Montreals International Forum CORIM

Bern, 03.10.2016 - Rede von Bundesrätin Doris Leuthard, 3. Oktober 2016

Mesdames et Messieurs

Die G-20 haben ihren Kompass vor kurzem in Hangzhou neu ausgerichtet. Sie wollen Wachstum der Zukunft durch intelligente Produktion schaffen; durch wissenschafts- und technologiebasierte Innovation, Mit der Industrie 4.0, einer digitalen Wirtschaft und einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft dürfte die Weltwirtschaft so neuen Schub erhalten. Ob dies gelingen wird, wissen wir nicht.

Fakt ist: Die letzten Jahre waren nicht einfach. Im ersten Halbjahr 2016 setzte die Weltkonjunktur ihre holprige Erholung fort und der Brexit-Entscheid hat die Unsicherheit weiter gefördert. Weltweit ist eine Tendenz zu mehr Protektionismus festzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, auf enge Beziehungen zu like-minded Countries wie Kanada und die Schweiz bauen zu können. Wir vertreten dieselben Werte in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und offene Märkte.

  • Kanada und die Schweiz zählen zu den wohlhabendsten und stabilsten Staaten mit hoher Lebensqualität.
  • Unsere beiden Länder setzen auf solide Staatsfinanzen statt auf billiges Geld. Wir haben ein Doppelbesteuerungsabkommen und den automatischen Informationsaustausch
  • Das Freihandelsabkommen EFTA-Kanada datiert von 2009 – Jahre früher als das Ceta zwischen der EU und Kanada. Ziel meiner Reise ist die Zusammenarbeit im Bereich Innovation, Infrastruktur und Cleantech ausbauen. Ein wichtiger Punkt für die Zukunft ist daher die Modernisierung des Freihandelsvertrages zwischen den EFTA-Staaten und Kanada.

Die Schweiz kann dabei auf einer guten Basis aufbauen. Zwar haben wir nur 0,12% der Weltbevölkerung, nur 0,003% der Landmasse der Erde. Aber…

  • Wir sind das wettbewerbsfähigste Land der Welt.
  • Wir sind das innovativste Land in Europa und liegen unter den ersten drei weltweit.
  • Wir haben weltweit die grösste Zugsdichte pro Gleis.
  • Wir sind Weltmeister im Bahnfahren und haben eine hohe Sicherheitskultur bei der Bahn.
  • Wir haben mit dem Gotthard-Basistunnel den längsten und tiefsten Eisenbahntunnel der Welt.
  • Solar Impuls hat die Welt ohne fossile Treibstoffe umrundet.
  • Die EPFL hat die erste auf Photosynthese aufbauende Solarzellen-Fassade entwickelt.
  • Die ETH Zürich hat den 3D-Drucker für den Baubereich erfunden.

Deshalb investiert die Schweiz in die Berufsbildung, die Forschung in enger Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Dabei wird uns auch die Digitalisierung helfen, um auf Wachstumskurs zu bleiben.

Die geopolitische Landschaft im Energie-Sektor ist in einem starken Wandel begriffen. Kein Land kann diese Entwicklung ausschliesslich aus der eigenen Perspektive betrachten. Es braucht eine Gesamtsicht.

Weltweit sind wir mit sehr tiefen Energiepreisen konfrontiert. Die Gründe für den Preiszerfall sind in den Entwicklungen der europäischen und internationalen Märkte zu suchen:

  • Der Einbruch der Erdölpreise und die Markterweiterung durch den neuen Player Iran hat weitreichende Konsequenzen auf die Ölsand-Förderung – gerade in Kanada spürbar.
  • Schiefergas aus den USA verdrängt Kohle als Brennstoff zur Stromproduktion.
  • billige Kohle wird in europäischen Kohlekraftwerken zur Stromproduktion eingesetzt,
  • das emittierte CO2 hat keinen Preis, die Zertifikate sind zu günstig.
  • dies bei geringer Nachfrage der Wirtschaft.

Diese Entwicklung hat für die Schweiz ganz konkrete Auswirkungen auf unsere klassische erneuerbare Energie – auf die Wasserkraft. Wie die Provinz Quebec – das Wasserschloss Kanadas – sind auch wir quasi das Wasserschloss Europas. Daher ist unser traditionelles Geschäft mit dem Verkauf von Spitzenstrom eingebrochen.

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima haben wir den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die bestehenden KKW sollen laufen solange sie sicher sind, aber wir bauen keine neuen Die Kernkraftwerke liefern 38% des Stroms. Um diesen Produktionsanteil zu ersetzen, haben wir eine neue Energiestrategie entwickelt. Das Parlament hat soeben diese Strategie nach mehrjähriger Debatte gutgeheissen. Die Strategie sieht im Einzelnen vor:

  • Erstens: Energie sparen und Effizienz steigern - von der Produktion über den Transport bis zum Verbraucher
  • Zweitens: Ausbau der Wasserkraft und neuer erneuerbarer Energie.
  • Drittens: Reduktion der fossilen Energieträger und
  • Viertens: Förderung von Forschung und Innovation insbesondere im Bereich Speicherkapazitäten.

