Berufliche Vorsorge: Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen im Jahr 2015
Bern, 10.05.2016 - Rückläufige Deckungsgrade aufgrund Renditeeinbruch – Warnsignal für die kommenden Jahre – Tendenz zu vorsichtigeren Bewertungen hält an Die Risiken, welchen Schweizer Vorsorgeeinrichtungen ausgesetzt sind, haben im 2015 aufgrund des schwierigen Finanzmarktumfelds und der weiter steigenden Lebenserwartung zugenommen. Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite betrug nur noch 0.8% (gegenüber 6.4% im Vorjahr). Die Deckungsgrade haben sich im Durchschnitt um rund 2.4%-Punkte reduziert, wozu auch die vorsichtigere Bewertung mit tieferen technischen Zinssätzen beigetragen hat. Einen Rückschlag erlitten hat auch die Kapitalisierung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie.
Bern, 10. Mai 2016. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) hat im Rahmen der Vorstellung ihres vierten Tätigkeitsberichtes wiederum die aktuellen Zahlen zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen präsentiert. Die für die ganze Schweiz einheitliche und risikoorientierte Früherhebung ermöglicht eine aktuelle Gesamtsicht über die finanzielle Lage des Systems der beruflichen Vorsorge mit Stichtag 31. Dezember 2015. Die Erhebung wird in enger Koordination mit den regionalen und kantonalen BVG-Aufsichtsbehörden durchgeführt. Bis Mitte April 2016 haben rund 93% (wie im Vorjahr) der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von 864 Milliarden Franken (Vorjahr: 822 Milliarden Franken) den Fragebogen der OAK BV ausgefüllt.
Aktuelle Lagebeurteilung
2015 war finanziell betrachtet ein eher schwieriges Jahr für die Vorsorgeeinrichtungen: Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite betrug 0.8% (gegenüber 6.4% im Vorjahr). Der nach Vorsorgekapital gewichtete durchschnittliche Deckungsgrad mit einheitlichen Grundlagen der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie betrug Ende 2015 105.1% (Vorjahr: 108.5%). Bei den Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie sank der Deckungsgrad mit einheitlichen Grundlagen von 77.8% auf 76.1%.
Per Ende 2015 wiesen damit 87% (Vorjahr: 89%) der privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie einen Deckungsgrad von mindestens 100% aus. Der entsprechende Anteil bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie betrug lediglich 14% (Vorjahr: 27%). Diejenigen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie im System der Teilkapitalisierung, die den vom Gesetz verlangten Zieldeckungsgrad von 80% noch nicht erreicht haben, werden ihre Planungsgrössen anpassen müssen.
Vorsichtigere Bewertungen – weitere Senkung des technischen Zinssatzes
Positiv zu werten ist, dass als Reaktion auf das veränderte Umfeld viele Schweizer Vorsorgeeinrichtungen Massnahmen getroffen und ihre für die Bewertung der Verpflichtungen verwendeten technischen Zinssätze weiter gesenkt haben. Gesenkt wurden vielfach auch die zukünftigen Umwandlungssätze, und teilweise wurden auch andere Leistungsanpassungen vorgenommen. Zur Berücksichtigung der steigenden Lebenserwartung verwenden beispielsweise immer mehr Vorsorgeeinrichtungen Generationentafeln anstelle von gesonderten technischen Rückstellungen. Bei vielen Vorsorgeeinrichtungen werden weitere Anpassungen auf der Leistungsseite und der Finanzierungsseite indes unvermeidbar sein.
Finanzierungslücke bleibt unverändert bestehen
Trotz risikosenkender Massnahmen vieler Vorsorgeeinrichtungen haben sich die Risiken insgesamt erhöht. So verbleiben auch die Zinsversprechen, welche den Altersleistungen zu Grunde liegen, im Durchschnitt höher als die für die Bewertung der Verpflichtungen von der Vorsorgeeinrichtung verwendeten technischen Zinssätze. Diese Differenz ist im Gesetz nicht vorgesehen und kann bisher auch nicht durch paritätische Beiträge vorfinanziert werden. Im Vergleich zu realistisch zu erwartenden Renditen sind die Zinsversprechen als hoch zu bezeichnen. Mit zukünftigen Vermögenserträgen nicht finanzierbare Renten können im Nachhinein nicht mehr gekürzt werden, sondern müssen von Arbeitgebern und Versicherten nachfinanziert werden.
