Bräuche und Traditionen sind der Kitt, der die Eidgenossenschaft zusammenhält

Bern, 17.06.2018 - Ansprache von Bundesrat Guy Parmelin Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) anlässlich des 51. Bernisch-Kantonalen Jodlerfestes Wangen an der Aare, Sonntag, 17. Juni 2018.

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Regierungsratspräsident
Herr Gemeindepräsident
Herr Präsident des Bernisch-Kantonalen Jodlerfestes
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen
Geschätzte Freunde und Gäste des  Bernisch-Kantonalen Jodlerfestes

Ich danke, dass ich heute zu Ihnen sprechen und am Jodlerfest teilnehmen darf.

Danke auch an die Gemeinde Wangen an der Aare und Gemeindepräsident Fritz Scheidegger für die Gastfreundschaft.

Wangen ist eine Gemeinde, mit der unsere Armee seit fast 150 Jahren eng verbunden ist. Und das soll noch lange so bleiben. Denn wir wollen den Waffenplatz sogar noch weiterentwickeln. Der Bundesrat hat dies Anfang Jahr dem Parlament mit der sogenannten Armeebotschaft vorgeschlagen. Ein erster Entscheid des Ständerates liegt vor, nun liegt das Dossier im Nationalrat.

Schliesslich gratuliere ich dem Organisationskomitee. Es ist ein wichtiger Anlass für alle, denen Brauchtum und Tradition am Herzen liegen.

Und ich bin einer von diesen Menschen.
 Unser Land ist ein Land der Traditionen, die sich wie ein Mosaik zu einem Bild zusammenfügen.

Insbesondere in der Mundart, in der Kunst und im Kunsthandwerk, an volkstümlichen Veranstaltungen oder auch in der Religion werden die Schweizer Bräuche und Traditionen lebendig gehalten.

Den Freiburgern ist ihre Nikolausfeier wichtig, den Zürchern lässt das Sechseläuten das Herz höherschlagen, jeder kennt die Basler Fasnacht.

Die Scherenschnitt-Künstler aus dem Pays-d’Enhaut, die St. Galler Stickerinnen, die Freiberger Pferdezüchter, die Tessiner Trockensteinmaurer – diese Liste ist nicht vollständig.

Das Schützenwesen, das Essen – und der Wein –, der Sport, das Handwerk und die Landwirtschaft sowie unser christliches Erbe stehen im Zentrum solcher Bräuche. Diese Bräuche bestimmen den Lebensrhythmus unserer Gemeinden und Kantone.

Musik und Klang spielen dabei eine zentrale Rolle: Der Kuh-Reihen von Greyerz ist heute schon fast so etwas wie eine Nationalhymne, der Bündner Chalandamarz und das Silvesterchlausen im Appenzellerland sind ohne Glockengeläut undenkbar. Und dank Mani Matter sind berndeutsche Lieder zum Kulturgut der Deutschschweiz geworden.

Ich behaupte nun Folgendes: In der Schweiz wurde immer gerne gesungen und musiziert.

Das gilt auch in der Armee. Es gibt einige Militär-Märsche, die nach meinen Vorgängern benannt wurden – Gnägi, Delamuraz, Ogi, Stich, Koller und auch Aubert. Ob es einmal einen Parmelin-Marsch gibt, werden wir sehen.

Was ich aber weiss: Hier in Wangen an der Aare feiern die Menschen das Jodeln, weil Jodeln nach Heimat klingt. Das Jodeln weckt Bilder des einfachen Bauernlebens und erinnert uns an unsere Wurzeln, an die Alpen, die unseren Horizont bilden.

Das Jodeln ist nicht künstlich. Das Jodeln steht für ein authentisches Land, das sich mit Musik feiert.

Jodeln und andere Traditionen sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält – über Generationen und unabhängig davon, ob jemand ein Bauer oder ein Industrieller ist.

