Neue Erneuerbare auf Integrationskurs

Villigen, 10.10.2014 - Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht einen starken Ausbau der neuen erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie vor. Die Integration dieser dezentral und mit zeitlichen Schwankungen produzierten Energie stellt die Stromnetze vor eine grosse Herausforderung. Eine mögliche Lösung besteht darin, Stromüberschüsse, die die Netze überlasten würden, zur Herstellung energiereicher Gase wie Wasserstoff oder Methan zu nutzen. So wäre die elektrische Energie in chemischer Energie zwischengespeichert. Die Gase kann man später bei Bedarf wieder in elektrischen Strom, Wärme oder Bewegungsenergie (in Gasmotoren) umsetzen. Das als Power-to-Gas bezeichnete Konzept steht im Mittelpunkt der neuen Energy System Integration-Plattform (ESI) am PSI.

Mehr erneuerbar produzierter Strom soll die Energiezukunft der Schweiz nachhaltiger und umweltfreundlicher machen. So sieht es die Energiestrategie 2050 des Bundes vor. Eine Zunahme von Wind- und Solarstrom im geplanten Ausmass stellt aber die Stromnetze vor eine grosse Herausforderung. Denn bläst der Wind kräftig und scheint die Sonne hell, kann es zur Überproduktion von Strom kommen. Das Stromnetz kann aber nur so viel Strom aufnehmen wie gerade verbraucht wird, andernfalls wird es überlastet und gerät aus dem Gleichgewicht. Der erneuerbare Strom muss in solchen Fällen „abgeregelt“ werden – so der Fachbegriff für die abgewürgte Einspeisung ins Netz. Das ist umso bedauerlicher, als dieser Strom nachts oder bei Windflaute nicht mehr zurückgeholt werden kann – zumindest bis jetzt.

Erneuerbare Energie, die nicht ins Stromnetz gelangt, ist eine verpasste Chance, das Klima zu schützen – und teuer ist es in Europa auch noch. Die Netzbetreiber des Landes Schleswig-Holstein müssen jährlich rund 25 Millionen Euro an Entschädigungen zahlen, weil sie vor allem den an der Nordsee produzierten Windstrom zeitweise nicht ins überlastete Netz aufnehmen können.

Strom in Gas speichern

Eine mögliche Lösung dieses Problems steht im Mittelpunkt der neuen ESI-Plattform am PSI, bekannt ist die Technologie als Power-to-Gas. Das heisst: Erneuerbarer Strom, der im Überfluss anfällt, soll zu einem energiereichen Gas wie Wasserstoff oder Methan (synthetisches Erdgas) umgewandelt werden. So wird die überschüssige elektrische Energie in Form von chemischer Energie gespeichert. Die gasförmigen Energieträger können lange gelagert und weit transportiert werden. Bei Bedarf werden sie wieder in Strom oder Wärme umgewandelt. Neben der Versorgung von Haushalten, Gewerbe und Industrie ist auch eine Nutzung als Treibstoff möglich zum Beispiel in Erdgasfahrzeugen oder in Brennstoffzellenautos. Bei diesen Anwendungen in der Mobilität arbeitet das PSI mit dem "Future Mobility Demonstrator" der Empa in Dübendorf zusammen.

Das Power-to-Gas-Konzept besteht aus zwei Schritten: Erstens wird der überschüssige Strom dazu genutzt, um mithilfe eines Elektrolyseurs Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Im zweiten Schritt wird der Wasserstoff unter Zugabe von CO2 zu synthetischem Erdgas (Methan) weiterverarbeitet.

Einzelne Komponenten der Power-to-Gas-Technologie sind seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung am PSI. So etwa die Polymerelektrolyt-Membran und die Kathodenkatalysatoren, die den Kern des Elektrolyseurs bilden. Auch in der Methanherstellung – insbesondere aus Biomasse – kennen sich PSI-Forschende aus. Zudem verfügt das PSI über eine umfangreiche Expertise in Technologien für die Wiederverstromung der Speichergase. Dies ist der langjährigen PSI-Forschung an Brennstoffzellen, Verbrennungsmotoren und Gasturbinen zu verdanken.

Erfahrung sammeln auf der Systemebene

Bei der ESI-Plattform geht es nun darum, all diese bisher isoliert erforschten Bausteine erstmals in ihrem komplexen Zusammenspiel zu untersuchen. Ziel der Forschenden ist es, ein Anlagensystem mit einer Leistung von 100 Kilowatt zu realisieren. Damit will man durch gemeinsames Experimentieren Erfahrungen gewinnen, die über das Testen einzelner Komponenten hinausgehen. Mit der Anlage möchte man die Grenzen des technisch Machbaren in Bezug auf Power-to-Gas ausloten sowie die Kosten und die Möglichkeiten der Skalierung auf einer Anlage im Megawattbereich herausfinden. Die Anlage soll auch Industrieunternehmen mit einem Interesse an der Power-to-Gas-Technologie dazu dienen, ihre Ideen und Innovationen zu testen. In diesem Sinne ist die ESI-Plattform Teil des einzigartigen Angebots für Unternehmen, die sich im Park InnovAARE ansiedeln werden.

Zusammenarbeit von zwei Kompetenzzentren

Dank Fachwissen und Infrastruktur nimmt das PSI eine schweizweit bedeutende Rolle in der Energieforschung ein. Zwei der im Rahmen des Aktionsplans „Koordinierte Energieforschung Schweiz“ vom Bund initialisierten Kompetenzzentren für Energieforschung (Speicherung und Bioenergie) werden vom PSI geleitet. Auf der ESI-Plattform wird nun eine der grossen Herausforderungen der Energiestrategie 2050 von diesen beiden Kompetenzzentren gemeinsam in Angriff genommen – nämlich die Einbindung ins Netz einer stark ausgebauten Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Als Teil der Arbeiten auf der ESI-Plattform werden auch ganzheitliche Energiesystemanalysen durchgeführt. Dabei werden ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt und Vergleiche mit alternativen Lösungen zu Power-to-Gas angestellt.

Text: Leonid Leiva

 

Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 1900 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 350 Mio.

 


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