Berufliche Vorsorge: Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen im Jahr 2016

Bern, 09.05.2017 - Verschnaufpause dank verbesserter Rendite und weiter sinkenden technischen Zinssätzen - Anpassungsbedarf bleibt bei stabilen Deckungsgraden unvermindert hoch

Die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen waren im Jahr 2016 vergleichbaren Risiken wie 2015 ausgesetzt. Zentrales Thema war wiederum das für die nominalen Zinsversprechen zu tiefe Zinsniveau. Ende 2016 war dieses gegenüber dem Vorjahr praktisch unverändert (10-Jahres-Bundesobligationenrenditen bei -0.14%), die Aktienrenditen der meisten Länder entwickelten sich gleichzeitig positiv. Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite verbesserte sich auf 3.7% (gegenüber 0.8% im Vorjahr). Die ausgewiesenen Deckungsgrade blieben im Durchschnitt stabil (103.0% wie im Vorjahr), wozu wiederum vorsichtigere Bewertungen mit tieferen technischen Zinssätzen beigetragen haben. Weiter abgenommen hat die Anzahl der Vorsorgeeinrichtungen. Die Konzentration in der zweiten Säule setzt sich damit fort.

Bern, 9. Mai 2017. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) hat im Rahmen der Vorstellung ihres fünften Tätigkeitsberichtes wiederum die aktuellen Zahlen zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen präsentiert. Die für die ganze Schweiz einheitliche und risikoorientierte Früherhebung ermöglicht eine aktuelle Gesamtsicht über die finanzielle Lage des Systems der beruflichen Vorsorge mit Stichtag 31. Dezember 2016. Die Erhebung wird in enger Koordination mit den regionalen und kantonalen BVG-Aufsichtsbehörden durchgeführt. Bis Mitte April 2017 haben 92.5% (wie im Vorjahr) der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von 914 Milliarden Franken (Vorjahr: 864 Milliarden Franken) den Fragebogen der OAK BV ausgefüllt.


Aktuelle Lagebeurteilung

2016 war finanziell betrachtet zwar deutlich besser als das Vorjahr. Allerdings sorgen sowohl innen- (u.a. Umsetzung Masseneinwanderungsinitiative, Unternehmenssteuerreform, Altersreform 2020) wie aussenpolitische Entwicklungen (u.a. Wahl Donald Trump, Auswirkungen Brexit) für ein hohes Mass an Unsicherheit bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung.

Die durchschnittliche erwirtschaftete Netto-Vermögensrendite aller Vorsorgeeinrichtungen betrug im Jahr 2016 3.7% (gegenüber 0.8% im Vorjahr). Obwohl diese verbesserte Rendite bei den meisten Vorsorgeeinrichtungen sowohl über der Verzinsung im Berichtsjahr als auch über dem technischen Zinssatz liegen dürfte, sind die individuell ausgewiesenen Deckungsgrade im Durchschnitt mit 103.0% konstant geblieben. Erstmals waren die liquiden Mittel der Vorsorgeeinrichtungen über das gesamte Jahr mit Negativzinsen konfrontiert.

Per Ende 2016 wiesen 88% (Vorjahr: 87%) der privat- und öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie einen Deckungsgrad von mindestens 100% aus. Der entsprechende Anteil bei den wenigen noch verbleibenden öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie betrug per Ende 2016 lediglich 4% (Vorjahr: 14%). Die bestehenden Wertschwankungsreserven liegen bei sehr vielen Vorsorgeeinrichtungen aktuell weiterhin unterhalb ihrer Zielwerte. Viele Vorsorgeeinrichtungen sind folglich nur ungenügend gegen zukünftige Aktienmarkt- und andere Kapitalmarktverwerfungen gewappnet.


Trend zu tieferen technischen Zinssätzen setzt sich fort

Der Trend zu tieferen technischen Zinssätzen hat sich nach 2015 erwartungsgemäss auch 2016 fortgesetzt. Der durchschnittliche technische Zinssatz sank von 2.66% auf 2.43%. Aufgrund der sehr tiefen Obligationenrenditen ist zu erwarten, dass der Trend zu weiteren Senkungen beim technischen Zinssatz anhalten wird. Vorsorgeeinrichtungen mit relativ hohen technischen Zinssätzen, deren Deckungsgrad nur leicht über 100% liegt, müssen damit rechnen, dass eine notwendig werdende Senkung der technischen Zinssätze den entsprechenden Deckungsgrad unter die 100%-Marke und sie damit in den Sanierungsbereich fallen lässt.


