«Armbrust und Hellebarde»

Bern, 31.07.2018 - Ansprache von Bundesrat Guy Parmelin Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) anlässlich des Nationalfeiertags 2018.

Sehr geehrte Eidgenossen
Meine Damen und Herren

Eine 1.-August-Rede ist eine der heikelsten rhetorischen Aufgaben für einen Politiker. Viele Redner sprechen über die verschiedenen Zeiten des Lebens. Die Vergangenheit dient dazu, die Gegenwart zu erklären und man wagt einen Ausblick in die Zukunft. Am Nationalfeiertag erinnern wir uns an unsere Wurzeln. Gleichzeitig gehen wir in die Zukunft.

Wir Menschen sind neugierig, wissbegierig und ungeduldig. Wir wollen Neues entdecken.
Die Zukunft ist denn auch ein leichtes Terrain für die Politik. Sie wissen es: Politiker sind gerne optimistisch und machen Versprechungen für die Zukunft. Der Weg in die Zukunft scheint immer angenehmer als die Schwierigkeiten der Gegenwart.

Die Zukunft hat den Vorteil, dass sie per Definition ungewiss ist. Deshalb dürfen wir uns auch irren. Diese Grosszügigkeit gibt es bei der Gegenwart nicht, und auch nicht bei der Vergangenheit.
Winston Churchill äusserte sich einmal wenig schmeichelhaft über Politiker. Er sagte: Ein guter Politiker ist nicht nur in der Lage, die Zukunft vorauszusagen. Ein guter Politiker kann auch im Nachhinein erklären, weshalb es anders gekommen ist als vorhergesagt. Es gibt also hohe Anforderungen an eine gute 1.-August-Rede.

Ich bin der Meinung, dass eine Rede am heutigen Tag auf einem soliden Fundament aufgebaut sein muss. Also auf der Geschichte oder – was am 1. August ausnahmsweise erlaubt ist – auf unseren nationalen Mythen. Die Rede muss den Fakten, den Erfahrungen und den Beobachtungen standhalten. Sie darf sich nicht in Träumen und Utopien verlieren. Träumen ist in der Schweiz zwar nicht verboten, doch wir sind ein pragmatisches Volk, das sich nicht von Illusionen und romantischen Aufrufen täuschen lässt. Eine 1.-August-Rede ist also eine Mischung: eine Mischung aus Beobachtung, Realismus und einem Blick nach innen. Wir sprechen über die Schweiz, und zwar an einer Feier, die für den Zusammenhalt unserer Eidgenossenschaft steht.

Das Thema der 1.-August-Reden ist deshalb häufig patriotisch. Der Patriotismus, meine Damen und Herren, ist ein starker Antrieb unseres Landes. Doch wenn Patriotismus mit allzu grossem Eifer betrieben wird, weckt das bei vielen von uns Skepsis und Misstrauen. Wir können uns über den guten internationalen Ruf unserer Hochschulen, den Erfolg unserer Wirtschaft oder die Goldmedaillen unserer Sportlerinnen und Sportler freuen. Es gibt auch andere, eher ruhige Arten, seine Liebe zum Vaterland zu spüren und auszudrücken.

Zum Beispiel, indem wir heute am 1. August unserem Land, der Schweiz, unsere Dankbarkeit ausdrücken.

  • Denn unser Land schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir uns so entwickeln können, wie wir wollen und können. 
  • Dank unserem Land können wir so leben, wie es unseren Fähigkeiten, unserem Talent und unserem Charakter entspricht.
  • Und dank unserem Land können auch die nächsten Generationen von dem profitieren, was wir geleistet haben.

Objektiv gesehen leben wir in einem Land, das reich ist und frei, sicher, innovativ, modern, solidarisch, stabil. Die einen Menschen sind stolz darauf. Die anderen Menschen sehen die Realität ganz anders oder zumindest ein wenig anders. Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte. Wir wären im Unrecht, würden wir das Bild der schönen Schweiz für perfekt oder definitiv halten. Uns muss stattdessen bewusst sein, dass der Erfolg der Schweiz und die Lebensqualität nicht dem Zufall zu verdanken sind. Es war nicht einfach nur Glück, dass es der Schweiz heute gut geht.

Blicken wir auf unsere Geschichte: Aus der Geschichte ist einerseits das föderalistische System entstanden, der Kern unserer Demokratie. Es ist ein bürgernahes System, in dem auch die Schwächsten respektiert werden. Unsere Geschichte hat zur Neutralität geführt, die Grundlage unserer Aussenpolitik. Dank der Neutralität ist die Schweiz bisher vor Konflikten verschont geblieben. Und das ist noch nicht alles: Die Lebendigkeit, die Stabilität und die Gradlinigkeit der Schweiz sind auf die Konsenskultur und die direkte Demokratie zurückzuführen. Auch diese zwei Traditionen gehören zum Kulturgut und zur Geschichte unseres Landes.

