75 Jahre Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete

Bern, 30.08.2018 - Ansprache von Bundespräsident Alain Berset anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete – Es gilt das gesprochene Wort.

Ich freue mich, heute hier zu sein. Ich weiss allerdings nicht recht, in welcher Funktion Sie mich eingeladen haben.

Als Gesundheitsminister? Sehr gut. Es freut mich, dass die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete mit 75 immer noch so rüstig ist, ja geradezu vor Gesundheit strotzt.

Oder als Sozialminister? Noch besser! Wenn alle mit 75 so aktiv wären wie die SAB, dann bräuchten wir überhaupt keine Reform der Altersvorsorge. Das war jetzt aber kein Plädoyer für das Rentenalter 75.

Oder haben Sie mich schlicht als Landei eingeladen? Denn ein solches bin ich schliesslich, ich stamme aus Belfaux, einer ländlichen Gemeinde im Kanton Fribourg.

Oder vielleicht ja doch als Bundespräsident? Das passt am besten. Weil es mein Hauptanliegen ist, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht einfach gegeben ist, sondern immer wieder aufs Neue erarbeitet werden muss.

In welcher Rolle auch immer: Ich bin jedenfalls sehr gerne hier, um die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete zu loben für ihren unverzichtbaren Beitrag an unser Land. Ein Beitrag, der noch bemerkenswerter ist, weil er sich aus Spendengeldern speist. Was eindrücklich zeigt, wie stark die Solidarität ist unserem Land ist. Wie stark sind viele Unterländerinnen und Unterländer mit den Berggebieten verbunden fühlen.

Die wirtschaftliche Situation der Schweiz ist momentan erfreulich. Aber viele fragen sich: Gilt das auch für alle Menschen in unserem Land? Und werden auch die Regionen abseits der Wirtschaftszentren künftig mithalten können?

Mehr denn je gilt: Wir alle müssen genau hinschauen, wie es den anderen in unserem Land geht. Also nach möglichen Bruchlinien in unserem Gemeinwesen suchen. Etwa zwischen jenen, die von der Globalisierung profitieren und denen, die den sozialen Abstieg fürchten. Oder zwischen jenen, die kulturellen Veränderungen als Bereicherung empfinden und denen, die sich von diesen eher bedroht fühlen. Und nicht zuletzt zwischen der ländlichen und der städtischen Schweiz. 

Gerade weil die wirtschaftliche Ungleichheit sich heute oft auch räumlich zeigt, gilt der Imperativ: Bruchlinien dürfen sich nicht zu Gräben ausweiten.

La spaccatura tra le regioni che osserviamo in altri Paesi è però, per fortuna, praticamente impensabile in Svizzera.

Almeno fintanto che tutti saremo consapevoli che gli investimenti nella coesione nazionale sono sempre anche investimenti in una Svizzera forte - e non soltanto un fattore di costo. E che una perequazione finanziaria equa e un'infrastruttura funzionante in tutto il Paese ci danno stabilità politica - e ci rendono forti economicamente.

Le SAB s'engage depuis 1943 pour que les régions alpines et rurales de Suisse restent attractives sur le plan économique et social. C'est une tâche aussi précieuse que complexe, qui se reflète dans la grande variété de thèmes du SAB, qui vont du développement de projets commerciaux au marketing régional, des conseils en construction à l'amélioration du service public, des travaux d'entretien sur les alpages au transfert de savoir et de technologie.

Le développement est une tâche très diversifiée et globale. En avoir conscience est une condition indispensable pour que le potentiel de la numérisation puisse se déployer pleinement dans les régions de montagne également. Car la numérisation n'est pas une fin en soi - elle doit être intégrée au niveau social et économique pour être plus qu'une vague promesse.

En cas de succès d'une telle approche globale, la Suisse rurale et alpine en profiterait considérablement. Car vivre et travailler dans des régions éloignées gagnerait alors en attractivité. Pour tout le monde - aussi bien pour les jeunes qui ont grandi dans les régions de montagne et déménagent aujourd'hui dans les centres urbains du Plateau dans le but de trouver du travail, que pour les citadins qui veulent échapper à la pression croissante induite par la densité démographique et aux loyers élevés dans les pôles de croissance du Plateau.

À long terme, la numérisation pourrait conduire à une croissance démographique plus équilibrée territorialement qu'elle ne l'est à l'heure actuelle dans notre pays.

Mais d'autres évolutions nous préoccupent actuellement et seront déterminantes : par exemple la question de la transformation des régions de montagne si un nombre croissant de grands investisseurs étrangers viennent en Suisse. Ou la question du maintien de l'équilibre entre des intérêts aussi divergents que le divertissement et la tranquillité.

Als Bundespräsident habe ich dieses Jahr häufig Kontakt mit ausländischen Regierungsvertretern. Und dabei werde ich unweigerlich auch mit den Klischees konfrontiert, die über unser Land kursieren - und die grossmehrheitlich dem Fundus der ländlichen Schweiz entstammen. Von Kühen bis Schokolade. Von Käse übers Jodeln bis zum Alphorn.

Manchmal zeigt man sich im Ausland auch irritiert über unsere Wettbewerbsfähigkeit und unsere Innovationskraft, die auf den ersten Blick eben gar nicht zu den ländlichen Klischees zu passen scheint. Aber eben: Nur auf den ersten Blick.

Denn auch bei den Schweizer Klischees zeigt sich, wie eng Stadt und Land miteinander verwoben sind. Das Heidi zum Beispiel wurde in Zürich erfunden. Der Schweizerische Alpenclub wurde 1863 im Bahnhofbuffet Olten gegründet - von grossbürgerlichen Städtern. Und in den Städten fanden bis Ende des Zweiten Weltkriegs auch fast alle Eidgenössischen Schwingfeste statt.

Und anderseits wirbt die städtische Schweiz um Touristen und Investoren mit Hinweis auf die Attraktivität der ländlichen Schweiz. Zürich etwa warb um die Jahrtausendwende explizit mit seiner Alpennähe. Jahrelang zeigte die meistverkaufte Postkarte von Zürich eine Aufnahme des Zürichsees - und gleich dahinter türmten sich Eiger, Mönch und Jungfrau auf und natürlich auch gleich noch das Matterhorn.

Die Schweiz ist eben ein innovatives Land - sogar bei den „fake news" waren wir schon früh dabei. Aber vielleicht stand man damals auch noch unter dem Eindruck einer ETH-Studie, die 93 Prozent der Schweizer Fläche zu den Berggebieten zählte und zwar inklusive Stadt Zürich.

Die Schweiz-Klischees machen uns klar: Sogar dort, wo wir die tiefste Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen vermuten, also zwischen der urbanen und der ländlichen Schweiz, sogar dort verbindet uns noch viel mehr als uns trennt.

Welches ist die wahre Schweiz? Die alpine und ländliche Schweiz? Oder die Städte mit ihren Agglomerationen? Weder noch: Die wahre Schweiz findet sich überall dort, wo das Bewusstsein stark ist, dass Stadt und Land aufeinander angewiesen sind. Und dass eine enge Zusammenarbeit beide Seiten stärkt - und damit die Schweiz als Ganze.


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