Zurich Film Festival

Zurich, 22.09.2016 - Rede von Bundesrat Alain Berset anlässlich des Zurich Film Festivals – Es gilt das gesprochene Wort.

Filmfestivals sind ein wenig wie Bundesräte. Beide sollen politisch sein - aber nicht allzu politisch. Politisch ist das Zurich Film Festival in diesem Jahr zweifellos: Von „Deepwater Horizon" über „LBJ" und „Neruda" bis zu „Le confessioni" und Oliver Stones „Snowden".

Aber ist es vielleicht allzu politisch abseits der Leinwand? Wenn ich die Liste mit den eingeladenen Stars betrachte, stelle ich fest: Im Jahr des Brexit stammen auffällig viele Gäste aus Grossbritannien; zum Beispiel Hugh Grant, Ewan McGregor oder Daniel Radcliffe.

Übrigens, Radcliffe spielt das genaue Gegenteil eines Zauberers: Nämlich eine Leiche; und diese britische Leiche liegt auf einer verlassenen Insel. Dazu kommt, der Film trägt den Titel „Swiss Army Knife". Das alles gibt schon etwas zu denken, und das nicht nur aus europapolitischer
Sicht...

Wie auch immer: Man muss - als Festival wie als Bundesrat - trotz allem den Mut haben, politisch zu sein. Ich will deswegen hier Marx zitieren... Groucho Marx, natürlich. Ich spreche hier ja schliesslich an einem Festival, das jetzt mehrheitlich der Neuen Zürcher Zeitung gehört. Also Groucho Marx sagte einst: „Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, (...) dann habe ich auch noch andere."

Im Ernst: Das Zurich Film Festival überrascht uns immer wieder. Ganz zuverlässig und aus Prinzip. Einem Publikum kann nichts Besseres passieren.

Das ZFF ist das urbane Filmfestival der Schweiz. Gerade wir in der Schweiz mit unserem noch immer ländlichen Selbstbild und unserer immer urbaneren Realität sollten unsere Städte auch politisch mehr wertschätzen.

Diese Urbanität zeigt sich vor allem im Bewusstsein, dass Kreativität aus dem Zusammenprall von verschiedenen Ideen und Lebensentwürfen entsteht. Zum Beispiel zwischen dem Eigenen und dem Fremden.

Der gebürtige Zürcher Max Frisch notierte - nur wenige hundert Meter von hier, im „Café de la Terrasse" - kurz nach Kriegsende in sein
Tagebuch: „(...) dass sich Vaterland und Menschheit nicht ausschliessen, darin besteht ja das grosse Glück, Sohn eines kleinen Landes zu sein." Dieses kleine Land mit grosser kultureller Ausstrahlung ist in diesem Jahr am Festival sehr präsent. Mit nicht weniger als 43 Filmen, 14 davon sind neu und darunter vier Wettbewerbsbeiträge.

Dieses Interesse an der Welt, das schon Max Frisch konstatierte, hat nichts an Intensität verloren. Die Neugier, der empathische, aber trotzdem distanzierte Blick ist eminent schweizerisch, wie auch die reiche Filmtradition unseres Landes eindrücklich beweist.

Zürich ist die Stadt, die diese schweizerische Neugier auf die Welt am stärksten verkörpert. Nicht überraschend also, dass heuer in der Rubrik „Window to the World" auch Filme laufen, die dieses Jahr am Hong Kong Film Festival gezeigt wurden. Und im Rahmen von „San Sebastian
Window" eine Auswahl von Filmen aus Spanien und Lateinamerika gezeigt werden. Das Festival streckt seine Fühler in alle Himmelsrichtungen
aus.

Das ist typisch Zürich. Sie werden es bemerkt haben. Ich leide unter einem Pro-Zürich-Reflex. Das ist ziemlich selten in Bundesbern. Und auch ziemlich gefährlich... Das kann Ihre Karriere in der Schweizer Politik ernsthaft in Schwierigkeiten bringen. Deshalb höre ich jetzt besser zu sprechen auf.

Und wünsche allen viel Vergnügen beim Film, den wir uns zusammen ansehen werden: „Lion" erzählt von elementaren menschlichen Wünschen, die mit Hilfe von Google Earth zu verwirklichen versucht werden. Und da Google sein grösstes Forschungszentrum ausserhalb der USA nicht irgendwo auf der grünen Wiese betreibt - sondern hier im urbanen Zürich - schliesst sich der Kreis.

Und jetzt wünsche ich ein gutes Festival!


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