Bundesrat lehnt Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» ab

Bern, 26.08.2015 - Der Bundesrat empfiehlt die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» zur Ablehnung und hat an seiner heutigen Sitzung die entsprechende Botschaft zuhanden der Bundesversammlung verabschiedet. Die Initiative greift tief in die Steuer- und Strafverfahren ein und hätte zur Folge, dass die korrekte Erhebung der Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden gefährdet wäre. Die Initiative könnte sich zudem negativ auf die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung auswirken.

Der Schutz der Privatsphäre vor widerrechtlichen staatlichen Eingriffen ist ein wichtiger Grundsatz in einem Rechtsstaat. Er geniesst in der Schweiz bereits heute Verfassungsrang und wird in der Gesetzgebung konkretisiert. Im Steuerrecht gibt es notwendige Grenzen des Schutzes der Privatsphäre. Damit beispielsweise die Einkommens- und Vermögenssteuern korrekt erhoben werden können, müssen die steuerpflichtigen Personen ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber den Steuerbehörden offenlegen. Der Schutz der Privatsphäre bleibt aber gewahrt, da die Behörden an das Steuergeheimnis gebunden sind und die erhaltenen Informationen ausserhalb von gesetzlich geregelten Ausnahmen nicht weitergeben dürfen.

Auswirkungen der Initiative

An der Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person will die Initiative nichts ändern. Die Steuerpflichtigen sind weiterhin verpflichtet, den Steuerbehörden sämtliche Informationen zu liefern, die zur Ermittlung der Steuerfaktoren erforderlich sind. Die Initiative verlangt aber, dass Dritte nur noch unter sehr einschränkenden Voraussetzungen zur Auskunft gegenüber den Behörden berechtigt sein sollen. Solche Auskünfte über steuerpflichtige Personen sollen nur noch im Rahmen eines Strafverfahrens möglich sein und nur in jenen Fällen, in denen ein Gericht den Verdacht auf eine schwerwiegende Steuerstraftat bestätigt.

In der Folge könnten Steuerbehörden nur noch in seltenen Ausnahmefällen Informationen bei Drittpersonen einholen. Wenn Steuerpflichtige ihre Mitwirkungspflichten verletzen, wäre es der Behörde nicht mehr möglich, Auskünfte beim Arbeitgeber oder bei einer Versicherungsgesellschaft einzuholen. Die korrekte Erhebung der Steuern wäre nicht mehr sichergestellt.

Bereits heute haben die kantonalen Steuerbehörden keine Möglichkeit, Informationen bei Banken zu beschaffen. Die Initiative brächte diesbezüglich keine Neuerung mit sich. Demgegenüber besteht heute eine Auskunftspflicht der Banken in Strafverfahren betreffend die indirekten Steuern und im Rahmen der besonderen Steueruntersuchungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV), welche schwerwiegende Steuerstraftaten zum Gegenstand haben. Bei einer Annahme der Initiative käme es diesbezüglich zu einer wesentlichen Einschränkung der heute bestehenden Untersuchungsmittel.

Die Initiative betrifft ausschliesslich inländische Steuern. Sie hätte daher keine Auswirkungen auf die steuerliche Amtshilfe und den Informationsaustausch zu Gunsten ausländischer Partnerstaaten. Je nach Auslegung könnte allerdings die Möglichkeit der Schweiz eingeschränkt werden, entsprechende Informationen aus dem Ausland zu erhalten.

Die Folgen für die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor hängen von der Interpretation der Initiative ab. Gelten die eingeschränkten Auskunftspflichten Dritter auch für das Geldwäschereigesetz, hätte die Initiative erhebliche Beeinträchtigungen in diesem Bereich zur Folge. Den Finanzintermediären wäre es dann untersagt, mit Bezug auf Personen mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz Meldungen bezüglich qualifizierter Steuerdelikte an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) zu erstatten. Auch Meldungen über nicht steuerliche Delikte, die aber einen Bezug zu Steuern haben, könnten betroffen sein. Dies würde insbesondere die vom Parlament am 12. Dezember 2014 beschlossenen Anpassungen an die 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI) in Frage stellen. Ferner könnte der Austausch von Informationen zwischen der schweizerischen und den ausländischen Meldestellen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung beeinträchtigt werden. All dies würde sich negativ auf die Konformität der Schweiz mit den internationalen Standards auswirken.

Ausreichender Schutz der Privatsphäre

Aus diesen Gründen spricht sich der Bundesrat gegen die Volksinitiative aus. Die Privatsphäre steuerehrlicher Personen ist dank dem Steuergeheimnis ausreichend geschützt und wäre von der Initiative deshalb auch nicht betroffen. Verweigert eine Person aber ihre Mitwirkung und verletzt sie damit das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat, sollen die Steuerbehörden weiterhin die Möglichkeit haben, Informationen bei Dritten einholen zu können. Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesrat auch keine Veranlassung für einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag.

Anliegen Initiative

Die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre» wurde am 25. September 2014 eingereicht und ist mit 117‘531 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Laut den Initianten soll mit der Initiative der Schutz insbesondere der finanziellen Privatsphäre in der Verfassung verankert werden. Die finanzielle Privatsphäre ist laut den Initianten ein wichtiger Bestandteil des Vertrauensverhältnisses zwischen Staat und Bürger. Wegen der jüngsten politischen und gesetzgeberischen Entwicklungen müsse dieses in der Bundesverfassung enthaltene Grundrecht präzisiert und ergänzt werden.


Adresse für Rückfragen

Fabian Baumer, Vizedirektor, Eidgenössische
Steuerverwaltung ESTV
Tel. 058 465 31 67, fabian.baumer@estv.admin.ch



Herausgeber

Der Bundesrat
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Eidgenössisches Finanzdepartement
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