The Business of a Business-School is more than Business

St.Gallen, 09.05.2015 - Rede von Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Dies academicus St.Gallen, Samstag 9. Mai 2015

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Politik
Hochgeschätzte Vertreterinnen und Vertreter von Lehre, Forschung und Wissenschaft
Sehr geehrte Ehrendoktoren und Ehrensenatoren
Sehr geehrter Herr Rektor
Liebe Gäste

Ich bedanke mich herzlich für Ihre freundliche Einladung zum diesjährigen Dies academicus an der einzigen Schweizer Universität östlich von Zürich und freue mich, Ihnen die besten Grüsse und Wünsche der Landesregierung zu überbringen.

„Proudly small"

Unter diesem Titel tagte gestern und vorgestern das St. Gallen Symposium. Proudly small

Oder auf gut Deutsch: klein, aber fein. Das gilt in besonderem Mass auch für Sie, für die HSG. Mit 8000 Studierenden im europäischen Vergleich relativ klein, haben Sie den Ruf, die beste öffentliche Wirtschaftsuniversität des Kontinents zu sein. Und dieser Ruf strahlt weit über unseren Kontinent hinaus. Partnerschaften mit 180 Wirtschaftsuniversitäten verstreut über den ganzen Erdball, Vertretungen in Singapur und São Paulo schaffen ein einzigartiges Netzwerk.

Und wer in Ihrem Alumni-Adressverzeichnis aufgeführt ist, gehört zum who-is-who der Wirtschaftswelt.Wie sang doch Liza Minelli so treffend: „If you can make it there, you can make it anywhere". Ja, wer's in St.Gallen macht, dem stehen die Türen der Unternehmenswelt offen.

Aber was ist es, was St. Gallen gleichermassen bedeutend wie begehrt macht? Ich denke, es in erster Linie die Kompetenz der HSG. Und die Kompetenz ist das Resultat eines unvergleichlichen Selbstverständnisses, das von Schulleitung und Professorenschaft konsequent umgesetzt wird. Das Selbstverständnis nämlich, ein „Denkplatz für aktuelle Probleme von Wirtschaft und Gesellschaft" zu sein und „bewusst integrativ denkende und unternehmerisch verantwortungsvoll handelnde Persönlichkeiten zu fördern."

Damit geht die HSG weit über das hinaus, was der berühmte Milton Friedman einmal eine der eingängigsten Kurzformeln der Wirtschaftswissenschaft gebracht hat. Friedman sagte: „The Business of Business is Business." Oder frei und etwas salopp übersetzt: Hauptsache Geld verdienen. Nun, natürlich weiss ich sehr wohl, wie sehr dieser Satz umstritten ist. Für die einen ist es die Reduktion wirtschaftlicher Tätigkeit auf den Shareholder-Value, für andere ist er Ursache dafür, dass sich in den letzten Jahren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auseinander gelebt haben.

Oder wie es mit Josef Ackermann einer Ihrer berühmten ehemaligen Absolventen de HSG kürzlich formulierte: „der Schweiz ist der nationale Konsens abhandengekommen." Nun wäre es natürlich verfehlt, der Wirtschaft die alleinige Schuld für diese Entwicklung in die Schuhe zu schieben. Dennoch bin ich froh, wenn unsere Schweizer Wirtschaftshochschule ihren Lehrauftrag breiter versteht. Wenn sie sich nicht nur auf die engen wirtschaftlichen Fragestellungen beschränkt, sondern die Optik öffnet für gesellschaftliche und kulturelle Fragen.

Wenn sie wirtschaftswissenschaftliche Bildung ganz bewusst in den grösseren Zusammenhang von Gesellschaft, Umwelt, Politik stellt und damit zum Ausdruck bringt, dass Wirtschaftswissenschaft Teil der Sozialwissenschaft ist. Zum Beispiel mit neuen Forschungskooperationen wie etwa dem „Center for Health Care" oder dem „Center for Energy Innovation, Governance and Investment". Oder die verhaltenswissenschaftliche Forschung im Bereich „Customer Insight" und „Entrepreneurship und Innovation". Alles Forschungsbereiche, die zu globalen Kompetenzzentren ausgebaut werden sollen und gleichzeitig belegen, wie bodennah die HSG geblieben ist und bleiben wird.

Es ist diese Bodennähe, welche die HSG stets ausgezeichnet hat. Hier werden junge Menschen nicht nur darin ausgebildet, dereinst erfolgreich ein KMU oder ein internationales Unternehmen führen zu können. Hier lernen diese jungen Menschen auch, was es braucht, den Spagat zwischen Globalisierung und lokaler Verankerung zu bewältigen.

