Fernmeldeüberwachung: Hohe gesetzliche Hürden schützen Grundrechte

Bern, 01.07.2014 - Wenn es um die Aufklärung von schweren Straftaten geht, gibt es ein grosses öffentliches Interesse, dass die Polizei auch Informationen zum Telefon- oder Mailverkehr auswerten kann. Dasselbe gilt, wenn es um die Suche nach vermissten Menschen in Not geht. Weil der Gesetzgeber die Verwendung gespeicherter Daten durch hohe gesetzliche Hürden einschränkt, ist auch der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte gerechtfertigt. Das ist der Kern der Begründung, mit welcher der Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) die Gesuche von sechs Mitgliedern der Digitalen Gesellschaft Schweiz ablehnt.

Die Gesuchsteller hatten kritisiert, dass die Fernmeldedienstanbieterinnen (FDA) aufgrund des geltenden Rechts die Verkehrs- und Rechnungsdaten (auch Rand- oder Vorratsdaten) aller ihrer Kundinnen und Kunden sechs Monate aufbewahren müssen, um sie bei Bedarf für die Strafverfolgung zur Verfügung stellen zu können. Vom Dienst ÜPF hatten die Gesuchsteller in sechs identischen Gesuchen vom 20. Februar 2014 verlangt, die FDA anzuweisen, von ihnen keine Randdaten mehr zu speichern, vorhandene Daten zu löschen und künftig keine Daten an Behörden herauszugeben. Der Dienst ÜPF hat die Gesuche eingehend geprüft und nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Justiz nun abgelehnt.

Hohe gesetzliche Hürden

Die geltende Gesetzgebung sieht die Speicherung von Randdaten vor, damit die FDA den zuständigen Behörden in Strafverfahren und bei der Suche nach Vermissten im Einzelfall die erforderlichen Daten herausgeben können. Es handelt sich dabei nicht um Gesprächsinhalte, sondern ausschliesslich um Informationen darüber, wer mit wem wann wie lange wo und mit welchen technischen Mitteln kommuniziert hat. Diese Informationen können helfen, strafbares Verhalten im Nachhinein nachzuvollziehen oder den Aufenthaltsort vermisster Personen zu ermitteln (Notsuche).

Auf diese Randdaten haben Polizei und Staatsanwaltschaften aber nicht unbeschränkt Zugriff. Das Gesetz sieht hohe Hürden vor: So können Polizei und Staatsanwaltschaften die Daten nur einsehen, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind. In Straf- und Rechtshilfeverfahren darf die Überwachung namentlich nur angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen besteht; zudem muss die Schwere der Straftat die Überwachung rechtfertigen. Schliesslich ist erforderlich, dass die bisherigen Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden. Zur Notsuche ist die Überwachung nur dann zulässig, wenn dringende Anhaltspunkte für eine schwere Gefährdung von Gesundheit  oder Leben der vermissten Person vorliegen.

Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, wird in jedem Einzelfall von Amtes wegen durch ein Gericht geprüft. Der Blick in die Statistik zeigt, dass es in etwa einem Prozent aller Delikte zu einer Überwachung kommt. Konkret standen 2013 den 725'678 Delikten 10'860 Überwachungen gegenüber, wobei wie üblich mehrere Überwachungen auf ein Delikt entfielen.

Eingriff in die Grundrechte ...

Jede Fernmeldeüberwachung, auch der Zugriff der Behörden auf die von den FDA gespeicherten Randdaten, stellt einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, konkret in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis. Aber auch in die Meinungsfreiheit greift die Randdatenspeicherung indirekt ein, da diese das Vertrauen der Menschen in die Kommunikationsmittel beeinträchtigen und ihr Kommunikationsverhalten entsprechend beeinflussen kann.

Gemäss Bundesverfassung ist ein Eingriff in die Grundrechte nur unter klar definierten Umständen zu rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass eine genügende gesetzliche Grundlage für den Eingriff besteht. Der Eingriff muss zudem einem öffentlichen Interesse oder dem Schutz von Grundrechten Dritter dienen und verhältnismässig sein.

... insgesamt gerechtfertigt

Im vorliegenden Fall wird eine genügende gesetzliche Grundlage durch das Bundesgesetz

 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF), die zugehörige Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) und die Strafprozessordnung gewährleistet. Das öffentliche Interesse liegt in der Aufklärung von Straftaten und in der Rettung vermisster Personen in Not.

Verhältnismässig ist der Grundrechtseingriff vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber alle Aspekte der Post- und Fernmeldeüberwachung umfassend geregelt hat, um den Eingriff auf das erforderliche Mass zu beschränken. So müssen nicht nur die oben dargestellten Voraussetzungen erfüllt sein und von einem Gericht geprüft werden. Die FDA sind zudem auch verpflichtet, die Daten, die sie aus geschäftlichen Gründen und für die Rechnungsstellung ohnehin aufbewahren, vertraulich zu behandeln und vor unerlaubtem Zugriff zu schützen.

Mit diesen Vorkehrungen gegen missbräuchliche Zugriffe auf die gespeicherten Daten trägt der Gesetzgeber der Schwere des Grundrechtseingriffs Rechnung. Diese Lösung erlaubt es, die zu wahrenden öffentlichen und privaten Interessen an einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung schwerer zu gewichten als den Eingriff in das Grundrecht der von der Vorratsdatenspeicherung betroffenen Personen. Insgesamt ist der Grundrechtseingriff also gerechtfertigt.

Aus all diesen Gründen lehnt der Dienst ÜPF die Gesuche nach eingehender Prüfung und Rücksprache mit dem Bundesamt für Justiz ab. Gegen die Verfügung kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden.


Adresse für Rückfragen

Nils Güggi, Dienst ÜPF, ISC-EJPD, T +41 31 323 36 21



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