Bundesrat empfiehlt Observationsartikel für Sozialversicherungen zur Annahme

Bern, 09.10.2018 - Am 25. November entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über neue Gesetzesbestimmungen für verdeckte Beobachtungen durch die Sozialversicherungen. Diese Bestimmungen regeln die Voraussetzungen, Verfahren und Grenzen für solche Observationen. Zudem schützen sie die Versicherten vor Willkür und schaffen Transparenz.

Die Sozialversicherungen ermöglichen den Menschen ein Leben in Würde und finanzieller Sicherheit. Es ist ihre Pflicht, genau abzuklären, wer Anspruch auf eine Leistung hat, beispielsweise auf eine Rente der Invaliden- oder der Unfallversicherung. Bei solchen Abklärungen braucht es in Ausnahmefällen auch eine verdeckte Beobachtung, eine sogenannte Observation.

Gesetz setzt enge Grenzen

Eine verdeckte Beobachtung ist ein starker Eingriff in die Privatsphäre. Umso wichtiger ist es für Bundesrat und Parlament, dass es keine unnötigen, willkürlichen oder unverhältnismässigen Observationen gibt. Darum werden ihnen mit den neuen Gesetzesbestimmungen enge Grenzen gesetzt. Die Gesetzesvorlage schafft den Ausgleich zwischen den notwendigen Kontrollen und dem Schutz der Grundrechte.

Observationen sind nur erlaubt, wenn es konkrete Anhaltspunkte für einen unrechtmässigen Bezug von Versicherungsleistungen gibt. Sie kommen nur als letztes Mittel in Frage, wenn die Abklärung anders nicht möglich ist oder unverhältnismässig schwierig wäre. Sie dürfen auch nicht im Innern eines Wohnhauses stattfinden. Orte wie das Treppenhaus oder das Schlafzimmer gehören zur Privatsphäre, die gemäss Bundesgericht vor der Beobachtung geschützt ist. Die beobachtete Person muss sich an einem Ort befinden, der allgemein zugänglich oder von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar ist, beispielsweise auf dem Balkon.

Die Dauer einer Observation ist auf maximal 30 Tage innerhalb eines halben Jahres begrenzt, in begründeten Fällen innerhalb eines ganzen Jahres. Technische Geräte dürfen nur zur Standortbestimmung eingesetzt werden, und zwar nur dann, wenn es das zuständige Gericht vorher bewilligt hat. Richtmikrofone, Nachtsichtgeräte, Kameradrohnen und dergleichen sind nicht erlaubt.

Wer observiert, untersteht dem Amtsgeheimnis. Die beobachtete Person muss nach der Observation informiert werden und kann gerichtlich beurteilen lassen, ob diese Massnahme rechtmässig war. Das schafft Transparenz und beugt willkürlichen und unnötigen Beobachtungen vor. Wenn sich der Verdacht nicht bestätigt hat, muss das ganze Observationsmaterial vernichtet werden. Die betroffene Person kann aber auch verlangen, dass es in den Akten bleibt, wenn es sie entlastet.

Die Regelung im Gesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) gilt für alle bundesrechtlich geregelten Sozialversicherungen – ausser für die berufliche Vorsorge, die vom ATSG nicht erfasst wird. Für die meisten von ihnen dürfte die Observation von Versicherten in der Praxis kaum relevant sein.

Erfahrungen mit Observationen bei IV und Unfallversicherung

Die Invalidenversicherung (IV) und die Unfallversicherung haben in der Vergangenheit das Mittel der Observationen eingesetzt. Die IV hat in der Zeit von 2009 bis 2016 im Durchschnitt in rund 2000 Fällen jährlich den Verdacht auf einen Versicherungsmissbrauch abgeklärt, davon in rund 220 Fällen mit einer Observation. Die Suva hat in der gleichen Zeit durchschnittlich rund 400 Verdachtsfälle pro Jahr bearbeitet und dabei rund ein Dutzend Personen observiert. Bei der IV haben die Observationen den Verdacht auf Versicherungsmissbrauch in rund der Hälfte der Fälle bestätigt, bei der Suva in rund zwei Dritteln der Fälle.

Derzeit finden keine Observationen statt. Im Oktober 2016 kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Schluss, dass die Unfallversicherung dafür keine ausreichende gesetzliche Grundlage hat. Im Juli 2017 entschied das Schweizerische Bundesgericht, dass auch die gesetzliche Grundlage der Invalidenversicherung nicht genügt. Beide Versicherungen stellten in der Folge die Observationen ein. Wird die Gesetzesvorlage abgelehnt, so werden die Sozialversicherungen auch in Zukunft keine Observationen durchführen können.


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