Alternierende Obhut: In vielen Fällen sinnvoll und gut für das Kind, aber nicht in allen

Bern, 08.12.2017 - Kinder sollen auch nach einer Trennung oder Scheidung eine regelmässige Beziehung zu beiden Elternteilen aufrechterhalten können; dies ist dem Parlament und dem Bundesrat wichtig. Der Entscheid des Gesetzgebers, die alternierende Obhut nicht als Regelmodell im Gesetz zu verankern, erweist sich als richtig. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem am 8. Dezember 2017 verabschiedeten Bericht. Er ist der Auffassung, dass in jedem einzelnen Fall eine individuelle Lösung gesucht werden muss, die dem Wohl des Kindes dient.

Gemäss dem am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen revidierten Kindesunterhaltsrecht muss bei einem Scheidungs- oder Trennungsfall die zuständige Behörde (Gericht oder Kindesschutzbehörde) im Sinne des Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut prüfen, sofern ein Elternteil oder das Kind dies verlangt. Ohne die alternierende Obhut als Regelmodell vorzuschreiben, hat der Gesetzgeber somit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine ausgeglichene Beteiligung beider Eltern an der täglichen Betreuung des Kindes nach der Trennung oder Scheidung fördern will. Zudem wollte er damit sicherstellen, dass die zuständige Behörde prüft, ob diese Form der Betreuung dem Kindeswohl im Einzelfall am besten entspricht.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hatte sich zunächst gegen die Einführung dieser Gesetzesbestimmung ausgesprochen. Mit dem Postulat 15.3003 "Alternierende Obhut. Klärung der Rechtsgrundlagen und Lösungsvorschläge" beauftragte sie den Bundesrat, einen Bericht über die rechtlichen und praktischen Probleme, die sich bei diesem Betreuungsmodell stellen, vorzulegen sowie darin allenfalls Gesetzesänderungen zur Behebung dieser Probleme vorzuschlagen.

Betreuungslösung soll dem Kindeswohl entsprechen

Zur Erfüllung dieses Auftrags hat der Bundesrat eine interdisziplinäre Studie zur alternierenden Obhut in Auftrag gegeben. Angesichts deren Ergebnisse kommt er zum Schluss, dass der Entscheid, die alternierende Obhut nicht als Regelmodell zu verankern, richtig ist. Die alternierende Obhut ist nicht nur in Bezug auf die Interaktion der Eltern anspruchsvoll, sondern hängt auch von gewissen materiellen Voraussetzungen wie dem Einkommen der Eltern sowie von strukturellen Rahmenbedingungen wie dem familienergänzenden Kinderbetreuungsangebot ab, die nicht in jedem Fall vorliegen. Ausserdem kann sie sich für das Kind wegen der häufigen Wechsel des Aufenthaltsorts als grosse Belastung erweisen. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass die Suche nach individuellen Lösungen zu bevorzugen ist und diejenige Betreuungsmöglichkeit gewählt werden soll, die dem Kindeswohl am besten entspricht.

In seinem Bericht kommt der Bundesrat zudem zum Schluss, dass die rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der alternierenden Obhut am häufigsten stellen, auf Grundlage der geltenden Gesetzesbestimmungen im Einzelfall beantwortet werden können. Er sieht auch hier keinen Revisionsbedarf.

Interdisziplinäre Begleitung für sich trennende Eltern

Für den Bundesrat ist es wichtig, die Aufrechterhaltung einer regelmässigen Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern nach der Trennung oder Scheidung zu fördern. Der Staat soll weiterhin an der Stärkung der Rahmenbedingungen arbeiten, damit sich beide Eltern nach der Trennung an der täglichen Betreuung des Kindes beteiligen können. In den Ländern, in denen die alternierende Obhut bevorzugt wird, erfolgt dies unter anderem in Kombination mit der Förderung alternativer Methoden zur Lösung des Elternkonflikts.

Auch in der Schweiz bieten einige Kantone Eltern, die sich trennen, eine interdisziplinäre Begleitung an, das heisst, dass die involvierten Fachpersonen (z. B. Gerichte, Mediatoren Sozialarbeiter) vernetzt arbeiten, damit die Eltern so oft wie möglich zu einer einvernehmlichen Lösung im Sinne des Kindeswohls kommen können. Dies begünstigt die Entwicklung der erforderlichen Kompetenzen, um bei Bedarf die Art und Weise der Kinderbetreuung neu festzulegen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Projekte aufmerksam beobachtet werden sollten.


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