Klausur von Regierungsparteien und Bundesrat im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche

Bern, 02.09.2016 - Die Von-Wattenwyl-Gespräche im dritten Quartal finden neu jeweils in Form einer Klausur des Gesamtbundesrates mit den Bundesratsparteien statt, eine Diskussion über die Jahresziele des Folgejahres steht fix auf der Agenda. Zu einer ersten solchen Aussprache trafen sich die Partei- und Fraktionsspitzen von SVP, CVP, FDP und SP heute Freitag mit dem Gesamtbundesrat. Als weitere Themen kamen die Ressourcen des Bundes sowie die aktuelle Lage im Asylwesen und der Stand der Verhandlungen mit der Europäischen Union zur Sprache.

Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann erklärte, dass der Bundesrat den Von- Wattenwyl-Gesprächen mehr Gewicht geben wolle. Künftig sollen vermehrt grundsätzliche Fragen mit den Bundesratsparteien diskutiert werden – dies frei, informell und bevor sich die Landesregierung in einem konkreten Geschäft festgelegt hat. Dies betrifft unter anderem die Jahresziele 2017. Die aktuelle Planung sieht einen Schwerpunkt in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, im Infrastrukturbereich, bei der Bildung sowie bei der Europapolitik vor.

Der Bundesrat schilderte in einer Auslegeordnung die Situation der Schweiz. Das Land stehe vor grossen Herausforderungen – im internationalen Kontext betrifft das Themen wie das Verhältnis zur EU, Konjunkturentwicklung, Migrationsströme und Terrorismus. Dazu gehören aber auch notwendige nationale Reformen, etwa zur Sicherung der Altersvorsorge oder zur Stärkung der Rahmenbedingungen. Der Bundesrat betonte, die einzigartige politische Kultur der Schweiz sei ein Schlüssel, um die Herausforderungen zu meistern. Bevölkerung, Parteien und Bundesrat müssten diese Kultur gemeinsam pflegen.

Ressourcen des Bundes

Der Bundesrat informierte die Spitzen der Bundesratsparteien über die aktuelle Finanzlage des Bundes. Im Rahmen einer Aussprache über die Schuldenbremse wurde festgestellt, dass die Schweiz mit einer Schuldenquote von 16,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) 2015 im internationalen Vergleich sehr gut positioniert sei. Wie Parteivertreter ergänzten, lag die Schuldenquote in früheren Jahren auch schon tiefer, so 1990 bei 10,8 Prozent des BIP.

Sowohl der Bundesrat wie die Parteien betonten, dass die Schuldenbremse ein wichtiges Instrument der Finanzpolitik sei und beibehalten werden solle.

Der Bundesrat präsentierte Überlegungen mit Blick auf die Verwendung der strukturellen Überschüsse für andere Zwecke als die Schuldenreduktion– dies ohne die bereits erreichte Schuldenreduktion und die in der Bundesverfassung verankerte Ausgabenregel in Frage zu stellen. Die Landesregierung sicherte den Parteien zu, sie werde das Parlament in die weiteren Überlegungen miteinbeziehen. Es seien noch keine Entscheide gefällt worden.

Der Bundesrat informierte die Parteispitzen auch über die Ressourcensteuerung im neuen Führungsmodell Bund (NFB) sowie über die Stellenentwicklung in der Bundesverwaltung. Die Landesregierung legte dar, dass sie die Personalentwicklung aufmerksam beobachte und sorgfältig angehe.

Eine strikte Plafonierung der Stellenbestände hält der Bundesrat für problematisch – dies vor dem Hintergrund des personellen Mehrbedarfs in grösstenteils nicht steuerbaren Bereichen wie der Sicherheit, der Migration oder der Amts- und Rechtshilfe in internationalen Steuerangelegenheiten sowie der Aufgaben, die der Verwaltung zusätzlich übertragen werden. Das Eidgenössische Finanzdepartement werde dem Bundesrat bis Ende Jahr Vorschläge für eine neue Strategie der Personalbewirtschaftung unterbreiten.

Die Parteivertreter erklärten, dass ihnen bewusst sei, welche Rolle das Parlament bei der Ressourcensteuerung spiele. Aufträge an die Bundesverwaltung müssten auch seitens des Parlaments mit Bedacht vergeben werden. Gleichzeitig wiesen die Parteien darauf hin, dass in der Verwaltung Synergien vermehrt genutzt werden könnten, dies insbesondere in Querschnittbereichen.

Verhandlungen mit der EU
 
Der Stand der Gespräche mit der Europäischen Union über die Umsetzung von Artikel 121a BV war ebenfalls Thema des Treffens. Der Bundesrat legte dar, dass der Ausgang des EU-Referendums im Vereinigten Königreich die Gespräche nicht vereinfache und dass die Lösungssuche schwierig bleibe. Der Bundesrat bekräftigte sein Ziel, eine einvernehmliche Lösung mit der EU zu finden und die Gespräche in diesem Sinn weiterzuführen.

Die Landesregierung orientierte auch über die laufenden Verhandlungen zu einem Abkommen über die institutionellen Fragen. Über die noch offenen Fragen wird weiter verhandelt, wobei kein Zeitdruck besteht. Massgebend für die Schweizer Verhandlungsdelegation ist das Verhandlungsmandat des Bundesrates vom 18. Dezember 2013, welches mit den Kantonen und den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments konsultiert worden ist.

Das Abkommen soll ermöglichen, den bilateralen Weg zu konsolidieren und damit die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die EU macht neue Marktzugangsabkommen (zum Beispiel ein Stromabkommen) vom Abschluss eines solchen Abkommens abhängig.
 
Klar ist: Die Verhandlungen werden nur abgeschlossen, wenn der Bundesrat überzeugt ist, dass ein gutes Resultat vorliegt. Das weitere Verfahren einer Genehmigung des Abkommens richtet sich nach der Bundesverfassung und dem Gesetz. Parlament und gegebenenfalls das Volk werden sich zum Abkommen äussern können.

Flüchtlingssituation in Europa

Die Teilnehmenden diskutierten zudem die aktuelle Flüchtlingssituation in Europa und der Schweiz. Der Migrationsdruck auf Europa ist nach wie vor gross, auch wenn derzeit in der Schweiz deutlich weniger Asylgesuche gestellt werden als in den Vorjahresmonaten. Dieser Rückgang in der Schweiz ist vor allem auf die Abnahme der Asylgesuche von Eritreern zurückzuführen. Zur Sprache kam ebenfalls die Situation an der Schweizer Südgrenze.

Der Bundesrat hielt fest, dass Personen, die zu erkennen geben, dass sie in der Schweiz um Schutz ersuchen, Zugang zum Schweizer Asylsystem haben. Diese Personen werden durch das GWK an ein Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) des Bundes überwiesen. Effektiv wollen aber viele Personen nach Deutschland und in andere Zielländer weiterreisen. Bei diesen Personen versucht das GWK, sie im Rahmen des bilateralen Rückübernahmeabkommens wieder an Italien zu übergeben. Die Bundesratsparteien vertraten bei der Frage, welche Massnahmen in der aktuellen Lage im Migrationsbereich angezeigt sind, unterschiedliche Ansichten.


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