Die Schweiz entwickeln heisst unser Land gestalten

Bern, 09.06.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Die Feier zum Aufbruch Entwicklung Schweiz – Développement Suisse

Für die Schweizer Baubranche beginnt heute vielleicht so etwas wie eine neue Ära. Wie Ihr Präsident eben erklärte, ist aus dem ehemaligen Verband der Schweizer Generalunternehmer der Verband Entwicklung Schweiz geworden.

Für den Start in diese neue Zeit haben Sie mich sozusagen als Taufpaten eingeladen. Ich freue mich sehr und danke Ihnen herzlich für diese Ehre. Sie wissen, ich war der Baubranche stets sehr verbunden, und ich bleibe es auch in meiner heutigen Aufgabe als Bundesrat. Denn letztlich tun Sie und ich dasselbe: Wir bauen am Kunstwerk Schweiz. Und ich sage Ihnen: Ich freue mich, wie sich dieses Kunstwerk Schweiz entwickelt, wie an ihm gebaut wird, wie an ihm geschliffen wird.

Ich freue mich vor allem deshalb, weil das Ausdruck ist unseres Erfolgs, unseres Wohlstands. Mehr noch: Mit Ihrer Arbeit, meine sehr verehrten Unternehmer, Bauherren und Investoren, schaffen Sie Wohnhäuser und Geschäftsräume, Spitäler und Schulen. Sie bauen eine hervorragende Infrastruktur. Auf die ist unser Land angewiesen, um wettbewerbsfähig zu sein. Und was für mich ganz entscheidend ist: Mit Ihrer Arbeit schaffen Sie selber Arbeit.

Genau das ist meine oberste Ambition: Dass möglichst alle Menschen in diesem Land eine Perspektive haben, das heisst: einen Job. Für dieses Engagement danke ich Ihnen deshalb ganz besonders. Offrir une perspective à chacun, c'est mon objectif principal. Mais comment procéder ? Vous le savez comme moi : ce ne sera pas chose facile. Ma solution, sans entrer dans les détails, s'appelle 3 fois 3 - 3 triades :

Triade no 1: marché du travail libéral - partenariat social - système de formation dual
Triade no 2: accords de libre-échange - accords visant à éviter la double imposition - accords de protection des investissements
Triade no 3: OMC - accords bilatéraux - et encore une fois les accords de libre-échange

Pour que la Suisse reste un pays gagnant où il fait bon vivre - un des pays les plus enviés du monde - nous devons tous consentir des efforts : les politiques, mais aussi chacun et chacune d'entre nous. Sans oublier l'économie. En renommant aujourd'hui votre association, vous faites davantage que changer de nom, adapter le logo et relooker votre site internet. « Nomen est omen », dit-on : votre changement de nom est à la fois un signe et un engagement. Avec «Développement Suisse», vous montrez que vous entendez inscrire la construction dans le cadre plus large de la dimension sociétale. Ne prenez pas cela pour une critique : les temps changent et, avec eux, les attentes de la société.

Viele Menschen sorgen sich. Ausdruck dieser Sorge ist die Annahme mehrerer wachstumskritischen Initiativen in den letzten Jahren:

Der Zweitwohnungs-Initiative,der Zuwanderungs-Initiative und beispielsweise der Kulturland-Initiative im Kanton Zürich. Es ist die Sorge vor einem Verlust der hierzulande noch intakten Natur zulasten einer zersiedelten Schweiz. Der Widerstand gegen die Vision, zukünftig in einem Moloch namens „Stadtstaat Schweiz" zu leben. Dahinter steht aber vor allem auch, dessen bin ich mir sicher, die Furcht vor einem Verlust der Heimat, der eigenen Identität.

Diese Ängste müssen wir ernst nehmen. Aber nicht, indem wir opportunistisch das Ende jeder wirtschaftlichen Entwicklung verkünden, Wachstum verteufeln und das Bauen verbieten. Sondern indem wir innovativ, gemeinsam und pragmatisch Lösungen suchen. So, wie es der Erfolgsweg der Schweiz immer war. Dazu gehört auch, die Widersprüche nicht zu ignorieren, die sich offenbaren. Denn die Ansprüche jedes Einzelnen in unserem Land sind nicht etwa kleiner geworden. Im Gegenteil.

Mehr Wohnraum - und trotzdem mehr Grünflächen.
Mehr Kulturland - und trotzdem bessere Mobilität.
Mehr Nachhaltigkeit - und trotzdem auch zukünftig günstige Energie, eine tadellose Infrastruktur, Wohlstand und sichere Arbeitsplätze.

