„Der schönste Berg der Schweiz“

Bern, 06.10.2014 - Gornergrat (Zermatt), 06.10.2014 - Rede von Bundespräsident Didier Burkhalter anlässlich der offiziellen Umbenennung der Ostspitze in Dunantspitze - Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident Cina,
Sehr geehrter Herr Burgerpräsident Biner,
Monsieur Bugnion,
Meine Damen und Herren,

Das Lebenswerk von Henry Dunant ist ein Berg. Nicht ein Berg der einen Schatten wirft, sondern ein Berg, der die Welt mit seinem Schein erhellt. Es ist ein Berg, der Würde spendet, der Menschlichkeit ausstrahlt und dorthin bringt, wo es am bittersten nötig ist. Das Lebenswerk von Henry Dunant ist der schönste Berg der Schweiz.

Einen Berg umzutaufen ist kein alltägliches Ereignis. Es ist ein Akt von historischer Tragweite, der noch jahrzehntelang, ja, vielleicht jahrhundertelang Gültigkeit behalten wird. Es ist deshalb nicht etwas, das man leichtfertig macht. Die Gemeinde Zermatt und der Kanton Wallis waren sich dessen bewusst, als sie den Entscheid zur Umbenennung der Ostspitze in Dunantspitze fällten: Für eine aussergewöhnliche Persönlichkeit wurde diese aussergewöhnliche Geste gemacht.

Vor 151 Jahren hat der Bundesrat die „höchste Spitze“ in „Dufourspitze“ umbenannt. Er würdigte damit Guillaume-Henri Dufours Verdienste als „friedensstiftender“ General und herausragenden Kartograf. Dufour nahm im gleichen Jahr an der Gründung der Vorläuferorganisation des IKRK teil, zusammen mit Henry Dunant. Ein Jahr später, am 22. August 1864 wurde die erste Genfer Konvention „betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ unterschrieben. Damit kam ein Stein ins Rollen, der zu einem Berg heranwachsen sollte.

In den letzten 150 Jahren seit der Unterzeichnung der ersten Genfer Konvention hat sich das humanitäre Völkerrecht gewaltig weiterentwickelt, gewandelt, angepasst. Es hat nichts von seiner Aktualität eingebüsst, im Gegenteil: im Kontext von Bürgerkriegen und asymmetrischer Kriegsführung ist die Anzahl schutzbedürftiger Personen nach wie vor sehr hoch.

Doch immer wieder bedecken Wolken den Berg, den Henry Dunant geschaffen hat. Immer wieder haben wir das Gefühl, das humanitäre Völkerrecht drohe im Kriegsgetümmel unterzugehen. Es liegt an uns, die Wolken zu verjagen, damit der Berg alle Ecken der Welt mit seinem Schein erhellt.

Vor wenigen Wochen kam ein Mitarbeiter des IKRK, Laurent, getragen von diesen Zielen in die Ukraine. Er war da, um den Menschen in der grössten Not zu helfen. Am vergangenen Donnerstag ist Laurent in Donezk umgekommen.

Sein Tod ist inakzeptabel und er zeigt uns, wie verletzlich Menschen in Kriegsgebieten sind – gerade auch jene, die sich für eine Linderung des Leids einsetzen. Er zeigt zudem, mit welchem Mut und Engagement sich auch heute noch Menschen dafür einsetzen, Henry Dunants Ideale in die Welt hinauszutragen. Die Würdigung, die wir heute Henry Dunant erweisen, ist auch eine Anerkennung. Für die tausenden von anonymen und mutigen Menschen, die, wie Laurent, sich dafür engagieren, damit die Werte des Roten Kreuzes leben.
   
Wenn wir heute den jüngsten und schönsten Berg der Schweiz taufen, sollen wir uns der drängendsten humanitären Herausforderungen bewusst sein. Wir müssen noch mehr tun für die Anwendung des bestehenden humanitären Völkerrechts.

Zusammen mit dem IKRK hat die Schweiz eine Initiative lanciert, um die Umsetzung der Ideen von Henry Dunant zu stärken. Wir möchten ein Staatengremium zu schaffen, das sich regelmässig und systematisch mit der Respektierung des humanitären Völkerrechts befasst und damit verbundene Herausforderungen angeht. Dies wäre ein grosser Stein, ein wichtiger Beitrag, um Dunants Idee der Menschlichkeit im Krieg für künftige Generationen zu sichern und zu stärken.

Meine Damen und Herren,

Die beiden höchsten Gipfel der Schweiz heissen ab heute Dufour- (4634 m ü. M.) und Dunantspitze (4632 m ü. M.). Sie tragen die Namen zwei der grössten Bürger dieses Landes, zwei Bürger, die durch ihr Engagement das Schicksal von Millionen von Soldaten, Kriegsgefangenen, Verwundeten und Zivilpersonen geprägt und verbessert haben und uns heute noch inspirieren. Wir sind stolz auf sie und wir sind uns bewusst, dass ihr Engagement vor 150 Jahren eine Verantwortung für uns bedeutet.

Nächstes Jahr wird eine Seilschaft, bestehend aus einem Vertreter des IKRK, einem Vertreter der Gemeinde Zermatt und einem Vertreter des Aussendepartements die Dunantspitze besteigen. Sie werden dort eine Tafel anbringen, um uns und unsere Nachfahren daran zu erinnern, dass die Idee der Menschlichkeit selbst im Krieg niemals aufgegeben werden darf.

Ich möchte heute mit dieser Botschaft der Gemeinde Zermatt bereits eine andere Tafel überreichen, die in der neuen Monte Rosa Hütte aufgehängt wird.

Sie soll den Wanderern als Inspiration dienen, auch als Staatsbürger hohe Ziele anzustreben, so wie es Henry Dunant und Guillaume-Henri Dufour taten.

Mögen diese Berge, die so schöne Namen tragen und so starke Werte vertreten, unser Land, Europa und die Welt erhellen. Mögen sie die Jugend der Welt daran erinnern, wie wichtig Engagement und Grosszügigkeit ist. Wie wichtig es ist, die Werte der Menschlichkeit hochzuhalten.   


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