50 Jahre Schweizerischer Wissenschaftsrat: Plädoyer für mehr Qualität statt Quantität

Bern, 05.10.2015 - Qualität ist Voraussetzung für Spitzenleistungen in Wissenschaft und Innova-tion, lässt sich aber nicht einfach mit quantitativen Kennzahlen messen: Dieses Fazit zieht der Schweizerische Wissenschafts- und Innovationsrat in einer Studie, die er anlässlich seines 50-jährigen Bestehens erstellt hat. Zu den Herausforderungen der Bildung, Forschung und Innovation in der Schweiz zählt ausserdem die Förderung des akademischen Nachwuchses.

Der Schweizerische Wissenschafts- und Innovationsrat (SWIR) ist das unabhängige Beratungsorgan des Bundes in allen wissenschaftspolitischen Fragen. Aus Anlass seines 50-Jahre-Jubiläums legt er eine Studie vor, welche die Zusammenarbeit der kantonalen und eidgenössischen Institutionen analysiert, die im Bereich der Bildung, Forschung und Innovation in der Schweiz tätig sind («Akteurskonstellationen im Schweizer BFI-System», 3/2015). Im Zentrum steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Wissenschaft und Innovation gedeihen können.  

Starke Grundlagenforschung und hohe Internationalisierung als Pluspunkte

Die starke Verankerung der Grundlagenforschung und die gemeinsame Finanzierung von Bildung und Forschung durch Bund und Kantone sind für den SWIR die zwei wesentlichen Stärken des BFI-Systems. Sie sorgen für die langfristig stabilen Rahmenbedingungen, die für das Innovationsklima in der Schweiz zentral sind. Zu den weiteren Pluspunkten der Schweizer Wissenschaftslandschaft gehören die Vielfalt, der hohe Internationalisierungsgrad, die gute finanzielle Ausstattung sowie die Zurückhaltung der politischen Behörden, steuernd in die Autonomie der Hochschulen einzugreifen. 

Nachholbedarf sieht der SWIR bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Junge Forschende mit Kindern können Beruf und Familie kaum vereinen. Zudem ist das System ausgerichtet auf eine auf längere Sicht problematische Zuwanderung von akademischem Nachwuchs aus dem Ausland. Zwar bleiben die Hochschulen weiterhin auf die Rekrutierung internationaler Spitzenforscherinnen und -forscher angewiesen, doch sollten sie ihre regionale Verankerung nicht verlieren. Daher spricht sich der SWIR für Assistenzprofessuren mit Tenure Track und langfristige Stellen nach dem Doktorat aus, die zusätzliche Karrierewege eröffnen. 

Geistige Prozesse nicht auf Mess- und Zählbares reduzieren

Der SWIR weist in der Studie auch auf Entwicklungen hin, die dem Wissenschafts- und Innovationsplatz Schweiz schaden. In den letzten Jahren sind Leistungsmessungs- und Anreizsysteme entstanden, welche die «Effizienz» der Wissenschaft steigern wollen. Die neuen Indikatoren des wissenschaftlichen Erfolgs heissen Drittmittel, Anzahl Publikationen und Zitationen. Diese Kennzahlen schaffen falsche Anreize, weil sie geistige Prozesse auf das Mess- und Zählbare reduzieren. Damit widersprechen sie der Natur des wissenschaftlichen Arbeitens. So wird Qualität durch Quantität ersetzt und die Kreativität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gedämpft. 

Der SWIR plädiert deshalb für einen neuen Umgang mit Evaluation in der Wissenschaft: Sie soll primär auf Vertrauen basieren. Die Verfahren der Qualitätssicherung sollen möglichst schlank gehalten werden. Oberstes Ziel muss sein, die Motivation der Forschenden durch einen Vertrauensvorschuss zu stärken. Nicht die totale Kontrolle, sondern Vertrauen und Dialog ermöglichen wissenschaftliche Erfolge. 

Der SWIR diskutiert seine Thesen und Empfehlungen am 5. und 6. Oktober in Bern mit Akteuren der nationalen und internationalen Wissenschaftspolitik. Die Studie des Rates ist auf der SWIR-Website (www.swir.ch) einzusehen.    


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