Inspiration ohne Grenzen (de/it)

Bern, 23.04.2018 - Basel, 23.04.2018 - Rede von Bundesrat Ignazio Cassis anlässlich der Muba18 - Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin Ackermann
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Pegoraro
Sehr geehrter Herr Vischer (Verwaltungsratspräsident der MCH Group AG)
Sehr geehrter Herr Kamm (Messeleiter der Muba)
Liebe Gäste

Grazie per il cordiale invito a partecipare alla famosa MUBA di Basilea! Malgrado le speculazioni il Consiglio federale ha trovato il modo di essere presente.
Es hat also doch noch geklappt!
Im Namen des Bundesrates grüsse ich Sie herzlich und freue mich, dass ich nun persönlich an der Muba vorbeischauen kann.

Nach Basel komme ich schon deshalb immer gerne, weil in den Fenstern vieler Häuser Fähnchen und Wimpel hängen, die die Farben meines Heimatkantons zeigen: rot-blau ...

Der heutige Besuch gibt mir auch die angenehme Gelegenheit, meine „Baslertage“ weiterzuführen: Vor einer Woche habe ich viele Baslerinnen und Basler am Sechseläuten in Zürich getroffen.

Mit ihnen zusammen habe ich gewartet, bis der Böögg explodiert. Nach 20 Minuten und 31 Sekunden war es soweit. Die Zürcher Auguren sagen deshalb, dass der Sommer 2018 nur mässig sommerlich sein wird.
Umso mehr freut sich der Tessiner Tourismus ☺

In der Aussenpolitik fehlt uns manchmal ein Böögg, der uns mit einem Knall sagt, wie die Zukunft aussieht.

Aber seien wir ehrlich: Wäre das wirklich gut? Würden wir eine Aussenpolitik wollen, die nur Lärm macht und Rauch verursacht?

Unsere Aussenpolitik strebt das Gegenteil an: Den Knall zu vermeiden! Politisch gesprochen: der Eskalation von Gewalt vorzubeugen.

Eine Stärke der Schweiz ist es ja gerade, durch unser ganzes Instrumentarium der Diplomatie politische Lösungen zu ermöglichen. In den letzten Tagen haben wir in Syrien gesehen, dass dieses Ziel nichts von seiner Dringlichkeit verloren hat.

Das bedingt eine eigenständige Aussenpolitik, die konsequent und verlässlich ist. Eine Aussenpolitik, die Vertrauen schafft – nach innen und nach aussen.

Denn Aussenpolitik ist immer auch Innenpolitik: Unsere aussenpolitischen Ziele müssen im Volk gut verankert sein. Dann kann die Schweiz nach aussen stark auftreten.

Meine Damen und Herren

Wo gibt es einen besseren Ort als hier, rund um die Messe Basel, um die Eigenständigkeit und Offenheit unserer Aussenpolitik zu erleben?

- Nur wenige Meter von diesem Saal entfernt fährt das 6er-Tram vorbei, Richtung Riehen an die Grenze zu Deutschland. Zwei weitere Basler Trams haben ihre Endstationen direkt in Deutschland und in Frankreich.
Und eine weitere Tramlinie, diesmal aus dem Baselbiet, fährt nach Frankreich und wieder in die Schweiz. Tramlinien, die den politischen Weg zeigen: Im direkten Kontakt und zum Vorteil beider Seiten.

- Nur wenige Meter über uns, in den oberen Etagen des Messeturms, sieht man auf einen Blick von Basel ins Elsass und nach Baden-Württemberg.

- Und in der Messehalle gegenüber fand vor etwas mehr als drei Jahren der Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt.

Damals im Zeichen des Konflikts in der Ostukraine, ging von Basel das Signal aus, dass es Dialog und Kooperation braucht. Nur so lassen sich Frieden und Wohlstand erreichen. In der Welt, in der Schweiz, in Basel.

Liebe Anwesende

Dialog und Kooperation: Das zeichnet auch unser Verhältnis zur Europäischen Union aus. Dieses Verhältnis ist unsere grösste Herausforderung in diesem Jahr.

Mit dem Dialog hapert es ab und zu ein bisschen. Das ist nicht überraschend, denn sowohl die Schweiz wie auch die EU bringen ihre Interessen ins Spiel. Somit ist Aussenpolitik nicht nur Innenpolitik, sondern auch Interessenpolitik!

Die Zusammenarbeit muss für beide Seiten gut sein! Hier greifen wir auch auf das Fokusthema der diesjährigen Muba zurück: „Inspiration.live“!
Mit der Inspiration hat es bisher mit der EU recht gut geklappt.

Der Handel liefert dafür anschauliche Belege.

Jeden Werktag erreicht der wirtschaftliche Austausch zwischen der Schweiz und der EU ein Volumen von einer Milliarde Franken.
Allein der Handel mit Baden-Württemberg erreichte im Jahr 2016 fast den Wert des Handels mit China: 34 Milliarden!

Und der Warenaustausch mit der Region Grand Est - zu der auch das Elsass gehört - entsprach unserem Handelsvolumen mit Russland und Brasilien zusammen: 6,5 Milliarden Franken.

Deshalb wird es Sie nicht überraschen, dass die EU für die Schweiz die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin ist. Zwei Drittel unseres Aussenhandels finden mit der EU statt.

Aber auch umgekehrt gilt: Die Schweiz ihrerseits gehört mit den USA und China zu den drei wichtigsten Handelspartnern der EU.

Superlative hier, Superlative dort!

