Smarte Mobilität - Chancen nutzen!

Bern, 29.09.2016 - Rede von Bundesrätin Doris Leuthard am Verkehrsforum des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr (LITRA) Bern, 29. September 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich, heute gemeinsam mit Ihnen in die Welt des Verkehrs und der Mobilität eintauchen zu dürfen.

  • Wir haben in der Schweiz ein hochstehendes Verkehrssystem, um das uns viele andere Länder beneiden.
  • Gleichzeitig ein Bevölkerungs- und damit Mobilitätswachstum
  • Wir dürfen aber nicht stehen bleiben, wenn wir es auf diesem hohen Niveau beibehalten wollen. 

Denn die Mobilität verändert sich rasant:

  • durch die Digitalisierung
  • durch technische Innovationen wie selbstfahrende Fahrzeuge
  • durch neue Gesellschaftsmodelle wie die Sharing Economy

Gemeinsam mit Ihnen möchte ich unser Verkehrssystem weiterentwickeln, um die Chancen zu packen, die sich für uns alle in der neuen, smarten Mobilitätswelt bieten. Viele haben bereits erste Schritte dazu gemacht.

Auch eine smarte Mobilität braucht Strasse, Schiene und Flughäfen. Wir werden deshalb weiterhin auch ganz klassisch in den Ausbau unserer Infrastruktur investieren müssen.

  • Für die Bahn haben wir mit dem BIF bereits einen Fonds dafür.
  • Für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr soll der NAF dazukommen, den das Parlament in der Herbstsession fertig berät. Wir haben damit eine moderne Architektur, kommen weg vom Jährlichkeitsprinzip und sichern eine faire Finanzierung, an der sich sowohl die öffentliche Hand als auch die Automobilisten beteiligen.
  • Der NAF ist der Zwilling des Bahninfrastrukturfonds BIF. Wir festigen das Miteinander von Strasse und Schiene. Die wichtigsten Ausbauten sind aufgegleist, werden aufeinander abgestimmt und schrittweise umgesetzt.
  • Wir sind bei der Verkehrsfinanzierung weniger abhängig vom jährlichen Budgetprozess und kurzfristigen Entwicklungen. Dank dem NAF erhalten wir mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit.
  • Ich bin überzeugt, dass wir angesichts all dieser Vorteile Volk und Stände im nächsten Jahr vom NAF überzeugen können – und zähle dabei auf Ihre Unterstützung!

Gleichzeitig müssen wir uns den technischen, digitalen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen stellen. Die neuen Entwicklungen bieten viele Chancen:

  • Selbstfahrende Fahrzeuge sind in aller Munde, nicht nur im Individualverkehr, wie sie wissen. Im Wallis fährt versuchsweise bereits ein selbstfahrendes Postauto. Mit der M2 in Lausanne ist ein führerloses Schienenangebot seit Jahren in Betrieb. Viele Bahnunternehmen haben gemerkt, dass unter dem Begriff selbstfahrende Fahrzeuge auch Züge verstanden werden. Es ist ihre Aufgabe, das Neuland auszuloten und mit der Industrie zu entwickeln. Selbstfahrende Fahrzeuge müssen erprobt, Kinderkrankheiten ausgemerzt, die Akzeptanz getestet werden. Auch der Bund steht in der Pflicht: Wir haben die Aufgabe, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen (sprich: allfällige gesetzliche Anpassungen).
  • Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche. Neue Apps und Internet-Angebote ermöglichen völlig neue Dienstleistungen: Angebote aus einer Hand, bei denen Eisenbahn, Mietauto, Taxi, Velo oder Flugzeug miteinander kombiniert werden - ohne dass sich der Kunde um die Einzelheiten kümmern muss.
  • Der öffentliche Verkehr kann das Rückgrat solcher Plattformen sein. Dies setzt voraus, dass im öffentlichen Verkehr gemeinsame Datenplattformen geschaffen werden. Fahrzeiten, Tarife, Infos, Reservierungen sollten zentral gespeichert und abrufbar sein. De facto leidet der Kunde unter den verschiedenen Tarifsystemen. Ich ermuntere Sie, hier zusammenzuarbeiten, die Investitionen gemeinsam zu tätigen. Gibt es eine Plattform, ist es kein Problem, wenn jedes Transportunternehmen seine eigenen Apps hat und regional weitere Partner einbindet. Das Tempo ist eine grosse Herausforderung für eine Branche, die bisher eher auf Kontinuität ausgerichtet waren.
  • Der Bund fördert die Entwicklung, indem er vorhandene Daten zur Verfügung stellt. So werden wir noch in diesem Jahr die Fahrplan-Echtzeitdaten im öV als "open data" zur Verfügung stellen, um neue Anwendungen für die Kundinnen und Kunden zu ermöglichen. Die öV-Unternehmen sind gefordert, ihre Daten zu erheben und auf dieser Plattform zur Verfügung zu stellen.

