Schweizer Theaterpreise 2014

Winterthur, 22.05.2014 - Rede von Bundesrat Alain Berset anlässlich der Verleihung der Schweizer Theaterpreise in Winterthur, 22. Mai 2014 – Es gilt das gesprochene Wort.

Le théâtre - le pays du vrai

Kulturpessimismus ist bekanntlich einfacher als Kulturoptimismus und entsprechend stärker verbreitet: Googelt man „Kulturoptimismus" erhält man 11‘000 Resultate, bei „Kulturpessimismus" sind es über 100‘000. Der Kulturpessimismus begegnet uns auf Schritt und Tritt und kündigt uns das Ende an: Das Ende des Buches, das Ende der Zeitungen oder das Ende der öffentlichen Debatten.

Fest steht: Wir googeln, wir twittern, wir streamen - unser Leben wird immer virtueller. Da fragt sich manch einer: Ist das auch das Ende des klassischen Mediums Theater? Das Ende einer Kunstform also, die in den Worten Ariane Mnouchkines höchst ambitiös ist: „Le théâtre a charge de représenter les mouvements de l'âme, de l'esprit, du monde, de l'histoire".

Ein Smiley fürs Theater?

Kann dieses Medium der Aufklärung, dieser Spiegel der Gesellschaft und unserer Befindlichkeit heute noch relevant sein? Kann das Theater uns noch produktiv irritieren, also jenseits der billigen Provokation? Kann das Theater noch unseren sozialen und politischen Horizont erweitern?

Oder, auf das digitale Zeitalter gemünzt: Kann es uns noch einen Smiley abnötigen? Oder falls es keine Komödie ist - was im deutschen Sprachraum ja vorkommen soll - das Gegenteil eines Smileys? Aber da sind wir schon beim Problem - aus kulturpessimistischer Sicht: Das Gefühlsspektrum der Facebook-Welt scheint etwas schmal. Es gibt nur Likes und keine Dislikes. Und was ist eigentlich das Gegenteil eines Smiley? Ein Cryly? Ein Sadly?

Die kulturpessimistische Sicht zur Lage des Theaters ist natürlich nicht neu. Schon 1927 erklärte Bertolt Brecht kategorisch: „Das Theater ist so tot, als es nur sein kann." Es gab und gibt auch die Denkschule, die fest ans Theater glaubt. So wie Oscar Wilde, der einst über eine Premiere schrieb: „Das Stück war ein grosser Erfolg. Nur das Publikum ist durchgefallen."

Theater ist authentisch und unmittelbar

Im Ernst: Im Theater steckt auch heute noch viel Zukunft. Trotz der Logik der Einschaltquote, die seit 20 Jahren auch das Kulturleben prägt. Trotz des Internets, das uns Zugang zum Weltwissen verschafft und also das Theater - oberflächlich gesehen - als antiquierte Lernanstalt erscheinen lässt. Trotz unserer potentiellen Bekanntschaft mit fünf Milliarden Mitmenschen im Internet, die den Gang zu einer Schaubühne scheinbar überflüssig macht.

Das Theater hat einen riesigen Vorteil: Es ist nicht virtuell. Es ist authentisch und unmittelbar - selbst wenn das Theater mit modernen Medien arbeitet, etwa dem Internet. Victor Hugo machte 1830 eine wichtige Unterscheidung. Er sagte: „Le théâtre n'est pas le pays du réel." Die Bäume sind aus Karton, die Diamanten sind aus Glas und die Sonne steigt aus dem Bühnenboden auf. Echt ist das Theater nicht, aber wahr: „C'est le pays du vrai: il y a des cœurs humains dans les coulisses, des cœurs humains dans la salle, des cœurs humains sur la scène."

Das Theater hat nicht weniger Zukunft als zu Zeiten Victor Hugos. Es wäre ja auch seltsam, wenn das Zweidimensionale das Dreidimensionale verdrängen würde. Im Kino hat 3-D ja gerade Hochkonjunktur. Die Sehnsucht nach umfassendem Eintauchen, nach Authentizität ist stark.

Theater ist eines der realistischsten Medien

Das Theater ist der Gegenentwurf zur virtuellen Kommunikationswelt. Der Theaterabend bleibt ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis. So gesehen, ist das Theater heute eines der realistischsten Medien. Echte Menschen auf der Bühne, echte Menschen im Publikum und zwar als Kollektiv, als temporäre Gesellschaft, vielleicht sogar als temporäre Gemeinschaft.

Das Theater bringt uns zusammen - in einer Zeit der Atomisierung. Das Bedürfnis, zusammen etwas zu erleben, wird immer stark sein. Theaterfestivals sind denn auch heute häufig Publikumsrenner. Gerade, weil Theater der Kontrapunkt zur Kultur des Bildschirms ist, ist es heute aktuell.

Deshalb ist es ein guter Zeitpunkt, um erstmals die Schweizer Theaterpreise zu vergeben.

Omar Porras, lauréat 2014 du Grand Prix

Le théâtre a besoin de metteurs en scène engagés qui innovent. Omar Porras, le lauréat 2014 du Grand Prix, en est un parfait exemple, avec un théâtre coloré, à même de captiver et d'émouvoir. L'artiste puise dans le vif, laissant en coulisses les faux débats, comme celui entre la culture du divertissement et la culture savante.

Dans ses pièces, il combine avec brio tous ces éléments qui font le théâtre: la langue, la musique, la danse, mais aussi les masques et les marionnettes sans oublier de somptueux costumes. Ses œuvres montrent toute la richesse que permet l'art dramatique.

La victoire est à la hauteur du défi, Omar Porras est un digne lauréat du Grand Prix suisse de théâtre. Ce prix est attribué à une personnalité du théâtre helvétique. Il prend le relais de l'Anneau Reinhart qui, distinction théâtrale suprême de notre pays, a été décerné par la Société suisse du théâtre de 1957 à 2013.

Un véritable lieu de rendez-vous

Une rencontre nationale dédiée au théâtre est essentielle, parce que le théâtre l'est aussi et parce qu'il faut un lien de rencontre entre tous ceux qui aiment le théâtre.

C'est aussi un pont entre les régions linguistiques qui ont développé chacune leur propre culture théâtrale et qui accueilleront la manifestation à tour de rôle. Prix et Rencontre se combinent parfaitement, car ces événements ont tous deux des objectifs nationaux.

Un contributo alla Svizzera reale

La cerimonia di premiazione odierna e le giornate che seguiranno sono una grossa opportunità di scambio culturale, dialogo e incontro per il variegato mondo teatrale svizzero. Un grande grazie quindi a tutti quelli che l'hanno reso possibile, in particolare l'Unione dei teatri svizzeri e il teatro di Winterthur.

L'Incontro svizzero dei teatri è un contributo alla Svizzera reale. A una Svizzera in cui ci si conosce, in cui si parla con gli altri - non degli altri. Forse la realtà svizzera è meno spettacolare delle sue idealizzazioni - in compenso ha davvero a che vedere con noi.


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