Dabei ist der bilaterale Handel aus Exportsicht für uns über 50 Mal so wichtig wie für die EU. Im Jahr 2016 haben wir nämlich Güter im Wert von 13‘500 Franken pro Einwohner in die EU exportiert, währenddem die EU Güter im Wert von knapp 250 Franken in die Schweiz lieferte.

Meine Damen und Herren

Aussenpolitik ist - wie bereits gesehen - Innenpolitik und Interessenpolitik. Aussenpolitik ist auch stark Aussenwirtschaftspolitik!
Für den Bundesrat ist es somit ein grosses Anliegen, die intensiven Beziehungen mit der EU zu konsolidieren und weiterzuführen. Unser bilateraler Weg hat sich bewährt.

Wie können wir diesen Marktzugang für die Zukunft sicherstellen? Wie können wir die bestmögliche wirtschaftliche Integration mit der grösstmöglichen politischen Souveränität erreichen?

Um den bilateralen Weg gut weiterzuführen, verhandeln wir seit vier Jahren mit der EU über Verfahrensregeln, die unsere Handelsbeziehungen vereinfachen und sichern sollen.

Es sind die so genannten „institutionellen Fragen“: die Frage der Rechtsentwicklung, der Rechtsinterpretation, der Überwachung und der Streitbeilegung.

Alle zusammen werden sie unter dem Titel „Institutionelles Rahmenabkommen“ gefasst. Ein Name, der heute oft irritiert.
Dieses Verfahrensabkommen ist eine Regelung, die unsere partielle Teilnahme am EU-Binnenmarkt stabilisiert. Und damit auch den Wohlstand!

Diese Regelung betrifft fünf von insgesamt mehr als 120 Abkommen mit der EU. Es sind die folgenden Abkommen: Luft- und Landverkehr, Personenfreizügigkeit, Agrarprodukte und industrielle Standards.

Wollen wir mit unserer Exportindustrie im EU Binnenmarkt von ca. 520 Mio. Personen mitspielen, dann müssen wir den gleichen Spielregeln gehorchen wie alle EU-Länder.

Das tönt nach wenig, hat aber eine grosse Wirkung.

- Stellen Sie sich vor, aufgrund neuer Technologien würden in der EU die Vorschriften für die Produktion bestimmter Güter verändert.  Wäre es wirklich sinnvoll, wenn Schweizer Firmen nach den alten Normen produzieren und ihre Produkte nicht mehr auf dem EU-Binnenmarkt anbieten dürfen?

- Was würde es den Passagieren helfen, wenn bei uns andere Standards bei der Luftsicherheit gelten als am restlichen Himmel über Europa?

- Und wollen wir uns wirklich vorstellen, was es bedeutet, wenn diesseits und jenseits der Grenze für die Aufbewahrung von Fleisch unterschiedliche Temperaturen in der Kühlkette vorgeschrieben wären?

Es ist also auch in unserem Interesse, wenn die Regelungen des für uns wichtigen EU-Exportmarkt für alle Teilnehmer gleichermassen gelten.
Dafür braucht es eben die Lösung der institutionellen Fragen: So würde verhindert, dass die fünf Marktzugangsabkommen wegen fehlender Updates für die Schweizer Exportwirtschaft wirkungslos werden.

Wir hätten neues Öl im Getriebe!

Aber der Bundesrat sagt auch deutlich: Wenn sich das EU-Recht ändert, übernimmt die Schweiz dieses nicht automatisch. Es muss unsere souveräne Entscheidung sein, ob wir neues EU-Recht in ein bilaterales Abkommen aufnehmen wollen.

Diese Freiheit ist für uns essenziell.

Der Bundesrat will ein solches Abkommen aber nur, wenn sein Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Standort Schweiz von Vorteil ist.
Das Parlament wird ebenfalls sich damit beschäftigen und am Schluss entscheidet das Volk.

Aber ein Schritt nach dem Anderen: Noch läuft der Verhandlungsprozess. Auf technischer Ebene sind wir so weit fortgeschritten, dass die Verhandlungen bis zum Sommer abgeschlossen werden können.

Dann folgt die politische Phase, da es bestimmt noch die eine oder andere Differenz geben wird.

Meine Damen und Herren

Vielleicht scheint es auf den ersten Blick überflüssig, gerade hier in Basel über die Vorzüge guter Kooperation mit der EU zu sprechen.

- Hier, wo Sie über Gremien verfügen (wie die Oberrheinkonferenz, die Trinationale Regierungskonferenz oder die Hochrheinkonferenz), in denen die direkte Zusammenarbeit mit den Partnern aus Frankreich und Deutschland (also aus dem EU-Raum) institutionalisiert ist.

- Hier, wo jeden Tag 70 000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Deutschland und Frankreich in die Nordwestschweiz zur Arbeit kommen und ihren Teil zu einer dynamischen Region beitragen.

Hier also, wo an vielen Stellen sichtbar wird, welche Qualität unser bilaterales Verhältnis mit der EU heute aufweist.

Aber auch: Welche Qualität es für die Zukunft zu bewahren gilt!

Diesem Ziel, liebe Anwesende, gilt die ganze Aufmerksamkeit des Bundesrates in der Europapolitik.

Ich danke Ihnen, in Basel-Stadt, in Basel-Landschaft und in der ganzen Nordwestschweiz, dass Sie diese Europapolitik aktiv mitgestalten und daraus eine win-win Lösung machen. Massgeschneidert, unverzichtbar, bestechend, aktuell – kurz: „MUBA“…

Grazie per aver ascoltato queste mie parole. Finisco con un semplice appello: evviva la MUBA!


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