Diesen Spagat zu meistern wird mehr und mehr zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Dass es möglich ist, diesen Spagat zu meistern und gleichzeitig erfolgreich und konkurrenzfähig zu sein, davon bin ich überzeugt! So könnte man Friedman's Lehrsatz für St.Gallen folgendermassen abwandeln: „The Business of a Business-School is more than Business". Mit einer integrierte Wirtschaftswissenschaft als innovative Interpretation des Lehrauftrags macht die HSG nicht nur dem Innovationsstandort Schweiz auf dem Gebiet von Forschung und Bildung alle Ehre, er beweist auch, wie robust er ist im Verhältnis zu seiner Konkurrenz, wie sie auch immer heissen mag.

Bestehen können gegen eine Konkurrenz, die nicht ruht, das war und ist auch für die Wissenschaft und für eine Universität die grosse Herausforderung. Damit dies gelingt, müssen aber wiederum die Rahmenbedingungen stimmen, die die Politik als verlängerter Arm einer Gesellschaft den Akteuren in diesem Feld gibt. Nun ist die HSG natürlich zuallererst eine kantonale Universität. Doch sie gleichzeitig auch eine Institution der Hochschullandschaft Schweiz und als solche eingebettet in auch nationale Rahmenbedingungen.

Mit Blick auf letztere hoffe ich auf Ihre Beipflichtung, wenn ich sage: Wir haben bundesseitig unsere Hausaufgaben bisher gut gemacht. Und mit Blick auf die Zukunft hoffe ich auf Ihre Vertrauen, wenn ich Ihnen verspreche: Wir werden unsere Hausaufgaben auch morgen und übermorgen gut machen. Per Anfang Jahr ist neue Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetzes HFKG in Kraft getreten. Die Geburt dieses Gesetzes hat zwar (vielleicht typisch schweizerisch) ein wenig lange gedauert.

Aber das Ergebnis ist nun wirklich breit abgestützt und akzeptiert. Jedenfalls haben bereits 21 Kantone, darunter auch St. Gallen, dem interkantonalen Hochschulkonkordat zugestimmt. Dies zeigt ein starkes Commitment zu den Kerngedanken der Hochschullandschaft Schweiz. Sie lauten: Autonomie, Qualität, Wettbewerb, Koordination. Das neue HFKG ist kein zentralistisches Steuerungsinstrument der Hochschulpolitik aus Bundesbern. Es soll vielmehr einen Gesamtblick über die Hochschultypen hinweg ermöglichen und so die Governance des Schweizer Hochschulwesens verbessern.

Vor allem soll es gleich lange Spiesse für die kantonalen Universitäten und Fachhochschulen als Wettbewerber schaffen ohne deren Eigenständigkeit zu beschneiden. Eigenständigkeit, Autonomie ist das eine, was den Hochschulplatz Schweiz zu dem gemacht hat, was er heute ist: zu einem der weltbesten. Das andere ist eine gesunde nationale Konkurrenz. So betrachtet ist die HSG als Institution eine Konkurrentin aller andern Schweizer Hochschulen. Ich nenne einige Wettbewerbsfelder, auf denen sich die Konkurrenz abspielt: Am Studienangebot interessierte inländische Studierende, die Bundesgelder mitbringen und, falls sie nicht St. Gallerinnen und St. Galler sind, zusätzlich auch Geld ihres Heimatkantons

Am Studienangebot interessierte ausländische Studierende, die vermutlich noch kritischer sind als inländische Studierende und die äusserst bewusst eine Hochschule mit Rang und Namen wählen. Dozierende, die an einer Top-Hochschule mit Top-Infrastrukturen und Top-Studierenden wirken wollen. Forschungs-Fördermittel des Schweizerischen Nationalfonds und der Kommission für Technologie und Innovation Gelder auch aus internationalen Forschungs- und Innovationsprogrammen. Drittmittel von Privaten, die die Expertise akademischer Partner suchen. Wenn alle beginnen, dasselbe zu tun, dann ist das weder effizient noch der Qualität zuträglich.

Wir brauchen auf wissenschaftliche Bildung und Grundlagenforschung fokussierte ETH und Universitäten. Wir brauchen die Fachhochschulen mit ihrem wissenschaftlich-praxisorientierten Profil und ihren berufsqualifizierenden Abschlüssen, mit grossem Potenzial in der angewandten Forschung und deren Umsetzung in marktfähige Innovationen in enger Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. Und wir brauchen die pädagogischen Hochschulen mit der eminent wichtigen Aufgabe der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung.

Meine Damen und Herren

Der Kanton St. Gallen investiert mutig und zukunftsträchtig in seine Universität. Sich um den weiteren Erfolg der HSG Sorgen zu machen, ist also nicht angebracht. Die HSG ist gut getragen vom Kanton, sie ist national erfolgreich und sie ist international erfolgreich. Denn eines ist für mich klar: auch eine wirkliche Perle muss man pflegen, wenn man will, dass sie auch in Zukunft glänzt. Oder im Fall der HSG, weit in die Welt hinaus strahlt. Ganz im Sinne von Liza Minelli.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort


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