Die hässlichen Bade-Entchen
Dübendorf, 27.03.2018 - Gelbe Entchen oder ein giftgrünes Krokodil – welches Kind hat nicht schon mit ihnen gespielt in der Badewanne? Eine Untersuchung der Eawag zeigt nun, weshalb das Innere der weichen Plastikspielsachen ziemlich hässlich sein kann. Nebst dem Plastikmaterial tragen auch die Badenden selbst dazu bei, dass in den Entchen vielfältige Bakterienkulturen aufwachsen können.
In Badezimmern ist es warm und feucht. Das sind ideale Bedingungen für das Wachstum von Biofilmen aus Bakterien und Pilzen, etwa auf Duschvorhängen oder hinter Kästchen. Im besonderen Mass gilt das für Gummientchen und andere Spielsachen, die beim Baden verwendet werden. Denn im Innern der weichen Tierchen, wachsen üppige Teppiche aus Bakterien und Pilzen. Drückt dann ein Kind sein Spielzeug zusammen, spritzt nicht selten eine braune Brühe daraus hervor. Jetzt hat eine Gruppe von Forschenden der Eawag, der ETH Zürich und der Illinois-University untersucht, welche Faktoren diesen Bewuchs fördern und welche Arten von Mikroorganismen darin vertreten sind.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dazu benutzte Badespielzeuge gesammelt und die Biofilme aus Bakterien und Pilzen auf der Innenseite charakterisiert. Parallel dazu wurden auch Tests mit neuen Gummientchen durchgeführt. Diese haben sie elf Wochen lang Bedingungen ausgesetzt, wie sie in einem Haushalt realistisch wären – einige als Kontrollgruppe nur in sauberem Trinkwasser und einige im benutzten Badewasser samt Faktoren wie Seifenreste, Schmutz und Schweiss, aber auch Bakterien des menschlichen Körpers. Anschliessend wurden alle Entchen im Labor aufgeschnitten und untersucht. Die Ergebnisse klingen nicht appetitlich: Zwischen 5 Millionen und 75 Millionen Zellen pro Quadratzentimeter tummelten sich auf den Plastikflächen. Vor allem bei den unter echten Bedingungen genutzten Badeentchen aber auch zwischen den Kontrollgruppen gab es grosse Unterschiede in der Zusammensetzung der Biofilm-Gemeinschaften. Auf 60% der real benutzten und auf sämtlichen im Schmutzwasser benutzten Kontroll-Entchen fanden sich diverse Pilze. In 80% aller Entchen fanden die Forschenden Vertreter potentiell krankheitserregender Bakterien, darunter Legionellen oder die als hartnäckige Krankenhauskeime bekannten Stäbchenbakterien Pseudomonas aeruginosa.
Die Forschenden sind dann den Ursachen für die üppigen Biofilme nachgegangen: Als erstes haben sie das Leitungswasser untersucht. Dieses weist in der Regel so niedrige Nährstoffkonzentrationen auf, dass Bakterien nur minimal wachsen können. Doch die Entchen selbst bieten eine Nährstoffquelle. Denn aus dem weichen Plastikmaterial – oft qualitativ minderwertige Polymere – wird viel organischer Kohlenstoff freigesetzt. Weitere wichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, aber auch zusätzliche Bakterien gelangen beim Baden in die Wanne, z.B. vom Körper der Badenden, durch mitgebrachten Schmutz oder von Pflegeprodukten wie Shampoos und Cremen.
Hauptautorin der Studie ist die Mikrobiologin Lisa Neu. In ihrer Doktorarbeit setzt sie sich – nicht nur am Beispiel der Gummientchen – damit auseinander, wie sich auf Plastik Biofilme bilden und wie die Materialien mikrobielle Prozesse im Trinkwasser beeinflussen. Ihr Betreuer, Frederik Hammes, ist nicht erstaunt über die Ergebnisse: «Im Internet finden sich viele Foren und Blogs über schmutzige Badeenten, bloss wissenschaftlich untersucht wurden sie bisher kaum.» Dabei, so Hammes, seien die Spielzeuge äusserst spannende Forschungsobjekte, «denn sie bilden die Schnittstelle zwischen Trinkwasser, Kunststoffen, externen Verschmutzungen und anfälligen Endnutzern.» Mit den anfälligen oder empfindlichen Nutzern spricht Hammes auf die (Klein-)Kinder an, die sich gerne auch bespritzen mit der Brühe aus den Entchen. «Das kann die Immunabwehr stärken. Dann ist es positiv», sagt der Forscher, «aber es kann auch zu Entzündungen an Augen und Ohren führen oder zu Magen-Darm-Infekten.»
Also besser keine Badeentchen mehr in der Wanne? Nach jeder Nutzung aufwändig reinigen? Oder, wie im Internet auch empfohlen, schon vor der ersten Nutzung den Spritz-Spass unterbinden und das Loch zukleben? Forscher Hammes sieht noch einen weiteren Weg: Strengere Vorschriften für die Polymere, die für die Entchen verwendet werden. Das habe für problematische Chemikalien schliesslich auch geklappt, jetzt müsste man noch die Freisetzung des Kohlenstoffs mitberücksichtigen, so wie es bei den Tests für Trinkwasserleitungen aus Kunststoff heute schon gemacht wird.
Die Studie wurde im Rahmen eines Projektes zum Bakterienaufwuchs in Hausinstallationen vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert (Projekt 163366; Microbi-Homes: http://microbihome.weebly.com/ ).
Druckfähige Bilder und ein Kurzvideo auf: www.eawag.ch, keine Archivierung; honorarfreie Nutzung nur im Zusammenhang mit diesem Beitrag.
Originalartikel: Ugly ducklings – The dark side of plastic materials in contact with potable water. Lisa Neu, Carola Bänziger, Caitlin R. Proctor, Ya Zhang, Wen-Tso Liu, Frederik Hammes; npj Biofilms and Microbiomes (2018) – http://doi.org/10.1038/s41522-018-0050-9
Adresse für Rückfragen
Lisa Neu: lisa.neu@eawag.ch, +41 58 765 5531
Dr. Frederik Hammes: frederik.hammes@eawag.ch, +41 58 765 5372
Herausgeber
Eawag: Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs
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