Neujahrsempfang für das diplomatische Corps

Bern, 17.01.2018 - Ansprache von Bundespräsident Alain Berset. Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Nuntius
Herr Bundesrat
Herr Nationalratspräsident
Frau Ständeratspräsidentin
Exzellenzen


Meine Damen und Herren

  • Herr Nationalratspräsident, Frau Ständeratspräsidentin: Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, den heutigen Empfang im Parlamentsgebäude durchführen zu können.
  • Ihnen, Herr Nuntius und Doyen des diplomatischen Corps, danke ich für Ihre guten Wünsche zum neuen Jahr.
  • Und Ihnen allen, Exzellenzen, gilt ebenfalls mein Dank: für ihre Teilnahme am heutigen Empfang und für Ihr Engagement das ganze Jahr über.

Wir leben in einer Zeit der Widersprüche. In vielerlei Hinsicht leben wir in der besten aller bisherigen Welten.

Für die meisten Länder gilt:

  • Die Lebenserwartung wächst,
  • die Gesundheitsversorgung wird besser,
  • das Bildungsniveau steigt
  • und die Mobilität ist so bedeutend wie nie zuvor.

Die Weltwirtschaft ist im Aufwärtstrend, der über die nächsten Jahre anhalten soll. Auch in Europa sind nach Jahren der Krisenbewältigung wieder stabile, ja sogar blühende wirtschaftliche Zeiten angebrochen.

Wir scheinen gut gewappnet, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzugehen und die Chancen zu nutzen, die uns zum Beispiel die digitale Revolution eröffnet. Dennoch sind vielerorts Gefühle der Unsicherheit und Zukunftsängste wahrnehmbar. Und vergessen wir nicht: Es gibt Weltregionen, in denen die persönliche Sicherheit nicht gewährleistet ist, wo die Menschenrechte nicht beachtet werden und wo Krieg herrscht.


Exzellenzen,

Wir müssen uns klar vor Augen führen: Die Wirtschaftsdaten mögen ermutigend sein, aber sie sind für viele Menschen kein getreues Abbild ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Viele Menschen haben nicht bloss das Gefühl, von den Entwicklungen überrollt zu werden. Sie nehmen eine reale Gefahr wahr, die am Fundament unserer Gesellschaft nagt: die Ungleichheit.
Diese bedroht nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch die Stabilität und die Sicherheit weltweit. Der Internationale Währungsfonds warnt ebenfalls vor den Risiken, die die Ungleichheit mit sich bringt. Er fordert uns zu Recht dazu auf, sie zu bekämpfen.

Meines Erachtens bedeutet das vor allem zwei Dinge:

  • Kurz- bis mittelfristig geht es darum, die Früchte der wirtschaftlichen Erholung fair zu verteilen.
     
    Die mittel- bis langfristige Aufgabe ist noch schwieriger und sollte insbesondere auf internationaler Ebene angegangen werden. Wir müssen beispielsweise verhindern, dass die Digitalisierung bestehende Gräben vertieft oder neue aufreisst.
  • Dieses Risiko ist real. Die Digitalisierung eröffnet aber auch neue Perspektiven:
  • Die Schweiz ist der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung uns dabei hilft, die Ziele für nachhaltige Entwicklung schneller zu erreichen. In dieser Hinsicht ist es beispielsweise wichtig, Frauen und Mädchen zu ermutigen und zu befähigen, ihr Wissen und Können auf dem Gebiet der Digitalisierung zu entwickeln. Deshalb unterstützt die Schweiz entsprechende Initiativen der UN Frauen, der Internationalen Fernmeldeunion ITU und anderer Organisationen.
  • Wir verfolgen derzeit auch sehr genau die Entwicklung des digitalen Binnenmarktes in der Europäischen Union.


Exzellenzen,

Die Schweiz liegt im Herzen Europas und ist von Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgeben. Die EU mit ihren 28 Mitgliedstaaten ist die bei weitem wichtigste Partnerin der Schweiz. Umgekehrt ist die Schweiz auch eine bedeutende Partnerin der EU.

Wir haben gemeinsame Interessen daran, fruchtbare, stabile und verlässliche Beziehungen zu pflegen. Das ist nicht immer einfach, wie wir in den letzten Jahren erlebt haben.

Die Schweiz gehört zu den am stärksten globalisierten Ländern der Welt. In den letzten Jahren konnten wir unsere Beziehungen mit zahlreichen Partnerländern in Afrika, Asien und Amerika verstärken.

Die Globalisierung hat die internationalen Beziehungen aber auch komplexer gemacht. Umso mehr sieht sich die Schweiz der internationalen Zusammenarbeit und der Achtung des Völkerrechts verpflichtet.

Dies ist eines unserer vorrangigsten aussenpolitischen Ziele, denn es trägt zu Frieden, Stabilität und Sicherheit wie auch zum Schutz der Menschenrechte bei. Wir hoffen, dieses Jahr auf diesen Gebieten weitere Fortschritte zu machen, die Sicherheit und die Stabilität zu erhöhen und das Gesundheitswesen zu verbessern.

Exzellenzen,

Zum Kitt, der unsere Gesellschaften zusammenhält, gehört neben der internationalen Ordnung und wirtschaftlicher Gerechtigkeit auch die Kultur. Wir stehen am Anfang des Europäischen Jahres des Kulturerbes. Das Kulturerbe ist unser Erinnerungsschatz, und dieses Jahr bietet die Gelegenheit, es neu zu entdecken.

Die Schweiz wird das Jahr zusammen mit den Kulturministerinnen und -ministern in Davos mit einer Erklärung zur Baukultur lancieren. Denn der gebaute Raum beeinflusst unsere kulturelle Identität und unsere Lebensqualität.

Aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich die Welt verändert, ist das historische Gedächtnis wichtiger denn je. Wir erleben tiefgreifende wirtschaftliche und politische Veränderungen. Es scheint mir wichtig, in dieser Situation in die Zukunft zu investieren: in Bildungschancen, in Kultur.

In unserer vernetzten Welt gibt es eine ganz einfache Erkenntnis: Entweder finden wir einen Weg zu einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Globalisierung – oder fundamentalistische und populistische Kräfte bestimmen das Geschehen.

An der Wegscheide, an der wir stehen, sind die Staaten und die Politik, aber auch jede und jeder Einzelne gefordert. Enorm wichtig sind unter diesen Umständen die gemeinsame Lösungssuche und der intensive internationale Austausch. Für Ihren Beitrag dazu danke ich Ihnen.
Ihnen und den Staaten, die Sie vertreten, darf ich die besten Wünsche des Bundesrates und der Schweizer Bevölkerung, wie auch meine persönlichen Wünsche für Frieden, Sicherheit und Wohlergehen überbringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


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