Befragung von Schweizer Psychiaterinnen und Psychiatern zur Arbeitsplatzsituation von Personen mit psychischen Störungen

Bern, 15.12.2017 - Personen mit psychischen Störungen werden oft aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen und invalidisiert. Dies könnte u.a. auf fehlende Kontakte zwischen behandelnden Ärztinnen und Ärzten und Arbeitgebenden, Case-Managern von Privatversicherungen sowie Beratern der IV-Stellen und anderen Behörden zurückzuführen sein. So lautet das Fazit einer Studie, in der Psychiaterinnen und Psychiater der Schweiz erstmals zu diesem Thema befragt wurden. Die IV als eine der betroffenen Akteurinnen unterstützt Massnahmen für eine verbesserte Zusammenarbeit im Rahmen der Reform «Weiterentwicklung der IV» und der «Nationalen Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung», deren dritter Teil am 21. Dezember 2017 stattfindet.

In einer ersten systematischen Befragung der niedergelassenen und institutionell tätigen Psychiaterinnen und Psychiatern der Schweiz zu diesem Thema wurden diese über die Arbeitsproblematik ihrer Patientinnen und Patienten befragt. Die Studie wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Psychiatrie Baselland erarbeitet. Sie zeigt, dass den Psychiaterinnen und Psychiatern eine zentrale Rolle zukommt, wenn es darum geht, psychisch Kranke im Arbeitsmarkt zu halten respektive sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie behandeln ihre Patientinnen und Patienten oft über Jahre hinweg und kennen deren Psychopathologie, Psychodynamik wie auch deren Alltagsprobleme meist sehr genau. Mit dieser wertvollen Ressource könnten sie all jene unterstützen, die mit Personen mit psychisch bedingten Arbeitsproblemen konfrontiert sind, wie Arbeitgebende, Hausärzte, Fachpersonen von Sozialhilfe, Privatversicherungen und Sozialversicherungen.

Die Zahl der Personen, die aus psychischen Gründen arbeitsunfähig sind, steigt seit längerem an. Auch scheiden Personen mit psychischen Störungen zunehmend aus dem Arbeitsmarkt aus und werden invalidisiert. Obwohl die Schweiz eine ausgezeichnete psychiatrische Versorgung aufweist und obwohl rund die Hälfte aller psychiatrischen Patienten deutliche Arbeitsprobleme haben, werden die vorhandenen Ressourcen zu wenig für die Bewältigung von Arbeitsproblemen psychisch Kranker genutzt. Psychiaterinnen und Psychiater nehmen gemäss der Studie bei Krankschreibungen oft Probleme im Hinblick auf die therapeutische Beziehung wahr, weil sie unter dem Druck stehen, in der Tendenz zu lange Arbeitsunfähigkeiten zu attestieren.

Der vorliegende Bericht zeigt unter anderem, dass sich nicht nur die Krankheitsbilder der betroffenen Personen erheblich unterscheiden, sondern auch, dass die Behandelnden nicht immer die Arbeitssituation in das therapeutische Setting mit einbeziehen, und auch nicht immer den Arbeitgeber kontaktieren, um Rehabilitierungsmöglichkeiten abzuklären.

Um die Arbeitssituation der Personen mit psychischen Erkrankungen ins Zentrum der Behandlung zu rücken, empfiehlt der Bericht, die Psychiaterinnen und Psychiater stärker für die Relevanz der Arbeitssituation zu sensibilisieren. Es wird auch empfohlen, dass Leitlinien zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit erarbeitet werden sollten. Auch sollten zwischen Schulen, Lehrbetrieben und psychiatrischen Fachleuten systematische Kontaktnetze aufgebaut werden, um jungen Menschen mit psychischen Schwierigkeiten beim Einstieg in die Arbeitswelt helfen zu können. Zudem sollten die IV-Stellen, als ein Teil aller beteiligten Akteure, ein Verfahren entwickeln, um automatisch Rücksprache mit den berichterstattenden Psychiatern zu nehmen.

Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der IV

Die IV sieht insbesondere im Rahmen der Revision «Weiterentwicklung der IV» vor, die Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärztinnen und Ärzten und den IV-Stellen zu verstärken. Weiter findet am 21. Dezember 2017 in Bern der dritte Teil der «Nationalen Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung» statt. Dort werden generell die Netzwerkarbeit, die Entwicklung von Good Practice, der Wissenstransfer und die Umsetzung konkreter Massnahmen zur verstärkten beruflichen Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen vorangetrieben. Ein Schwerpunkt widmet sich der besseren Koordination von Psychiatrie und Arbeitswelt.

Die Studie wurde mit finanzieller Unterstützung der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP), des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV), des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), der Swiss Insurance Medicine (SIM), der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie (SGVP) und des Helsana Gesundheitsmanagements durchgeführt.

 Am 21. Dezember 2017 findet der dritte Teil der «Nationalen Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung» statt. Die Konferenz geht zurück auf einen parlamentarischen Auftrag und wird vom Eidgenössischen Departement des Innern durchgeführt. Die erste und die dritte Teilkonferenz stand resp. steht unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset. Die Nationale Konferenz verfolgt das Ziel, unter all den Akteurinnen und Akteuren, die an der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen beteiligt sind, Massnahmen zur verstärkten Integration im Arbeitsmarkt zu koordinieren, zu erweitern und voranzutreiben.

Im Zentrum der ersten Teilkonferenz im Januar 2017 stand die Frage, wo prioritär Handlungsbedarf besteht. Die Teilnehmenden stützten sich dabei auf bestehende Praxisbeispiele mit Good-Practice-Charakter ab und erklärten sich zur weiteren Zusammenarbeit bereit. Thema der zweiten Teilkonferenz im Mai war es, diese Praxisbeispiele zu diskutieren und konkrete Massnahmen und Handlungsansätze zu identifizieren und zusammenzustellen. An der dritten Teilkonferenz vom 21. Dezember 2017 soll schliesslich eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden, in der sich die Akteurinnen und Akteure zu einem koordinierten Vorgehen und zur Umsetzung der Handlungsansätze bekennen.


Adresse für Rückfragen

Auskunft BSV:

Stefan Ritler, Vizedirektor, Leiter Geschäftsfeld IV, Tel. +41 58 462 91 31, stefan.ritler@bsv.admin.ch

Auskunft Autoren/Autorin:

Dr. Niklas Baer, Psychiatrie Baselland, Tel. +41 79 778 28 84, niklas.baer@pbl.ch
Dr. Pierre Vallon, SGPP, Tel. +41 79 432 41 43, vallonpaw@me.com
Dr. Fulvia Rota, SGPP, Tel. +41 79 744 92 93, frota@sunrise.ch



Herausgeber

Bundesamt für Sozialversicherungen
http://www.bsv.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-69232.html