Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit dem Völkerrecht verbessern

Bern, 15.03.2013 - Künftig soll noch vor der Unterschriftensammlung überprüft werden, ob eine Volksinitiative mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Zudem soll das Parlament neu auch Volksinitiativen ungültig erklären können, die den Kerngehalt der Grundrechte verletzen. Der Bundesrat hat am Mittwoch entsprechende Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt. Die Vernehmlassungc dauert bis zum 28. Juni 2013.

Nach geltendem Verfassungsrecht erklärt das Parlament eine Volksinitiative für ungültig, wenn sie den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts widerspricht. Dazu zählen zum Beispiel das Verbot von Völkermord, Folter und Sklaverei sowie das "Non-refoulement-Gebot". Volksinitiativen, die übriges Völkerrecht verletzen, unterbreitet das Parlament hingegen Volk und Ständen zur Abstimmung. Können solche Volksinitiativen im Fall einer Annahme auf Gesetzesstufe nicht völkerrechtskonform umgesetzt werden, gerät die Schweiz in eine schwierige Situation: Entweder sie wendet geltendes Verfassungsrecht nicht oder nur teilweise an oder sie verletzt völkerrechtliche Verpflichtungen.

Der Bundesrat hatte sich in zwei Berichten von 2010 und 2011 intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Er hatte zur Entschärfung zwei Massnahmen vorgeschlagen, welche die Volksrechte so weit als möglich schonen sollen. Das Parlament hat die Stossrichtung der Berichte begrüsst und den Bundesrat mit zwei Motionen beauftragt, eine konkrete Vorlage auszuarbeiten.

Materielle Vorprüfung: eine Entscheidhilfe

Die materielle Vorprüfung ist eine Dienstleistung zugunsten der Initiantinnen und Initianten und der Stimmberechtigten. Das vorgeschlagene Verfahren ergänzt die bereits heute von der Bundeskanzlei durchgeführte formelle Vorprüfung. Noch vor der Unterschriftensammlung prüfen das Bundesamt für Justiz (BJ) und die Direktion für Völkerrecht (DV) den Entwurf des Initiativtextes. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme halten sie fest, ob das geplante Volksbegehren mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist.

Das Ergebnis der Stellungnahme ist für das Initiativkomitee rechtlich nicht bindend. Im Falle eines Konflikts zwischen Initiativtext und Völkerrecht ist es frei, wie es mit dem Prüfungsergebnis umgehen will: Es kann den Initiativtext anpassen oder mit der Unterschriftensammlung für den unveränderten Text beginnen. Das Initiativkomitee muss aber das Ergebnis der Stellungnahme auf den Unterschriftenbogen abdrucken. Stimmberechtigte, welche die Unterzeichnung des Volksbegehrens erwägen, erhalten damit eine Zusatzinformation und eine Entscheidhilfe. Die alleinige Zuständigkeit des Parlaments, über die Gültigkeit von zustande gekommenen Volksinitiativen zu entscheiden, wird durch die materielle Vorprüfung nicht angetastet.

Den Kerngehalt der Grundrechte schützen

Die Einführung der materiellen Vorprüfung schliesst nicht aus, dass weiterhin Volksinitiativen grundlegenden menschenrechtlichen Bestimmungen widersprechen können. Deshalb schlägt der Bundesrat als zweite Massnahme vor, die Gültigkeitserfordernisse für Verfassungsrevisionen massvoll zu verschärfen. Das Parlament würde künftig eine Volksinitiative auch dann für ungültig erklären, wenn sie den von der Bundesverfassung anerkannten Kerngehalt der Grundrechte verletzt. So wäre zum Beispiel eine Volksinitiative für die Wiedereinführung der Todesstrafe ungültig, weil sie das in der Bundesverfassung verankerte Recht auf Leben verletzen würde. Da sich der Kerngehalt der Grundrechte der Bundesverfassung in weiten Teilen mit wichtigen völkerrechtlichen Garantien deckt, stärkt dieser zusätzliche Ungültigkeitsgrund die Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit den wichtigsten völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.

Drei Vorlagen

Die materielle Vorprüfung erfordert eine Ergänzung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte. Die Erweiterung der Ungültigkeitsgründe bedingt eine Verfassungsänderung. Das Parlament beziehungsweise Volk und Stände können beiden Massnahmen zustimmen. Sie können aber auch nur eine der beiden Massnahmen annehmen. Um diese Wahlfreiheit zu ermöglichen, hat der Bundesrat die vorgeschlagenen Verfassungs- und Gesetzesänderungen in drei Vorlagen aufgeteilt.


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