereits, z.B. eine gemeinsame Plattform, um die Sichtbarkeit zu erhöhen oder ein gemeinsames Login. Solche Projekte sollen künftig Mittel erhalten.

Das Geld stammt aus dem Topf der Medienabgabe. Wichtig ist, dass diese Unterstützung allen elektronischen Medien offensteht. Und damit auch jenen, die nicht mit einer Bezahlschranke arbeiten.

An die Zahlungsbereitschaft des Publikums knüpfen wir mit einem zweiten Instrument an: mit der Unterstützung für kostenpflichtige Online-Medien. Bei diesen übernehmen wir für die Leserschaft einen Teil der Kosten. Ein Bezahl-Angebot kostet dann vielleicht nicht mehr 200 Franken, sondern 100.

Die Medienunternehmen sollen so günstige Angebote etablieren können und trotzdem noch etwas verdienen. Gerade für kleinere Portale, die nicht mit der Reichweite arbeiten können, sondern Geschichten aus der Region ins Zentrum stellen, ergeben sich dadurch neue Perspektiven.

Die Idee ist vergleichbar mit der Zustellungsermässigung im Printbereich. Müssten die Verlage die Zustellung der Zeitungen heute vollkommen selber übernehmen, würden am Ende auch die Leserinnen und Leser mehr bezahlen.

Darum verbilligen wir den Weg von der Redaktion zur Leserschaft. Künftig geschieht dies auch digital.

Wer Geld erhält und wer nicht, wird nach ähnlichen formalen Kriterien festgelegt, wie wir sie heute für die Zustellungsermässigung bei den Zeitungen kennen. Es braucht zum Beispiel einen bestimmten Anteil an redaktionellen Inhalten oder eine gewisse Themenvielfalt. So stellen wir sicher, dass wir publizistisch relevante Inhalte fördern.

Bei den Printtiteln setzen wir weiterhin auf die Zustellungsermässigung, erhöhen diese aber und weiten sie aus. Dadurch profitieren mehr Titel als heute.

Unterschiedliche Geschäftsmodelle fördern

Wir arbeiten derzeit an den Details der Vorlage, und wie ich höre, arbeiten Sie intensiv mit dem Bakom zusammen. Das freut mich.

Ich bin überzeugt: Wenn der Bund hilft, Inhalte sichtbar zu machen und zu den Leuten zu bringen, können die Redaktionen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: den Journalismus. 

Die Verlage wiederum entscheiden frei, welches Geschäftsmodell sie wählen. Der Bund redet ihnen nicht drein. Die einen werden online auf Reichweite setzen, die anderen auf eine Bezahlschranke, und Dritte bleiben vielleicht länger beim Papier.

Wir wollen die verschiedenen Kanäle nicht gegeneinander ausspielen: Alle Medien, ob Zeitung, Radio, Fernsehen oder Online, sind aus staatspolitischer Sicht wichtig. Wir schaffen darum lediglich die Rahmenbedingungen, in denen verschiedene Geschäftsmodelle funktionieren können.

Zu diesen Rahmenbedingungen gehört für mich auch, dass wir Nachrichtenagenturen unterstützen und in die Ausbildung der Journalistinnen und Journalisten investieren.

Lärm statt Debatten

Ich habe mir Anfangs Jahr die Situation der Medienbranche in verschiedenen Staaten angeschaut. Was ich teilweise gesehen habe, ist wenig erfreulich.

In einzelnen europäischen Ländern finden sich heute ganze Landstriche, für die sich keine Zeitung und kein Online-Portal mehr interessieren. Solche Zustände will ich verhindern. Einzelne Regionen dürfen bei uns nicht zum medialen Niemandsland werden. Denn bei uns haben die Kantone wirklich etwas zu sagen. Und die Gemeinden auch. Sie fällen wichtige Entscheide, in der Regierung, im Parlament oder an einer Gemeindeversammlung.

Wenn die Bevölkerung nicht mehr mitbekommt, was passiert, wenn die Leute nicht mehr darauf zählen können, dass die Medien kritisch hinschauen, nützt es den Menschen wenig, dass sie mit ihrem Tablet 7 mal 24 Stunden die Woche live zuschauen können, was in Washington oder Brüssel abläuft. Wir benötigen die Öffentlichkeit bei uns, im Berner Oberland genauso wie im Engadin.

Facebook, Google und Co. helfen da wenig. Sie listen bloss auf, was Andere recherchiert haben.

Was wir darum in der Schweiz brauchen, sind Journalistinnen und Journalisten, die den Sachen auf den Grund gehen. Sie machen die wirklich guten Geschichten.

Sehr geehrte Damen und Herren

Niemand weiss, wie die Medienbranche in 10 Jahren aussieht. Kein Manager, keine Expertin und kein Politiker. Auch ich weiss es nicht. Von etwas bin ich aber überzeugt: Unsere Demokratie braucht auch in Zukunft einen kritischen Journalismus. Die sozialen Netzwerke können den Journalismus nicht ersetzen.

Ohne funktionierende Medien, ohne die Möglichkeit für die Bevölkerung, sich zuverlässig zu informieren, gibt es keine Debatten mehr, sondern nur noch Lärm. Und das kann sich unsere direkte Demokratie nicht leisten.


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