Die Landnutzung in Ökobilanzen erfassen und auswerten – eine Herausforderung

Zürich-Reckenholz, 23.11.2017 - Die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern beansprucht einen grossen Teil der unbebauten Fläche. Deshalb ist es für eine zukunftsfähige Landwirtschaft wichtig, die damit verbundenen Umweltwirkungen genauer zu verstehen und diese in geeigneter Form in eine Ökobilanz zu integrieren. Die zehnte Ökobilanz-Plattform Landwirtschaft von Agroscope am Standort Reckenholz in Zürich zeigt die Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Methoden und Modelle zur Landnutzung auf verschiedenen räumlichen Skalen.

Ökobilanzen haben sich in den letzten Jahren als effizientes Instrument für die Gestaltung einer umweltfreundlichen Produktion etabliert. Ihre Anwendung in der Landwirtschaft stellt Fachleute vor besondere Herausforderungen, denn es geht um grosse Flächen und vielfältige Einflüsse auf die Umwelt. Aus diesem Grund zeigen zahlreiche Akteure grosses Interesse, die Auswirkungen der Nutzung auf Boden, Biodiversität und Landschaft möglichst genau abzuschätzen sowie die Ökotoxizität durch den Einsatz von Pestiziden zu ermitteln.

Lokale oder globale Betrachtung?

Die geeignete Methode, um Auswirkungen der Landnutzung zu beurteilen, wird durch die Fragestellung und die konkrete Situation bestimmt. Um etwa Soja aus Südamerika zu bewerten, braucht es global anwendbare Methoden. Für den Vergleich der Umweltwirkungen verschiedener Schweizer Ackerparzellen hingegen müssen detaillierte regionale Methoden eingesetzt werden. Der Einführungsvortrag von Stephan Pfister der ETH Zürich zeigt, wie die Wahl der Methode vorgenommen werden kann.

Biodiversität als wichtige Grundlage für Ökosystemleistungen

Die Landnutzung zur Nahrungsmittelproduktion ist eine der wichtigsten Ursachen des globalen Biodiversitätsverlustes. Doch wie wirken sich unterschiedliche Produktionsintensitäten auf die Biodiversität aus? Um dies zu beantworten entwickelt Agroscope ihre Methode SALCA-Biodiversität kontinuierlich weiter. An der Tagung stellen Philippe Jeanneret und Markus van der Meer von Agroscope am Beispiel des Obstbaus einen geeigneten Ansatz vor zur Bewertung der Auswirkungen landwirtschaftlicher Praktiken auf die Biodiversität.

Der Beitrag von Matthias Meier vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zeigt die grosse Bedeutung der Biodiversität für zahlreiche Ökosystemleistungen. Beispiele dafür sind das Bestäuben von Obstblüten durch Insekten oder die natürliche Schädlingsregulation. Neue Methoden zur Biodiversitätsbewertung ermöglichen neben einer Abschätzung der Wirkung der landwirtschaftlichen Produktion auf die Artenvielfalt auch deren Einsatz zur räumlichen Planung, da sie Zielkonflikte zwischen Produktion und Biodiversität transparent machen.

Auch die Schönheit der Landschaft will bewertet werden

Eine hohe Biodiversität ist oft auch mit einer abwechslungsreichen Landschaft verknüpft, die sich positiv auf das Wohlbefinden des Menschen auswirkt. Die Wirkung verschiedener Landschaften auf den Menschen ist daher ein zentrales Thema. Doch wie lässt sich die «Schönheit» einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft möglichst genau abbilden? Beatrice Schüpbach von Agroscope zeigt, wie die Beurteilung der visuellen Qualität der Landschaft mit den Aspekten «Diversität in der Landschaft», «erlebbare Naturnähe» und «Sichtbarkeit des jahreszeitlichen Wandels» in Ökobilanzen einbezogen werden kann.

Bodenqualität mit neuen Methoden bewerten

Eine umfassende Methode für die Quantifizierung der Auswirkungen auf die Bodenqualität ist weiterhin eine besondere Herausforderung für die Ökobilanzforschung. Franziska Stössel von der ETH präsentiert ein Tool, welches sowohl für die Beurteilung der Bodendegradation auf regionaler Ebene als auch für die Abschätzung der Bodenverdichtung beim Anbau einzelner Kulturen eingesetzt werden kann.

Das Risiko von Bodenschädigungen durch Beweidung wurde bisher in Ökobilanzierungsmethoden kaum berücksichtigt. An der Tagung zeigt Agroscope-Experte Andreas Roesch, wie die Schädigung des Bodengefüges durch weidende Tiere analog zur Berechnung der Verdichtung durch landwirtschaftliche Maschinen abgeschätzt werden kann. Somit ist es möglich, die Auswirkungen verschiedener Milchviehhaltungssysteme auf die Bodenqualität umfassend zu bewerten.

Pflanzenschutzmittel sind nicht nur in der Politik ein Thema 

Der Pflanzenschutzmitteleinsatz in der Landwirtschaft ist in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Um die Risiken für Mensch und Umwelt zu senken, hat der Bundesrat den Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln lanciert. Thomas Nemecek von Agroscope zeigt, wie sich die Bewertung der Ökotoxizität in Ökobilanzen in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hat – von einfachen Wirkungsfaktoren bis zu komplexen und detaillierten Modellen. Agroscope entwickelt diese Methoden für verschiedene Anbauverfahren und Spritzfolgen in mehreren Ackerkulturen unter Schweizer Bedingungen weiter.

Die Ökosystemleistungen ganzheitlich berücksichtigen

Spätestens seit der Veröffentlichung der Berichte des Millenium Ecosystem Assessments ist es unbestritten, dass funktionierende Ökosystemleistungen für den Fortbestand der Menschheit eine zentrale Bedeutung haben. Insbesondere landwirtschaftliche Produktionsprozesse benötigen Landfläche und beeinträchtigen gleichzeitig die Ökosystemleistungen. Daher ist eine ganzheitliche Erfassung der Umweltwirkungen in der Ökobilanzierung von zentraler Bedeutung. Zu diesem Zweck hat Ulrike Bos von der Universität Stuttgart die LANCA®-Methode (Land Use Indikator Value Calculation) mit dem Ziel entwickelt, mithilfe von Landnutzungsindikatoren Wertschöpfungsketten umfassender, einheitlich und vergleichbar darzustellen.


Adresse für Rückfragen

Gérard Gaillard, Leiter Forschungsgruppe Ökobilanzen
Agroscope, Forschungsbereich Agrarökologie und Umwelt
Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich, Schweiz
gerard.gaillard@agroscope.admin.ch, +41 58 468 73 50

Andreas Roesch, Projektleiter Forschungsgruppe Ökobilanzen
Agroscope, Forschungsbereich Agrarökologie und Umwelt
Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich, Schweiz
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