Unter solch widersprüchlichen Bedingungen das Kunstwerk Schweiz weiter zu gestalten, ist eine gewaltig Herausforderung. Für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und dies natürlich ganz speziell in einer Phase, in der durch die Frankenstärke auf der einen Seite und die Unsicherheit hinsichtlich des Verhältnisses mit Europa auf der anderen die wirtschaftliche Prosperität in Frage gestellt wird.

Die Selbstverständlichkeit, mit welcher der wirtschaftliche Erfolg von vielen betrachtet wurde, ist jedenfalls definitiv vorbei. Es zeichnet Sie als Persönlichkeiten und als Branche aus, dass Sie diese Entwicklung als Chance wahrnehmen. Indem Sie sich als Interessenvertreterin der Baubranche neu aufstellen, neue Ziele formulieren.

Ich möchte mit Ihnen heute Abend zwei meiner Antworten auf die Herausforderungen diskutieren, welche ich eben skizziert habe: Innovation und Rahmenbedingungen. Für die Innovation ist primär die Unternehmerschaft zuständig, für die Rahmenbedingungen sind es wir von der Politik.

Ich beginne dennoch mit der Innovation. Wenn es darum geht, ganz wörtlich am Kunstwerk Schweiz zu bauen, heisst Innovation zuerst einmal: Nicht in die Breite schiessen, sondern in die Höhe. Und damit den bereits überbauten Raum besser zu nutzen, also Verdichten und Umnutzen. Damit lassen sich ein Teil der genannten Widersprüche auflösen.

Hervorragende Beispiele für nachhaltige Entwicklungen landauf und landab zeigen, dass dies möglich ist - ohne Zürich zu Singapur zu machen und Genf zu Hongkong. Sie finden eine Auswahl davon im heute publizierten Buch von Entwicklung Schweiz.

Ein zweites zentrales Stichwort für Innovation heisst Digitalisierung. Es wäre naiv und weltfremd zu glauben, die Digitalisierung würde die Bau- und Immobilienbranche verschonen. Die Vorboten sind zu deutlich. Denken Sie an Marketing und Verkauf: Immobilienportale übernehmen mehr und mehr Funktionen, die bislang Business der Makler war.

Aber es geht noch viel weiter, wenn man von „Smart home" spricht. Smarte Gebäude als Gesamtsysteme, in denen alle Geräte intelligent und vernetzt sind, angefangen vom Lichtschalter bis zur Waschmaschine. Nachhaltigkeit durch technologische Innovation, zum Beispiel bei der Energieeffizienz: Das ist meiner Meinung nach mehrheitsfähiger als Verzicht.

Die Politik bietet Ihnen dafür Instrumente an, die ich sehr empfehle. Da ist einerseits unsere KTI, die Kommission für Innovation und Technologie, die förderungswürdige F+E-Projekte vermehrt auch aus dem Bereich Bau und Immobilien unterstützen würde.

Und da ist als zweites die EMPA: Im Projekt NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) vereinen Institute des ETH-Bereichs ihre Kräfte, um die besten und innovativsten Ideen auf den Gebieten der Baustoffwissenschaften, Bautechnologien und baulichen Systemintegration zu verwirklichen.

Die technologischen Attraktionen von morgen sollen dann auch noch für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar bleiben. Auch hier halte ich unverrückbar am liberalen Prinzip fest: Dafür ist grundsätzlich der Markt da, nicht der Staat! Preiswerter Wohnraum ist gefragt, auch in den Städten. Der kluge Bauherr erkennt das - ohne gütige Nachhilfe in Bern. Mit dem Genossenschaftswesen und den Instrumenten des Bundesamtes für Wohnungswesen, vor allem aber der Kantone und Gemeinden, wird daneben gezielt unterstützt.

Zum Abschluss der Überlegungen zu Ihren Herausforderungen und Beiträgen als Branche komme ich um zwei interne Aspekte nicht herum: Da ist einerseits der Fachkräftemangel. Aus zahlreichen Gesprächen weiss ich, dass in Ihrer Branche gute Bauingenieure, Bau- und Projektleiter, aber auch Facharbeiter aller Berufsrichtungen fehlen. Ich danke Ihnen, dass Sie die Fachkräfteinitiative von Bund, Kantonen und Sozialpartner tatkräftig unterstützen - wir müssen dieses Problem zusammen anpacken. Ich denke aber auch an die Stichworte Lohndumping und Solidarhaftung. Ich weiss, Sie waren alles andere als glücklich, als die Politik handelte. Aber es war nötig. Missbrauch ist weder in meinem, noch in Ihrem Interesse.