Sie wissen es besser als ich: Jodeln ist geprägt von häufigen und schnellen Wechseln zwischen Bruststimme und Kopfstimme. Wenn man es sich genau überlegt, kennen alle unsere Traditionen ein solches Wechselspiel:

Unsere Traditionen erfordern Herz, damit sie eine Seele haben. Das ist die Bruststimme. Unsere Traditionen brauchen aber auch Verstand, wenn sie fachgerecht ausgeübt werden. Das ist die Kopfstimme.

Das Jodeln ist also auch ein Symbol für die zwei Seiten, die jedes Engagement hat. Im Verein, im Beruf oder im Sport – überall braucht es eine Bruststimme und eine Kopfstimme, überall braucht es Herz und Verstand.

Unsere persönlichen Leistungen sind dann besonders gut, wenn wir sie nicht nur mit dem Kopf erzielen. Sondern wenn unsere Leistungen das Resultat einer echten Motivation sind, einer tiefen Überzeugung, also einer Leidenschaft.

Das gilt für das Jodeln, für das Singen, für die Kunst ganz allgemein – und auch für die Kunst der Landesverteidigung.

Die Verteidigung des Landes und seiner Unabhängigkeit, seiner Souveränität und damit die Sicherheit der Menschen – das ist nicht nur eine Frage der finanziellen Mittel und der Ausrüstung.

Es ist vor allem eine Aufgabe, die Liebe für das Vaterland erfordert, das heisst ein Bewusstsein dafür, was man dem Land schuldet.

Man muss sich immer bewusst sein, was das Land für einen geschaffen hat und noch schaffen wird. Und deshalb sollte jede und jeder etwas zurückgeben und sich persönlich für das Gemeinwohl einsetzen. Die Liebe zum Vaterland ist das Gegenstück zum Individualismus.

Und Bräuche und Traditionen bedeuten, die Vergangenheit zu kennen, um die Zukunft besser zu verstehen. Eine Tradition lebendig zu halten, heisst, überliefertes Wissen weiterzugeben und nicht in Nostalgie zu schwelgen.

Deshalb bin ich froh, dass die Jodler dies bereits tun.

Im Leitbild Ihres Verbandes stehen die richtigen Grundsätze: die Nachwuchsförderung, die Weiterbildung, aber auch die Pflege von nationalen und internationalen Netzwerken, eine transparente Kommunikation und ein sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen.
Stellen Sie sich vor: Die gleichen Grundsätze gelten in meinem Departement!

Meine Damen und Herren
Volkstümlicher Gesang und Landesverteidigung verbindet also nicht nur die Tradition. Sondern auch die Anforderungen sind die gleichen.

Jodeln bietet als Hobby auch die Möglichkeit, Disziplin kennenzulernen, sich hohe Ziele zu setzen und diese selber und gleichzeitig in der ganzen Gruppe zu erreichen.

In diesem Sinne ist Jodeln auch eine Handlung eines Staatsbürgers.
Die eigene Identität bewahren und die Bräuche lebendig halten – das ist nicht nur Menschen vorbehalten, die für eine Schweiz der Vergangenheit schwärmen.

Tatsächlich gibt es nicht eine Schweiz von gestern und eine von morgen, nicht eine Schweiz der Tradition und eine der Innovation.

Es gibt nur eine Schweiz.

Aber es gibt unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man ihr am besten dienen kann, wie sie ein bevorzugter Ort bleibt in einem internationalen Umfeld, in dem es viele Unsicherheiten gibt.

Der Respekt vor den Traditionen ist die Grundlage für die Heimatliebe und damit eine Bedingung dafür, dass unser Land so stark und selbstbewusst ist.

Ich bin Ihnen allen dankbar dafür, dass Sie mit Ihrem Einsatz für die Kunst zu diesem Ideal beitragen.

Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Jodelfest im schönen Oberaargau.

Lang lebe unsere Tradition. Und lang lebe unser geliebtes Land!


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