Datendiebstahl bei HSBC Private Bank in Genf: Anklageerhebung

Bern, 11.12.2014 - Die Bundesanwaltschaft (BA) erhebt Anklage gegen den Ex-Informatiker der HSBC-Niederlassung in Genf. Der flüchtige IT-Spezialist wird verdächtigt, libanesischen Banken sowie mehreren ausländische Behörden EDV-Daten seiner Arbeitgeberin angeboten zu haben. Bezüglich einer weiteren ehemaligen Angestellten der Bank wurde das Verfahren im September eingestellt.

Am Anfang des Falles mit weitgehenden politischen Implikationen und von grossem medialem Interesse stand ein Hinweis, dass ein Mann und eine Frau versucht hatten, Bankdaten im Libanon abzusetzen. Gemeldet wurde der Vorfall von der Schweizerischen Bankiervereinigung. Die BA erlangte im April 2008 durch einen Polizeibericht der Bundeskriminalpolizei (BKP) Kenntnis von diesen Vorgängen und eröffnete im Mai 2008 ein Strafverfahren.

Die Identität des Mannes, der im Libanon unter einem Pseudonym auftrat, war zu Beginn der Strafuntersuchung unbekannt. Erst im Dezember 2008, im Zuge von Hausdurchsuchungen in Genf, lüftete sich das Geheimnis um seine Person. Der identifizierte Mann wurde polizeilich zu seinen Aktivitäten im Libanon befragt. Er gab an, ein Datenbank-Projekt mit fiktiven Namen entwickelt zu haben und mit dieser Geschäftsidee bei dortigen Banken vorstellig geworden zu sein.

Auch wenn er dabei offenbar unter falschem Namen auftrat, so bestand im Zeitpunkt der Identifizierung und ersten polizeilichen Befragung kein Haftgrund, der es gerechtfertigt hätte, den Mann in Haft zu versetzen. Seine Befragung sollte tags darauf durch die BA fortgesetzt werden. Allerdings setzte der französisch-italienische Staatsbürger sich über Nacht ins Ausland ab. Er meldete sich telefonisch: er wolle die Weihnachtstage mit seiner Familie in Frankreich verbringen und danach wieder für Befragungen zur Verfügung stehen.

Als er sich aber nicht daran hielt, wurde ein dringliches Rechtshilfeersuchen an die französischen Behörden gestellt, woraufhin er im Januar rechtshilfeweise in Frankreich befragt wurde. Gleichzeitig fanden Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen an seinem dortigen Domizil statt. Die BA hat nach mehrmaligen Mahnungen, letztendlich ein Jahr später die Vollzugsakten des Rechtshilfegesuchs erhalten.

2009 wurde der französisch-italienische Staatsbürger auch international zur Verhaftung ausgeschrieben. Gestützt auf diesen Haftbefehl wurde er im Sommer 2012 in Barcelona verhaftet. Nach wenigen Monaten in Auslieferungshaft wurde er wieder entlassen und am 8. Mai 2013 entschied der spanische Gerichtshof den Mann nicht an die Schweiz auszuliefern.

Die BA wirft dem Ex-Informatiker der HSBC Private Bank in Genf vor, seit Februar 2008 libanesischen Bankinstituten, der „Direction nationale d'enquêtes fiscales" in Paris sowie anderen ausländischen Behörden Daten aus der Datenbanken seiner ehemaligen Arbeitgeberin übermittelt zu haben. Diese Daten betrafen interne Abläufe der Bank sowie Informationen über Bankverbindungen von HSBC-Kunden.

In Bezug auf die im Ausland angebotenen Daten wirft die BA ihm vor, diese bereits ab Oktober 2006 bis zu seiner Anhaltung am 22.12.2008 auf eigene Datenträger überführt zu haben, und zwar in vollem Bewusstsein seines illegalen Vorgehens entgegen den internen Prozessen und Regeln der Bank. Es ist von einer erhebliche Menge an Daten auszugehen, die er unbefugterweise aus mehreren getrennten Systemen beschaffte, um diese neu zu ordnen bzw. in Relation zu setzten. Die beschuldigte Person hat Daten und Informationen über Bankkunden persönlicher wie finanzieller Art zusammengetragen und dabei ganze Kundenprofile erstellt, um sie - wie die BA annimmt -, zumindest in der Anfangszeit im Libanon zu versilbern.

Der im Ausland mitunter als Held gefeierte französisch-italienische Staatsbürger soll sich für die ihm vorgeworfenen Taten vor einem Schweizer Gericht verantworten. Die Schweizerische Strafprozessordnung schliesst ein Gerichtsverfahren bei Abwesenheit der beschuldigten Person nicht aus. Die BA hat beim Bundestrafgericht in Bellinzona die Anklageschrift eingereicht. Die zur Anklage gebrachten Tatbestände sind qualifizierter wirtschaftlicher Nachrichtendienst: (Art. 273 Abs. 2 Schweizerisches Strafgesetzbuch; StGB), unbefugte Datenbeschaffung (Art. 143 Abs. 1 StGB), Verletzung des Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 Abs. 1 StGB) sowie Bankgeheimnisverletzung (Art. 47 Abs. 1 lit. a Bankengesetz). Neben der betroffenen Bank haben sich auch einige Bankkunden als Privatkläger im Verfahren konstituiert.

Die Rolle einer weiteren ehemaligen HSBC-Angestellten, zu der er eine persönliche Beziehung unterhielt und mit der er in den Libanon reiste, stellte sich im Nachhinein als untergeordnet dar. Die franko-libanesische Staatsbürgerin schien den Geheimnisverrat bei den Aktivitäten im Libanon nicht als solchen zu erkennen. Bezüglich dieser Person wurde das Verfahren im September eingestellt

Für die beschuldigte Person gilt bis zum rechtskräftigen Urteil des Gerichts die Unschuldsvermutung. Mit der Einreichung der Anklageschrift geht die Zuständigkeit für die Information der Medien an das Bundesstrafgericht in Bellinzona über.


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