EU bewilligt 14 Millionen für Schweizer Forschende

Villigen, 06.12.2018 - Ein ERC-Grant ist die renommierteste Auszeichnung für herausragende europäische Forschungsprojekte. Ein Team mit drei Forschenden aus dem ETH-Bereich hatte sich ebenfalls um ein solches Stipendium beworben. Heute erhielten Gabriel Aeppli vom Paul Scherrer Institut PSI, Henrik Rønnow von der ETH Lausanne EPFL und Nicola Spaldin von der ETH Zürich sowie ihr Kollege Alexander Balatsky von Nordita, Universität Stockholm, den von der EU unterzeichneten Vertrag, der die ausserordentlich hohe Fördersumme von 14 Millionen Euro bestätigt. Mit dieser Finanzierung werden sie ihr Fachwissen bündeln, um ins Innerste der Materie zu blicken. Mit den Grossforschungsanlagen des PSI wollen sie neue Quanteneffekte entdecken, die bisher übersehen wurden oder mit bisher eingesetzten Methoden nicht sichtbar gemacht werden konnten. Die Forschenden werden zudem neue Materialien mit nützlichen Quanteneigenschaften entwickeln. Solche neuen Eigenschaften könnten in Zukunft für die Datenverarbeitung oder Datenspeicherung von Nutzen sein und so das Rückgrat der Elektronik der Zukunft bilden, was wiederum der Allgemeinheit zugutekommt.

Um das Verständnis der Quanteneigenschaften von Materialien zu vertiefen, haben vier hochkarätige Forschende einen ERC Synergy Grant über 14 Millionen Euro erhalten, der vom Europäischen Forschungsrat (ERC) der Europäischen Union vergeben wird. Das Team besteht aus drei Forschenden in der Schweiz sowie einem weiteren in Schweden: Gabriel Aeppli am PSI, Henrik Rønnow an der EPFL, Nicola Spaldin an der ETH Zürich und Alexander Balatsky an Nordita, Universität Stockholm.

Ziel der gemeinsamen Forschung ist es, versteckte Quanteneigenschaften in bekannten Materialien aufzudecken, also Eigenschaften, die mit bisher eingesetzten Methoden nicht sichtbar gemacht werden konnten. Die Wissenschaftler planen zudem die Entwicklung neuer Materialien mit massgeschneiderten Quanteneffekten. Solche Effekte könnten in Zukunft zur Verarbeitung, Übertragung und Speicherung von Daten genutzt werden und so zum Rückgrat der zukünftigen Elektronik werden, die schneller, kleiner und energieeffizienter werden muss.

Es ist äusserst wichtig, dass wir diese Forschung jetzt angehen, sagt Gabriel Aeppli, Photonenforscher am PSI. Die heutige siliziumbasierte Informationstechnologie beruht immer noch auf Prinzipien, die vor rund 70 Jahren entdeckt wurden. Dadurch stossen wir an die Grenzen des Machbaren, insbesondere in Bezug auf Geschwindigkeit und Energieeffizienz, so Aeppli weiter. Wir müssen in der Informationsrevolution nun die nächste Stufe erklimmen und mehr Nutzen aus Quanteneffekten ziehen.

Da die Schweiz kein EU-Mitglied ist, ist ihr Platz im ERC-Fördersystem nicht selbstverständlich. Derzeit ist die Schweiz voll angegliedert und in der Schweiz tätige Forschende sind mit ihren Anträgen auf ERC-Stipendien besonders erfolgreich.

Im Zusammenhang mit dem nun vergebenen ERC Synergy Grant arbeiten die drei Foschenden in der Schweiz alle im ETH-Bereich. Das erleichterte es ihnen erheblich, ihre Fachkompetenz zusammenzuführen, sagt Henrik Rønnow, Neutronenforscher an der EPFL. Die vier Experten, die sich jetzt zusammenschliessen, werden das Feld deutlich voranbringen, so Rønnow weiter: Jedes Mal, wenn wir zusammensitzen, stellen wir fest, dass wir alle sehr unterschiedliche Blickwinkel haben, aber oft auf das Gleiche schauen. Schon in der Vergangenheit bin ich durch die Unterhaltungen mit den anderen dreien auf neue Ideen gekommen, wie ich die Dinge, die ich selbst suche, besser finden kann. Ich freue mich daher sehr auf den Ausbau dieser Zusammenarbeit.

Was die Wissenschaftler unter versteckten Phänomenen verstehen, lässt sich mit einer Analogie erklären: Stellen wir uns eine grosse Fläche vor, die aus blauen und gelben Pixeln besteht, sagt Nicola Spaldin, theoretische Chemikerin und Materialwissenschaftlerin an der ETH Zürich. Aus der Ferne sieht sie grün aus, aber wenn wir genauer hinsehen, entdecken wir zusätzliche Informationen – in diesem Fall die Art und Weise, wie Blau und Gelb so angeordnet sind, dass sie die grüne Farbe ergeben – die ebenso offensichtlich wie versteckt ist. Spaldin fährt fort, dass im Falle von Quantenphänomenen versteckte Eigenschaften alles andere als trivial zu finden sind. Darum brauchen wir die fortgeschrittenen Analyseinstrumente der Grossforschungsanlagen am PSI, um sie zu entdecken.

Der vierte Wissenschaftler im Team, Alexander Balatsky von Nordita, Universität Stockholm, ist theoretischer Physiker. Um die Wichtigkeit des gemeinsamen Forschungsprojekts zu verdeutlichen, schlägt er einen historischen Bogen: Wir sprechen von der Steinzeit, der Bronzezeit, der Eisenzeit und sagen, dass die Menschheit sich derzeit im Siliziumzeitalter befindet. Als nächstes wird ziemlich sicher das Quantenzeitalter kommen – aber welches Quantenmaterial wird es werden? Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir viele mögliche Materialien untersuchen; es braucht Pferde, damit es ein Rennen geben kann. Und am Ende hoffen wir natürlich, dass eines unserer Materialien das Rennen gewinnt.

Die Forschenden gaben ihrem gemeinsamen Forschungsprojekt den Namen HERO, eine Abkürzung für Hidden, entangled and resonating orders – zu Deutsch: Versteckte, verschränkte und resonante Ordnungen. All dies sind wichtige Quanteneigenschaften, mit denen sie sich befassen werden, um mögliche Materialien der Zukunft zu entdecken. Dazu werden die herausragenden Forschenden die verschiedenen Grossforschungsanlagen des PSI nutzen, um Untersuchungen durchzuführen, die sich gegenseitig ergänzen, sowie auf die Rechenleistung des Swiss National Supercomputing Centre CSCS zurückgreifen, dem nationalen Hochleistungsrechenzentrum der ETH Zürich in Lugano.

Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann

 

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2100 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 390 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.


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