Warnsignale für die kommenden Jahre
Nach den vergangenen sehr guten Anlagejahren fielen die Renditen im Jahr 2015 ernüchternd aus, waren aber für das Gros der Vorsorgeeinrichtungen gerade noch verkraftbar. Für die kommenden Jahre stellen sich jedoch einige zusätzliche Herausforderungen:
So werden risikoarme Anlagen wie Bundesobligationen in den nächsten Jahren aufgrund der sehr tiefen respektive negativen Zinsen praktisch keinen oder sogar einen negativen Beitrag an den Anlageertrag leisten. Auch die oft gut rentierende Anlagekategorie der Immobilien bietet nach den Bewertungssteigerungen der vergangenen Jahre nur noch eine reduzierte Rendite. Die Aktienmärkte wiederum bleiben volatil und damit anfällig auf Kursverluste infolge unsicherer ökonomischer Zukunftsaussichten. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass das Ertragsniveau der Vorjahre gehalten werden kann. Vielmehr kann das abgelaufene Jahr als Warnsignal für die kommenden Jahre gedeutet werden.
Es ist davon auszugehen, dass die Deckungsgrade durch die andauernde Phase der extrem tiefen, zum Teil negativen Zinsen weiter sinken werden. Gleichzeitig bleiben die Zinsversprechen hoch und die laufenden Renten können aufgrund des geltenden Rechts nicht mehr reduziert werden. Dies verstärkt die Tendenz zu weiteren Reduktionen der Deckungsgrade und damit zu weiteren Senkungen der künftigen Umwandlungssätze.
Massnahmen zur Verminderung der Risiken müssen von den obersten Organen der Vorsorgeeinrichtungen getroffen werden. Angesichts des extrem tiefen Zinsniveaus und der stetigen Erhöhung des Rentenanteils sind indes auch weitere Kreise aus Wirtschaft und Politik gefordert, um realistische und für alle Beteiligten tragbare Lösungen zu ermöglichen.
Ausblick der OAK BV
Die Anforderungen an die risikoorientierte Führung und die risikoorientierte Aufsicht sind weiter zu verstärken. Ziel ist insbesondere die Verbesserung der Qualität, des Informationsgehalts und der Vergleichbarkeit des Gutachtens des Experten für berufliche Vorsorge. Weiter sollen neu bestimmte Risikokennzahlen jährlich vom Experten zuhanden des obersten Organs berechnet werden müssen.
Die OAK BV wird zudem Massnahmen zur Qualitätssicherung bei den Revisionsstellen ergreifen. Ziel ist es, eine Qualitätsverbesserung bei der Tätigkeit der Revisionsstellen zu erreichen. Hierfür werden Massnahmen insbesondere im Bereich der Fachkenntnisse (ausreichende praktische Tätigkeit) und der Unabhängigkeit der Revisoren (Rotation) angestrebt.
Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV)
Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt neun kantonalen / regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung und unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge und die Vermögensverwalter in der beruflichen Vorsorge.
Mit Blick auf das Ziel, die finanziellen Interessen der Versicherten verantwortungsbewusst und zukunftsgerichtet wahrzunehmen, operiert die OAK BV auf der Basis einer einheitlichen und risikoorientierten Aufsicht. Mit ihren in einen volkswirtschaftlichen und langfristig ausgerichteten Kontext eingebetteten Massnahmen und Entscheiden will die neue Behörde in erster Linie zu einer konsequenten Verbesserung der Systemsicherheit sowie von Rechtssicherheit und Qualitätssicherung beitragen.
Zur Sicherung der Systemstabilität und damit der Vorsorgegelder der Versicherten ist eine Stärkung der risikoorientieren Führung der Vorsorgeeinrichtungen aber auch der Aufsichtstätigkeit anzustreben. Das Gesetz stellt hier der OAK BV das Instrument der Weisung zur Verfügung. So kann die OAK BV Weisungen für die Tätigkeit der Experten für berufliche Vorsorge, der Revisionsstellen sowie für die Aufsicht erlassen.
Adresse für Rückfragen
Manfred Hüsler
Direktor Sekretariat OAK BV
Tel. Nr. 058 462 94 93
manfred.huesler@oak-bv.admin.ch
Herausgeber
Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge
http://www.oak-bv.admin.ch
Bundesamt für Sozialversicherungen
http://www.bsv.admin.ch