Als Bundesrat bin ich für die Armee zuständig. Darum ist für mich die Sicherheit unseres Landes besonders wichtig.

Meine Damen und Herren
Wir leben heute in einer unsicheren Welt. Trotzdem gibt es Leute, die finden, dass Sicherheit nicht so wichtig ist.

  • Sie sagen, dass Sicherheitsmassnahmen unsere Freiheit behindern. Besonders dann, wenn die Freiheit mit Waffen gesichert werden muss. 
  • Schlimmer noch: Manche Leute finden, Gefahren bringen Abwechslung in den Alltag.

Diesen Personen kann ich nur etwas raten: Verwechseln Sie Bürger nicht mit Rebellen.

Niemand bestreitet, dass unsere Erfolge auch eine Bereitschaft zu Risiken erfordern. Unser Leben ist nun einmal gefährlich. Wir wissen nie, wann es zu Ende ist. Wir müssen immer persönliche Risiken eingehen. Es gibt aber auch übergeordnete Interessen, die die Allgemeinheit betreffen. Diese Interessen müssen wir zusammen verteidigen. Die Freiheit, die Demokratie, die Unabhängigkeit und der Friede gehören dazu. Zu unserem Glück kann unser Land diese Werte bewahren und schützen, weil wir in der Schweiz in einem sicheren Umfeld leben.

Der Einsatz für gemeinsame Sicherheit geht weit zurück. Der Bundesbrief von 1291 ist nichts anderes als ein Versprechen, sich zu verbünden. Im Originaltext steht, dieses Bündnis mache man «im Hinblick auf die Arglist der Zeit». Man wollte gemeinsam Widerstand leisten und sich gegenseitig beistehen, wenn jemand angegriffen wird.

Heute hat die Sicherheit für die Menschen in der Schweiz zwei Säulen: 

  • Erstens die allgemeine Dienstpflicht. Die Idee dahinter ist einfach: Jeder von uns leistet Dienst. Nicht weil er ein eigenes Interesse daran hat, sondern weil er es für die Sicherheit der ganzen Gesellschaft tun muss. 
  • Die zweite Säule ist die Milizarmee. Hier geht es darum, dass die Bevölkerung die Bevölkerung schützt.

Das Milizsystem ist nicht nur in der Armee zu finden. Dieses Organisationsprinzip, das übrigens aus der griechischen Demokratie stammt, prägt noch heute die Kantone, die Gemeinden, die Verbände oder die zahlreichen Vereine in unserem Land. Das Milizsystem ist eine der Traditionen, die die Schweiz stark machen.

Meine Damen und Herren

Der 1. August ist der Tag, an dem wir unsere Geschichte und unser Land mit Symbolen erklären dürfen. Für mich sind die Armbrust und die Hellebarde die passenden Symbole unserer Zeit.

Die Armbrust ist DAS Symbol für die Schweiz. Sie steht für

  • die Schweizer Qualität, 
  • die Zuverlässigkeit, 
  • die Präzision.

Die Armbrust stellt auch die Verbindung her zwischen einer mutigen und leistungsstarken Schweiz, die sich ständig modernisiert, und einer historischen und mythischen Schweiz, an welche die berühmte Tell-Statue in Altdorf erinnert.

Dieses Symbol muss geschützt werden. Deshalb braucht es auch eine Schweiz der Hellebarde.
Diese spiessähnliche Waffe hat den Eidgenossen früher treue Dienste geleistet. Sie kam in den Villmerger-Kriegen oder am Morgarten und in Sempach zum Einsatz. Heute findet man sie nur noch im Museum. Immerhin hat die Schweizergarde in Rom immer noch Hellebarden, und so verbreitet die Waffe auf der ganzen Welt das Bild einer kämpferischen und mutigen Schweiz.

Die Sicherheit am Boden und in der Luft ist ein wertvolles Gut. Sicherheit ist ein Werkzeug im Dienste des Lebens und der Freiheit. In einem sicheren Land können wir unser Potential entfalten.
Doch ein Werkzeug benötigt jemanden, der es bedient. Daher träume ich von einem Land, dessen Zukunft weiterhin vom freiwilligen Engagement lebt. Was uns stark macht, ist der Einsatz von jedem Einzelnen von uns für die Werte unserer Gesellschaft. Jeder Bürger, jede Bürgerin kann und soll hier mithelfen.

Meine Damen und Herren

Sicherheit bietet die beste Lebensgrundlage für die Schweiz und die Menschen, die zu ihrem Erfolg beitragen. Sicherheit wünsche ich mir auch für Sie, geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich wünsche Ihnen eine schöne Nationalfeier.

Es lebe die Schweiz!


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