Es braucht im Interesse der Kundinnen und Kunden aber noch weitere Schritte: Wenn wir uns erfolgreich weiterentwickeln wollen, werden wir nicht umhin kommen, das System auch für Akteure zu öffnen, die bisher ausserhalb der öV-Branche aktiv waren. Ich denke etwa an die Tourismusbranche.

  • Dazu kommt die Sharing Economy: Viele Bürger wollen gute Dienstleistungen. Ein eigenes Auto zu besitzen, ist für viele aber weniger wichtig geworden, wie etwa der Erfolg von "Mobility" (Carsharing) zeigt. Einfache, kreative Lösungen kommen an. Ein Beispiel dafür ist auch Uber, das mit einem völlig neuen Geschäftsmodell erfolgreich die traditionelle Taxibranche bedrängt. Wir sollten solchen Entwicklungen offen begegnen, arbeitsrechtliche oder steuerliche Aspekte selbstverständlich aber genau klären.
  • Neue Ansätze helfen uns auch, die Verkehrsinfrastrukturen besser auszulasten. Da Ausbauten teuer sind und in der kleinräumigen Schweiz auch vom Platz her an Grenzen stossen, können wir unser Strassen- und Schienennetz nicht grenzenlos auf die Morgen- und Abendspitzen ausrichten. Wir haben daher alle ein Interesse daran, den Verkehr über den Tag hinweg besser zu verteilen und die vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen. Apps haben hier viel Potential. Es lohnt sich, Mobility Pricing mit einem regionalen Pilotversuch zu testen und ergänzend dazu flexible Arbeits- und Unterrichtszeiten, Home Office und innovative Mitfahrplattformen zu fördern.

Smart sein heisst aber auch:

  • Wir dürfen ob all der neuen Entwicklungen nicht vergessen, was unseren Erfolg bisher ausmachte - und auf welchen Pfeilern unser heutiges, hochstehendes System steht. 
  • Wir müssen die neuen Möglichkeiten realistisch einschätzen - sowohl auf der Zeitachse als auch bezüglich ihrer Wirkung.

Es gilt darum, alt und neu clever miteinander zu kombinieren.

Das Bundesamt für Raumentwicklung hat jüngst die Verkehrsperspektiven 2040 vorgestellt. Sie zeigen, dass die Mobilität weiter stark wachsen wird (im Personen- und Güterverkehr auf der Schiene um rund 50 Prozent). Angesichts dieser Prognosen ist es die Pflicht des Bundes, rechtzeitig zu handeln – und die Verkehrsinfrastruktur zu stärken. Die Projekte müssen priorisiert und auf die Raumordnungspolitik abgestimmt sein.

Und: Smart ist ein Ausbau, wenn Schiene und Strasse eng aufeinander abgestimmt werden. Die Agglomerationsprogramme haben diesbezüglich neue Massstäbe gesetzt. Verkehrs- und Siedlungspolitik müssen Hand in Hand gehen. Dies ist mir ein wichtiges Anliegen.

Ein Hinweis noch kurz zur Bahn:

Meine Fachleute sind daran, einen weiteren Bahn-Ausbauschritt vorzubereiten. Damit sollen die dringendsten Überlasten und Bedürfnisse bewältigt werden, die sich bis 2030/35 abzeichnen. Es ist aber kein Wunschkonzert. Wir werden auch Regionen enttäuschen müssen, die darauf hoffen, einen neuen Tunnel oder Bahnhof verwirklichen zu können. Zum Zuge kommen Projekte, mit denen wir die dringendsten Engpässe beseitigen, den in den Agglomerationen stark wachsenden Verkehr am besten bewältigen und die mittelgrossen Zentren stärken können. Wir werden ausserdem die Verbesserung der für die Schweiz wichtigen touristischen Erschliessung mit berücksichtigen.

Die Mobilitätswelt wird sich in den nächsten Jahren weiter stark wandeln.

Wir haben alle das gleiche Interesse daran…

  • die neuen Chancen zu nutzen 
  • gemeinsam smarte Lösungen zu entwickeln
  • mit politischer Innovation und unternehmerischem Pioniergeist!

Ob in der Politik, ob mit der Digitalisierung und neuen Technologien oder mit neuen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft:

Wir wissen viel, wir können viel – packen wir es an: Kombinieren wir die technischen und digitalen Neuerungen mit unseren klassischen Stärken.

Sie alle sind wichtiger Partner.

Ich freue mich, gemeinsam mit Ihnen die nächsten Etappen auf dem Weg in die neue, smarte Mobilitätswelt in Angriff nehmen zu können!


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