Bundesrat Blocher zieht Bilanz über seine Reise in die Türkei

Bern, 06.10.2006 - Bundesrat Blocher hat gestern seine dreitägige Reise in die Türkei abgeschlossen. Anlass der Reise waren die Feierlichkeiten zur Übernahme des schweizerischen Zivilgesetzbuches durch die Türkei vor 80 Jahren. Zweck war die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei.

Viele der offenen Dossiers in den Beziehungen mit der Türkei sind in den Bereichen Justiz, Polizei und Migration angesiedelt, wie zum Beispiel die Frage eines Verbots von terroristischen Organisationen in der Schweiz, die türkisch-armenische Problematik und die Auslieferung von mutmasslichen Gewalttätern an die Türkei. Diese Bereiche hat Bundesrat Blocher mit seinen türkischen Amtskollegen Justizminister Cemil Cicek und Innenminister Abdulkadir Aksu besprochen.

 

Übernahme des Schweizerischen Zivilgesetzbuches

In seiner Rede an der Universität Ankara anlässlich der Eröffnungsfeier des Symposiums zur Übernahme des schweizerischen Zivilgesetzbuchs durch die Türkei vor 80 Jahren würdigte Bundesrat Blocher den Mut der Gründungsväter der Türkei, die ein einheitliches Recht eingeführt haben. Diese Würdigung unterstrich Bundesrat Blocher, indem er am Nachmittag am Grab von Präsident Atatürk einen Kranz niederlegte. Bundesrat Blocher hob an der Universität Ankara die grosse Bedeutung einer säkularen Rechtsordnung für das friedliche Zusammenleben von verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen hervor.

 

Bekämpfung des Terrorismus

Bundesrat Blocher und Justizminister Cicek unterstrichen die Notwendigkeit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zusammen zu arbeiten. Die türkische Forderung, in der Schweiz aktive türkische extremistische Organisationen zu verbieten, wies Bundesrat Blocher zurück. Die Schweiz sei beim Verbot von extremistischen Organisationen äusserst zurückhaltend. Der Weg der Schweiz sei die individuelle Strafverfolgung und die fallbezogene Rechtshilfe. In diesem Zusammenhang wurden aktuelle Auslieferungsgesuche der türkischen Behörden besprochen. Grundlage der Behandlung dieser Gesuche seien von der Türkei abgegebene schriftliche Garantien für faire Gerichtsverfahren und einen menschenrechtskonformen Strafvollzug, betonte Bundesrat Blocher.

 

Rassismus-Strafnorm im schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB)

Bundesrat Blocher stellte fest, dass zwischen dem Grundsatz der Meinungsäusserungsfreiheit und der Rassismus-Strafnorm ein Spannungsfeld bestehe. In diesem Zusammenhang kam der Fall von Professor Yusuf Halacoglu, Präsident der türkischen Historikergesellschaft, zur Sprache. Professor Halacoglu soll wegen eines Vortrags in Winterthur gegen Artikel 261bis des schweizerischen Strafgesetzbuches verstossen haben. In diesem Vortrag habe er dargelegt, dass die tragischen Massendeportationen und Massaker vor 90 Jahren, in der Endphase des Osmanischen Reiches, nicht als Genozid zu bewerten seien. Bundesrat Blocher betonte im Gespräch mit Justizminister Cicek die Haltung des Bundesrates, wonach es vor allem eine Aufgabe der historischen Forschung sei, die Ereignisse zu beleuchten und sie in ihrem geschichtlichen Kontext einzubetten und zu beurteilen. Es entspricht der bundesrätlichen Haltung, dass die Aufarbeitung dunkler Geschichtskapitel durch die betroffenen Länder selbst erfolgen soll. Im Gespräch wurde Bundesrat Blocher von Justizminister Cicek zugesichert, dass die Türkei bereit wäre, eine Historikerkommission mit internationaler Beteiligung zu bilden, die in der Türkei und in Armenien freien Zugang zu den Archiven hätte, und dass die Türkei die Ergebnisse der Untersuchung akzeptieren würde.

 

Ebenso legte Bundesrat Blocher dar, dass die Meinungsäusserungsfreiheit eine wichtige Voraussetzung für die Demokratie sei. Das gelte für alle Staaten. Deshalb, betonte Bundesrat Blocher, irritiere es, wenn durch einen Strafgesetzartikel die Meinung eines türkischen Professors zur Beurteilung geschichtlicher Vorgänge unter Strafe gestellt werde. Bundesrat Blocher bestätigte seine Absicht, diesen Widerspruch durch eine Revision von Art. 261bis beseitigen zu wollen. Zu diesem Zweck werde der entsprechende Gesetzesartikel in seinem Departement überprüft. Allfällige Vorschläge müssten von Bundesrat und Parlament und allenfalls vom Schweizer Volk gutgeheissen werden.

 

Der türkische Justizminister Cemil Cicek hat Bundesrat Blochers Einladung, die Schweiz zu besuchen, angenommen.

 

 


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