Dabei sind grosse Herausforderungen zu bewältigen. Ähnlich wie Kanada sind auch wir mit einer steigenden Nachfrage nach Mobilität konfrontiert. Dadurch steigt auch der Energiebedarf. Daher bauen wir den öffentlichen Verkehr, die Bahn aus und suchen Wege, um Mobilität effizienter abwickeln zu können und dadurch die Spitzenfrequenzen in den Rush-Hours zu brechen.

  • Im Bereich Gebäude unterstützen wir die energetische Sanierung bestehender Häuser, neue Gebäude sollen Plus-Energie-Häuser sein und der Verbrauch soll durch smart metering und best-Geräte optimiert werden In diesem Bereich können wir auf eine starke Industrie bauen. Hier haben wir einen hohen Energieverbrauch. Die Steigerung der Energieeffizienz ist

Wer in der Energiepolitik auf Innovation setzt, wird auch in der Klimapolitik erfolgreich sein. Das hat die Schweiz erkannt und deshalb als erstes Land seine Klimaziele für 2030 für das Pariser Abkommen angemeldet. Wir freuen uns, dass es gelungen ist, die Staatenwelt zu diesem Abkommen zu bewegen und hoffen, dass es 2017 in Kraft gesetzt werden kann.

Erfreut stelle ich fest, dass auch Kanada unter der Regierung von Premierminister Trudeau mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens die Klimapolitik der Weltgemeinschaft mittragen will.

Die Schweiz war und ist Mitglied des Protokolls von Kyoto I und II und setzt sich das Ziel, die Emissionen der Treibhausgase bis 2030 um 50% in Bezug zu 1990 zu reduzieren.

  • 20% soll im Ausland erfolgen. In der Schweiz ist das Potential vorhanden, aber relativ tief. Die Reduktion in Ländern mit grossem CO2-Ausstoss ist daher effizienter.
  • Wir setzen Ziele für den Gebäude-, den Verkehrs- und den Industriesektor, neu auch für die Landwirtschaft.
  • Mit der EU haben wir ein Abkommen für das Linking des Emissionshandels paraphiert. Auch ihre Provinz kennt ein ähnliches System mit Kalifornien. Und vielleicht können wir die Möglichkeit prüfen, unsere beiden Systeme zusammen zu führen. Besser wäre es allerdings, ein neues international gültiges System zu schaffen.

Zur Erreichung der gesetzlichen Klimaschutzziele erheben wir bereits seit 2008 eine Abgabe auf fossilen Brennstoffen wie Heizöl oder Erdgas. Jährlich werden rund zwei Drittel der Abgabeerträge an Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt. CO2-intensive Unternehmen können sich von der Abgabe befreien lassen, wenn sie sich im Gegenzug zu einer Emissionsverminderung verpflichten. Dies funktioniert bei uns sehr gut mit Zielvereinbarungen der Energieagentur der Wirtschaft.

Der Einsatz digitaler Technologie wird uns helfen, diese Ziele zu erreichen. Das setzt voraus, dass wir eine smarte Infrastruktur aufbauen – in der Energieversorgung, im Verkehrsbereich und in der Kommunikation.

Wir können dabei auf fortschrittliche Unternehmen abstützen.

  • Wir haben das Unternehmens-Know-how für smart grid. ABB hat eine Ausschreibung zur Verstärkung des Stromnetzes in der Provinz Quebec gewonnen.
  • Eine Schweizer Firma hat ein Schnelllade-System für E-Busse entwickelt. Diese Busse werden erfolgreich in der Stadt Genf eingesetzt.
  • Zur Lösung der Verkehrsprobleme in den grossen Agglomerationen haben unsere Unternehmen leichte und innovative Züge entwickelt.

Um den digitalen Fortschritt auch nutzen zu können, hat die Schweizer Regierung eine digitale Strategie verabschiedet.

All diese Innovationen helfen neue, zukunftsweisende Arbeitsplätze und höhere Lebensqualität zu erreichen. Diese Veränderungen sind nicht einfach, aber nötig und wichtig für die Zukunft unseres Planeten.

What can we do better together?

Wo können wir voneinander lernen?

  • Den Freihandel fördern: Wir wollen das Freihandelsabkommen modernisieren.
  • Wir hoffen, dass das revidierte Luftverkehrsabkommen bald in Kraft treten kann.
  • Know-how im Energiebereich und in Energieforschung austauschen, hier investieren wir doppelt so viel wie Kanada – insbesondere bei Energieeffizienz, erneuerbaren Energien, Wasserkraft und Gebäuden und die Speicherung.
  • In der Energieforschung haben wir acht Cluster ausgewiesen. Gerne sind wir bereit, unsere Erfahrungen mit Ihnen auszutauschen.
  • Zusammenarbeit im Bereich Cleantech – in Kanada eine boomende Branche wie in der Schweiz. Das Wachstum ist hier grösser als in anderen Sektoren...
  • Kooperation in den Bereichen Infrastrukturausbau und Digitalisierung – beispielsweise im Bereich der E-Mobilität oder der 5G-Technologie.

Die Schweiz und Kanada haben ähnliche Herausforderungen. Zusammen könnten wir als Leader in den Bereichen grüner, nachhaltiger Wirtschaft, smart technologies und Klimaschutz auftreten.

Ich danke Ihnen für die Zusammenarbeit.


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