Rede beim Anlass «Get together» von FrauenBasel.ch

Bern, 28.01.2019 - Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Basel, 28. Januar 2019

Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein.
Ich hoffe einfach, Sie sind nicht enttäuscht.
Sie haben mich nämlich als Justizministerin eingeladen.
Und bekommen haben Sie jetzt mich als UVEK-Vorsteherin.

Seit dem 1. Januar hat aber nicht nur das UVEK eine neue Vorsteherin, sondern auch zwei weitere Departemente. Wir Frauen sind jetzt wieder zu dritt im Bundesrat. Das tut gut. Für mich liegt die Messlatte allerdings noch etwas höher. Als ich im Bundesrat angefangen habe, waren wir vier Frauen. Und ich verrate Ihnen jetzt kein Geheimnis, wenn ich sage: «Es hät gfägt.»

Lohngleichheit

Doch reden wir über ein Thema, über das man in der Schweiz eigentlich nicht spricht. Ich meine den Lohn. Nicht meinen Lohn, der ist bekannt. Sondern den Lohn der Frauen in diesem Land.

Frauen verdienen in der Schweiz im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen – und zwar deutlich. Rund 18 Prozent. Ein Teil des Unterschieds lässt sich erklären. Wenn es mehr Männer in Chefpositionen gibt, dann verdienen Männer auch mehr als Frauen, die nicht in Chefpositionen sind. So weit so klar.
Doch damit lässt sich nicht der ganze Lohnunterschied begründen.

Es gibt heute in der Schweiz Lohnunterschiede, für die man keine vernünftige Erklärung findet. Diese Unterschiede sind nicht auf Ausbildung, Jobprofil oder Erfahrung zurück zu führen.
Der einzige Grund, warum Frauen im Durchschnitt pro Monat 600 Franken weniger verdienen, ist ihr Geschlecht. Weil sie Frauen sind.

Für die Betroffenen geht das gar nicht. Wenn Sie aufs Jahr gerechnet 7000 Franken weniger verdienen, nur weil Sie eine Frau sind, dann kommen Sie sich zurecht betrogen vor. Denn diese 7000 Franken weniger pro Jahr wirken sich auch auf die Rente im Alter aus. Das heisst: Frauen sind damit gleich «doppelt bestraft».
Doch es geht nicht nur ums Geld. Sondern um die Haltung dahinter. Denn hinter den Lohnunterschieden versteckt sich letztlich die Botschaft, dass Frauen weniger wert sind.

Da hört bei mir der Spass auf. Und die Arbeit fängt an.
Ich habe darum vor 5 Jahren ein Gesetz lanciert, um etwas gegen diese Lohnunterschiede zu machen: die Vorlage für die Lohngleichheit.
Es wäre übertrieben zu behaupten, Bundesbern habe auf diese Vorlage gewartet.
Ganz im Gegenteil: Ich habe wohl kaum je über ein Gesetz so viele Grabreden von Journalisten und Politikern gehört wie über diese Vorlage.
«Das kommt nie durch», hiess es von Anfang an.
Nicht durch den Bundesrat, und ganz sicher nicht durchs Parlament.

Politik machen

Das war das Grundrauschen, das das Gesetz von Anfang begleitet hat.
Doch wir haben uns davon nicht beeindrucken lassen.
Im Gegenteil: Ich habe die Kritik zum Anlass genommen, um das zu machen, was die Bevölkerung von Bundesrat und Parlament erwartet: Ich habe Politik gemacht.

Politik machen: Das heisst für mich Kompromisse suchen, Verbündete gewinnen, Allianzen schmieden, gemeinsame Grundlagen schaffen. Dafür haben wir in Bern 72 Parlamentarierinnen und 174 Parlamentarier.

Und ich kann Ihnen sagen: Im Bundeshaus haben sich Einige mächtig ins Zeug gelegt, eine Handvoll Männer, aber vor allem verschiedene Parlamentarierinnen.
Die Gesetzesberatung hat uns allen viel abverlangt. Wir haben alles erlebt, was Politik so spannend machen kann: harte Diskussionen, überraschende Manöver und knappe Mehrheiten. Und wir haben Rückschläge hinnehmen müssen.

Gleichzeitig habe ich immer eine grosse Unterstützung gespürt.
Ich erinnere mich noch gut, wie eine ganze Reihe von Nationalrätinnen extra in den Ständerat rübergekommen ist, um die Diskussion im Stöckli zu verfolgen. Das ist die Art von Zeichen, die es in solch schwierigen Situationen braucht.
Und ich sehe die angespannten Gesichter der Frauen auf der Tribüne noch genau vor mir. Da ist so vieles zusammengekommen. Das jahrzehntelange Warten, die Ungeduld, die Wut über die Ungleichbehandlung. Auch darum haben die Frauen draussen vor dem Parlament demonstriert, während drinnen die Vorlage beraten worden ist.

Keine Geschenke

Ich würde Ihnen das alles aber nicht so gelöst erzählen, wenn die Geschichte kein Happy End gehabt hätte. Doch das hat sie. In meiner letzten Session als EJPD-Vorsteherin hat das Parlament die Vorlage angenommen. Und auch gestandene KMU-Vertreterinnen konnten sagen: Doch, diese Lösung stimmt für mich, und sie stimmt für die Sache. Darum sage ich ja.

Nun müssen alle grossen Schweizer Arbeitgeber ihr Lohngefüge durchleuchten und prüfen, ob sie Frauen systematisch schlechter bezahlen. Das Ergebnis müssen sie dann veröffentlichen. Das ist schon alles. Niemand muss ins Gefängnis, keine Firma muss eine Busse bezahlen. Die grossen privaten und öffentlichen Arbeitgeber müssen einfach Transparenz schaffen.

Jetzt denken Sie vermutlich: «Für das bisschen Transparenz haben die Frauen so kämpfen müssen?»
Da haben Sie nicht ganz unrecht. Aber so ist es – und nicht zum ersten Mal: Wer Politik für die Frauen macht, erhält nichts geschenkt.

Heute scheint mir das alles schon weit weg. Dabei ist die Schlussabstimmung im Parlament gerade mal 6 Wochen her.
Doch das UVEK lässt einem kaum Zeit, um in der Vergangenheit zu leben.
Denn es gibt viel zu tun. Das wird mir jeden Tag bewusst, und zwar auch ausserhalb der Arbeit. Wo ich bislang die Natur genossen habe, denke ich heute an das CO2-Gesetz. Und wo ich früher am Abend einfach ferngesehen habe, denke ich nun an die SRG-Konzession. So sieht die Schweiz durch die UVEK-Brille aus. Und was ich sehe, finde ich sehr spannend.

Der Anspruch, den ich an meine Arbeit habe, ist derselbe geblieben. Ich möchte auch im UVEK Politik machen. Das heisst, ich möchte die Leute mitnehmen und pragmatisch Kompromisse suchen, um am Ende Mehrheiten zu finden. Genau wie bei der Lohngleichheit.

Ihnen allen danke ich für Ihr Interesse, Ihr Engagement und den Austausch. Davon lebt die Politik. Dass Sie alle heute hier sind, stimmt mich zuversichtlich.


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