Weiteren Regulierungsforderungen widersetze ich mich mit aller Kraft. Ich will Regulierungen abbauen, denn zu viele Vorschriften und Auflagen behindern das Unternehmertum. Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu den Rahmenbedingungen. Also zur Aufgabe der Politik. Lassen sie mich bei Ihrer Branche beginnen. Über die FlaM habe ich schon gesprochen. Die unterschiedlichen Vorgaben von Kanton zu Kanton sind ein anderer zentraler Aspekt.

Das zu ändern, ist allerdings alles andere als einfach. Es ist uns allen in diesem Raum klar, dass bauen günstiger wäre, weniger zeitaufwändig und nervenaufreibend, wenn nicht alles anders wird, sobald man die Mauer ein paar Meter „ennet" der Kantonsgrenzen hochzieht.

Nationale Vorgaben würden zwar die Abläufe vereinfachen, aber sie würden den Föderalismus mindestens teilweise aushebeln. Doch die Bemühungen sind erkennbar, zum Beispiel was die Harmonisierung der kantonalen Bauvorschriften angeht. Überregulierung ist aber nicht nur in Ihrer Branche ein riesiges Problem. Gerne wird in der Schweiz über das „Bürokratiemonster Brüssel" gespottet - machen wir es besser!

Wenn ich mir die 140 Seiten Regulierung pro Woche vor Augen führe, welche unsere Verwaltung derzeit produziert, muss ich sagen: so sicher nicht! Schöne Worte braucht es nicht - Sonntagspredigten zur administrativen Entlastung werden die ganze Woche durch gehalten - gefragt sind ein Mentalitätswandel und konkrete Taten. Ein Beispiel, wovon ich spreche: Ich wies meine Verwaltungseinheiten, darunter auch das Bundesamt für Landwirtschaft, an, alle Verordnungen auf unnötige Vorschriften zu durchforsten, die wir rasch und einfach streichen können. Kurz darauf erhielt ich vom BLW eine Liste mit hundert Verbesserungen. Die ersten können wir auf 2016 umsetzen.

Das ist der richtige Spirit, der Nachahmer finden muss. Und auch wenn die Dokumentationspflicht für mobile Hühnerställe wegfällt: Die Tiere werden ihr Dach über dem Kopf auch zukünftig finden... Zweitens: Über den liberalen Arbeitsmarkt muss ich in diesem Saal nicht viel mehr sagen als das folgende: Wir müssen ihn unbedingt bewahren, entgegen dem Zeitgeist!

Die gelebte Sozialpartnerschaft gehört für mich drittens ganz selbstverständlich dazu. Vertrag statt Gesetz: Diese einfache Lösung hat uns in der Vergangenheit immer einen Schritt Vorsprung bei der Wettbewerbsfähigkeit gebracht. Bitte helfen Sie mit, gerade in schwierigen Phasen den Dialog zu suchen und zu pflegen. Zu den zentralen Rahmenbedingungen in unserem Land gehört ohne Zweifel auch der Bilaterale Weg mit Europa.

Auch wenn die Bau- und Immobilienwirtschaft im Wesentlichen im Inland wirkt: Wie wir unser Verhältnis zu Europa und zur EU gestalten, ist auch für Sie von eminenter Bedeutung, in zweierlei Hinsicht: Erstens: Die Reduktion der Zuwanderung steht seit dem 9. Februar 2014 als Auftrag in der Verfassung. Das setzen wir um. Die Initianten nannten aber das „gesamtwirtschaftliche Interesse" als Gradmesser. Und das heisst: Auch zukünftig muss es möglich sein, in reduziertem Mass Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren.

Zweitens: Die Schweiz verdient jeden zweiten Franken im Ausland. Die Binnenwirtschaft ist also auf eine florierende Exportwirtschaft angewiesen. Ich habe immer gesagt: Der bilaterale Weg ist der Königsweg. Der Weg, der unserem Land wirtschaftliche Partizipation und politische Souveränität gesichert hat. Diesen Weg gilt es weiter zu gehen, und dabei sind wir auch auf Ihre Unterstützung angewiesen.

Sei es in den pulsierenden Städten, in der freien Natur, aber auch in den Industriezonen, wo ich lange Jahre zuhause war: Unser Land ist wirklich einzigartig. Veränderung mag Ängste wecken, aber Veränderung tut ihm gut. Die Schweiz ist eben nie „fertig gebaut", wie man in Anlehnung an eine grosse Debatte in Zürich vor vielen Jahren sagen könnte.

Ein lebendiges und erfolgreiches Land verändert sich. Oder anders gesagt: Fortschritt ist der Gegensatz von Stillstand.Bauen wir deshalb alle tagtäglich an unserem Kunstwerk Schweiz weiter. Entwickeln wir das Land weiter. Ich zähle auf „Entwicklung Schweiz"!

Vielen Dank für Ihr Engagement. Und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Es gilt das gesprochene Wort

 


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