Einmalig vergänglich

Burgdorf, 22.09.2019 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Schweizer Jugendmusikfest 2019

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Musikerinnen und Musiker

Chers amoureux de la musique,

Sehr geehrte Behördenvertreter,

Liebe Präsidentin des Jugendmusikfestes, liebe Christa,

Liebes Publikum,

Was für ein wunderbares Bild! Zu Tausenden seid ihr nach Burgdorf gekommen, um Musik zu spielen.

Diese zwei Tage werdet ihr nie mehr vergessen -, das kann ich euch versichern. Es sind nämlich zwei ganz besondere Tage.

 Zwei Tage für die ihr wochen- und monatelang geübt habt. Zwei Tage, die erfüllt waren von Musik und vom Zusammenspiel mit anderen Musikerinnen und Musikern.

Und vielleicht erinnert ihr euch nicht nur an diese beiden Tage, sondern auch an die Nacht dazwischen, an gestern Abend, an die Party, wo ihr Musik gehört und dazu getanzt habt. Wo vielleicht Freundschaften entstanden sind, wo ihr – wer weiss – geflirtet habt oder sogar eine neue Liebe erwacht ist. 

Als ich selber sehr jung war, habe ich für die Musik gekämpft. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir waren daheim nämlich vier Geschwister, drei davon spielten Klavier – es gab aber nur ein Piano. Sobald das Familienessen vorbei war, stürmten wir Kinder wie wildgeworden zum Instrument. Ja, ich auch. Jeder versuchte den anderen wegzuschubsen, um als erste auf den Klavierstuhl zu sitzen.  

Wenn ihr jetzt denkt, wir seien eine Familie von leidenschaftlichen Musikern gewesen – dann muss ich euch enttäuschen! Der echte Grund für diesen Kampf war, dass bei uns zu Hause galt: Wer Musik macht, muss nicht abwaschen. 

Später – als Jugendliche – wurde mein Piano zu meinem Zufluchtsort. Das Klavier verlieh mir Flügel! Dort konnte ich mich ausdrücken, dort spielte ich mal laut – also forte – mal piano. Und wenn mich rundherum niemand verstand: mein Klavier war immer für mich da.  

Gemeinsam statt einsam

Ein paar Jahre später machte ich eine weitere Entdeckung: Ich begann, mit anderen zu musizieren.

Das war für mich eine neue Welt, eine Welt, die ich mit anderen teilen konnte: gemeinsam statt einsam am Instrument. 

Zusammen musizieren ist etwas vom Schönsten das es gibt – das finde ich, wie Christa, bis heute -, denn da gibt es eine Verbindung, eine Übereinstimmung, wie man sie mit Menschen nur selten findet. Manchmal funkte es natürlich auch beim Zusammenspielen – und da wurde die Musik jeweils noch schöner. 

Natürlich gab es auch andere, weniger fröhliche Momente. Dann etwa, wenn ein Freund, in den ich mich verliebt hatte, mir den Rücken kehrte.

In solchen Momenten wandte ich mich dem Piano zu und ertränkte meinen Kummer in den Melodien von Wolfgang Amadeus Mozart und Frédéric Chopin. Männer, die mich bestimmt verstanden hätten. Das jedenfalls dachte ich mir damals.

Die Musik begleitet mich bis heute – übrigens auch in der Arbeit. Eine Bundesratssitzung ist dann gut, wenn wir einander zuhören und wenn niemand die anderen einfach nur übertönen will. Also genau wie beim gemeinsamen Musizieren. 

Eine gute Bundesratssitzung ist wie ein Konzert: jede und jeder gibt das Beste, zum Wohl unserer Bevölkerung.

Vor ein paar Wochen habe ich so eine gute Sitzung erlebt: Wir haben im Bundesrat beschlossen, dass die Schweiz beim Klimaschutz zulegen will, das heisst konkret: dass wir im Jahr 2050 unter dem Strich kein schädliches CO2 mehr ausstossen wollen.

Schliesslich haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren jungen Menschen, unseren Kindern und Grosskindern: Auch sie haben das Recht auf eine lebenswerte Welt – deshalb müssen wir jetzt handeln.

Aujourd’hui encore, la musique m’inspire. Jusque dans mon travail.

Une bonne séance du Conseil fédéral, c’est comme un bon concert. Chacun donne le meilleur de lui-même pour le bien de la population.

J’ai vécu une telle séance il y a quelques semaines, quand nous nous sommes mis d’accord pour que la Suisse fasse davantage d’efforts pour le climat. Parce que nous avons une responsabilité envers la jeunesse, envers nos enfants et nos petits-enfants.

Auch im Parlament muss man sich immer wieder zusammenraufen – das weiss die Präsidentin dieses Festes, Christa Markwalder bestens. Auf französisch sagt man: «On cherche des ACCORDS».

Mit der Präsidentin dieses Festes, mit Christa Markwalder, finde ich immer wieder solche «accords». Kein Wunder, schliesslich ist sie eine versierte Politikerin UND Musikerin.

Alles geben

Es gibt übrigens noch eine weitere Parallele zwischen der Musik und der Politik: Beides braucht viel Vorbereitung. Ich habe als Jugendliche auch ab und zu an einem Wettbewerb teilgenommen.

Ich weiss was es heisst, wenn man wochen- und monatelang übt – für ein Musikstück, das gerade mal dreieinhalb Minuten dauert.

Und dann steht man auf der Bühne, hat eine einzige Chance und muss in diesen dreieinhalb Minuten alles geben, denn nur diese dreieinhalb Minuten zählen.

Doch in diesen dreieinhalb Minuten kann sehr viel entstehen: eine Stimmung, ein Gefühl, das sich im Saal verbreitet. Und alle, die im Saal sind, nehmen an diesem Gefühl teil. Musik für ein Publikum zu spielen, ist etwas Einmaliges.

Das ist so bei der Live-Musik: Sie ist vergänglich, die Töne erklingen und verschwinden.

Aber wenn heute Abend die Musikerinnen und Musiker aus Burgdorf abgereist sind, verstummen zwar die Instrumente, aber etwas hallt noch länger nach: Dieses besondere Gefühl, gemeinsam Musik zu spielen und gemeinsam Musik zu hören. Und am Schluss bleibt uns die Erinnerung an dieses Gefühl.

Deshalb habe ich, liebe junge Musikerinnen und Musiker am Anfang gesagt: Ihr werdet Burgdorf nie vergessen – denn was hier geschah bleibt in euren Herzen.

C'est peut-être là l'essence de la musique jouée en direct : elle passe, comme la vie, comme les notes qui s’envolent au-delà des murs de cette cité. Mais quand s’évanouissent ces derniers sons, il reste une émotion. Et puis le souvenir d’une émotion.

Jamais, jeunes musiciennes et musiciens, jamais vous n’oublierez Berthoud.

Ich gratuliere euch allen im Namen des Bundesrats, ich danke euch für euer Engagement und wünsche euch eine gute Heimreise, in alle vier Landesteile.

Viva la musica, vive la vie, es lebe Burgdorf!


Adresse für Rückfragen

Kommunikation UVEK, Tel. +41 58 462 55 11



Herausgeber

Generalsekretariat UVEK
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home.html

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-76492.html