Erdbeben in der Schweiz – die Naturgefahr mit dem grössten Schadenpotenzial

Bern, 04.09.2006 - Die Schweiz ist Gastgeberland der ersten gemeinsamen europäischen Konferenz für Erdbebeningenieurwesen und Seismologie. Vom 3. bis 8. September 2006 treffen sich über 1000 Wissenschafter und Ingenieure zum Gedankenaustausch in Genf. Anlässlich seiner Eröffnungsrede betonte Bundespräsident Moritz Leuenberger, die Schweiz tue gut daran, die Naturgefahr Erdbeben ernst zu nehmen. Trotz mässiger bis mittlerer Erdbebengefährdung können in der Schweiz starke Beben auftreten. Die zu erwartenden Schäden liegen zwischen 7 und 60 Milliarden Franken.

Damit die Gebäude in erdbebengefährdeten Gebieten möglichst sicher gebaut wer-den können, ist der Austausch zwischen Seismologen und Bauingenieuren wichtig. Zu diesem Zweck findet in Genf die „First European Conference on Earthquake Engineering and Seismology“ statt. An der Konferenz werden über 1000 Teilneh-mende aus Europa und aussereuropäischen Ländern erwartet. Organisiert wird die Konferenz vom Schweizerischen Erdbebendienst SED der ETH Zürich, der Schwei­zer Gesellschaft für Erbebeningenieurwesen und Baudynamik SGEB sowie dem Bundesamt für Umwelt BAFU.

In seiner Eröffnungsrede plädierte Bundespräsident Moritz Leuenberger für einen Ausbau der Erdbeben-Vorsorge: „Die Vernunft sagt uns, dass wir ein Erdbeben nicht verhindern, seine Auswirkungen aber minimieren können.“ Denkbar seien verschiedene Schutzmassnahmen – etwa Vorschriften für ein erdbebensicheres Bauen und die Einführung eines Versicherungssystems, wie es für andere Risiken existiere. „Ein Teil der Versicherungsprämien könnte für Vorsorgemassnahmen gegen Erdbeben verwendet werden“, schlug Leuenberger vor. Der Umweltminister regte an, im Bereich der Erdbebensicherheit die Kompetenz auf den Bund zu übertragen.

90 Prozent der Gebäude sind ungenügend geschützt

Das hohe Schadenpotenzial macht Erdbeben in der Schweiz zum grössten Risiko unter den Naturgefahren. Rund 90 Prozent der Gebäude in der Schweiz wurden nicht oder nach veralteten Regeln für Erdbeben bemessen – sie könnten also unge-nügend gesichert sein. Die Rückversicherer der Schweiz rechnen bei einem Ereignis bis Stärke 6 auf der Richterskala mit Schäden von rund 7 Milliarden Franken und bei einem Beben der Stärke von etwa 7 mit solchen von rund 60 Milliarden Franken.

Die Gefahr von Erdbeben in der Schweiz gilt im weltweiten Vergleich als mässig bis mittel. Wie die Karte des Schweizerischen Erdbebendienstes SED der ETH Zürich zeigt (s. Faktenblatt 1 SED) herrscht erhöhte Erdbebengefahr im Wallis, in der Region Basel, in der Zentralschweiz, im Engadin und im St. Galler Rheintal. Beben der Stärke 5 auf der Richterskala sind in der Schweiz innerhalb von 10 Jahren, solche der Stärke 6 einmal innerhalb von 100 Jahren wahrscheinlich. Zum Vergleich: Beim schweren Beben von 1356 in Basel wurde eine Magnitude von schätzungsweise 6,9 erreicht.

Beste Vorsorge ist erbebensicheres Bauen

Die Schweizerinnen und Schweizer sind Erdbeben jedoch nicht schutzlos ausgelie-fert – sofern die geltenden SIA-Normen angewandt werden: Beste Vorsorge ist erd-bebensicheres Bauen. Wenn Architekt und Bauingenieur beim Bau eines Gebäudes von Anfang an zusammenarbeiten, betragen die Mehrkosten für erdbebensicheres Bauen im Allgemeinen höchstens 1 Prozent der Baukosten. Bei der Konzeption des Baus ist insbesondere darauf zu achten, dass die Tragkonstruktion robust, konti­nu­ier­lich und regelmässig ist. Insbesondere müssen die Erdgeschosse stabil gestaltet werden (genügend tragende Stahlbetonwände) und Unterdecken müssen so gut befestigt werden, dass sie im Fall eines Erdbebens nicht herunterfallen können.

Bund strebt erdbebensichere Bundesbauten an

In der Schweiz ist die bauliche Erdbebenvorsorge Sache der Kantone. Bestrebungen, den Schutz vor der Naturgefahr Erdbeben in der Bundesverfassung zu verankern, sind bislang gescheitert. Der Bundesrat hat Ende 2000 entschieden, die Erdbebensicher­heit bei Bundesbauten zu verbessern und zu diesem Zweck im heutigen Bundesamt für Umwelt eine Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge geschaffen (siehe Fakten­blatt „Erdbebenvorsorge beim Bund“). Bis anhin wurden über 300 Bundesbauten und 3000 Nationalstrassenbrücken geprüft und inventarisiert. Bis 2008 sollen weitere 500 Bundesbauten auf ihre Erdbebensicherheit hin überprüft und allenfalls verstärkt wer­den. Prominentestes Beispiel ist das Bundeshaus in Bern, das im Zuge der laufen­den Sanierung verstärkt wird.


Adresse für Rückfragen

Andreas Götz, Vizedirektor Bundesamt für Umwelt BAFU, 079 475 64 78
Prof. Domenico Giardini, ETH Zürich, Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes, 044 632 42 44 (Media Desk ETH Zürich)
Prof. Alessandro Dazio, ETH Zürich, Vorstand Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik SGEB, 044 632 42 44 (Media Desk ETH Zürich)
Olivier Lateltin, Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge, BAFU, 079 475 64 80



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