Finanzierungslücke bleibt unverändert bestehen

Damit die zukünftigen Kosten der steigenden Lebenserwartung schon im heutigen Deckungsgrad berücksichtigt werden und dadurch die Sollrendite reduziert wird, verwenden immer mehr Vorsorgeeinrichtungen Generationentafeln anstelle von Periodentafeln. Auch im Jahr 2016 haben viele Vorsorgeeinrichtungen die technischen Zinssätze und erstmals in stärkerem Ausmass die zukünftigen Zinsversprechen (insbesondere die Umwandlungssätze von Beitragsprimatkassen) gesenkt. Dennoch bleiben die durchschnittlichen künftigen Zinsversprechen mit 2.97% signifikant höher als die mittelfristigen Renditeerwartungen und die heute durchschnittlich verwendeten technischen Zinssätze von 2.43%.


System sicherer, aber auf Kosten der Aktiven

Auf der Verpflichtungsseite sind über die vergangenen Jahre grosse Anpassungen vor allem bezüglich des technischen Zinssatzes vorgenommen worden. Damit ist das System der beruflichen Vorsorge grundsätzlich sicherer geworden. Verharrt das Zinsniveau allerdings auf dem aktuellen tiefen Niveau, so werden für viele Vorsorgeeinrichtungen weitere Anpassungen unumgänglich. Diese erfolgen in der Regel auf Kosten der aktiven Generation, da mit zukünftigen Vermögenserträgen nicht finanzierbare Renten im Nachhinein nicht mehr gekürzt werden können, sondern von Arbeitgebern und Versicherten nachfinanziert werden müssen. Positiv zu werten ist, dass bei einer Umsetzung der Reform «Altersvorsorge 2020» aufgrund der Senkung der Umwandlungssätze im BVG-Obligatorium von 6.8% auf 6.0% die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entlastung insbesondere von BVG- und BVG-nahen Vorsorgeeinrichtungen geschaffen würden.


Konzentrationsprozess – Aufsicht über Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen

Bei der Einführung des BVG-Obligatoriums 1985 beruhte die Grundkonzeption des BVG darauf, dass die Mehrheit der Arbeitgebenden ihren Arbeitnehmenden eine firmeneigene Pensionskassenlösung anbieten. Seither hat sich die Struktur stark verändert. Zum einen hat die Anzahl Kassen absolut abgenommen. Zum anderen findet eine Verschiebung von firmeneigenen Kassen zu grossen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen statt, wo derzeit knapp 60% der aktiven Versicherten sind.

Die Bindung und das Engagement des Arbeitgebers für eine firmeneigene Kasse sind dabei in der Regel stärker als bei einem Anschluss an eine Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung. Dazu kommt, dass Sammeleinrichtungen und auch Gemeinschaftsstiftungen untereinander im Wettbewerb stehen, was zu einem risikoreicheren Handeln verleiten kann.

Diesem Risiko ist mit erhöhten Anforderungen an die Governance und die Finanzierungssicherheit zu begegnen. Bei Sammelstiftungen sind zusätzlich Anforderungen an die Transparenz zu stellen. Die OAK BV plant, im Rahmen der Einführung allgemein gültiger, jährlich zu erhebender Risikokennzahlen für sämtliche Vorsorgeeinrichtungen zusätzlich spezifische Informationsanforderungen für Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen aufzustellen.

Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV)
Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt neun kantonalen / regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung und unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge und die Vermögensverwalter in der beruflichen Vorsorge.
Mit Blick auf das Ziel, die finanziellen Interessen der Versicherten verantwortungsbewusst und zukunftsgerichtet wahrzunehmen, operiert die OAK BV auf der Basis einer einheitlichen und risikoorientierten Aufsicht. Mit ihren in einen volkswirtschaftlichen und langfristig ausgerichteten Kontext eingebetteten Massnahmen und Entscheiden will die Behörde in erster Linie zu einer konsequenten Verbesserung der Systemsicherheit sowie von Rechtssicherheit und Qualitätssicherung beitragen. Zur Sicherung der Systemstabilität und damit der Vorsorgegelder der Versicherten ist eine Stärkung der risikoorientieren Führung der Vorsorgeeinrichtungen, aber auch der Aufsichtstätigkeit anzustreben. Das Gesetz stellt hier der OAK BV das Instrument der Weisung zur Verfügung. So kann die OAK BV Weisungen für die Tätigkeit der Experten für berufliche Vorsorge, der Revisionsstellen sowie für die Aufsicht erlassen.


Adresse für Rückfragen

Manfred Hüsler
Direktor Sekretariat OAK BV
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