Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung stärken das Selbstbestimmungsrecht

Bern, 16.11.2012 - Mit dem Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutzrechts auf den 1. Januar 2013 wird eine klare und einheitliche rechtliche Grundlage für den Vorsorgeauftrag und für die Patientenverfügung geschaffen. Die beiden Instrumente stärken das Selbstbestimmungsrecht: Wer rechtzeitig vorsorgt, kann sicherstellen, dass sein Wille respektiert wird, falls er später beispielsweise infolge Krankheit oder Unfall urteilsunfähig werden sollte.

Jede handlungsfähige Person kann mit einem Vorsorgeauftrag festlegen, wer sich im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit um ihre Betreuung und die Verwaltung ihres Vermögens kümmern und sie bei Rechtsgeschäften vertreten soll. Sie muss die Aufgaben der beauftragten Person, die eine natürliche oder eine juristische Person (z. B. eine Bank oder Organisation) sein kann, möglichst genau umschreiben. Sie kann auch Weisungen erteilen, wie diese Aufgaben zu erfüllen sind und etwa bestimmte Vermögensanlagen verbieten. Die Vertretung kann umfassend gelten oder beschränkt werden (z. B. auf finanzielle Angelegenheiten). Ein Muster für einen umfassenden und einen eingeschränkten Vorsorgeauftrag ist auf der Website von Curaviva Schweiz abrufbar.

Formvorschriften verhindern Missbräuche

Wer einen Vorsorgeauftrag errichtet, trifft eine Entscheidung von grosser Tragweite. Deshalb sind bestimmte Formvorschriften vorgesehen: Der Vorsorgeauftrag muss entweder wie ein Testament von Hand geschrieben, datiert und unterzeichnet oder durch ein Notariat öffentlich beurkundet werden. Damit wird vermieden, dass insbesondere betagte Personen ein von Dritten verfasstes Papier unterschreiben, ohne sich hinreichend über dessen Inhalt Rechenschaft zu geben.

Die Errichtung des Vorsorgeauftrags sowie dessen Hinterlegungsort kann beim Zivilstandsamt im Personenstandsregister (Infostar) eingetragen werden. Auf diese Weise stellt die betroffene Person sicher, dass ihr Vorsorgeauftrag nicht toter Buchstabe bleibt. Im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit erkundigt sich die Erwachsenenschutzbehörde beim Zivilstandsamt, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt, und prüft gegebenenfalls, ob er gültig errichtet worden ist. Sind sämtliche Voraussetzungen für seine Wirksamkeit erfüllt, händigt die Erwachsenenschutzbehörde der beauftragten Person eine Urkunde aus, worin ihre Aufgaben und Rechte festgehalten sind.

Erwünschte medizinische Massnahmen bestimmen

Nach geltendem Recht ist es den Kantonen freigestellt, ob und wie sie die Patientenverfügung gesetzlich regeln wollen. Das neue Erwachsenenschutzrecht ersetzt im Interesse der Rechtssicherheit die (teilweise unterschiedlichen) kantonalen Erlasse durch eine für die ganze Schweiz geltende Regelung. Mit einer Patientenverfügung kann eine urteilsfähige Person festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt und welche sie ablehnt. Sie kann auch eine Person bezeichnen, die an ihrer Stelle über die medizinischen Massnahmen entscheiden soll.

Die Patientenverfügung muss schriftlich errichtet, datiert und unterschrieben werden. Im Gegensatz zum Vorsorgeauftrag genügt somit ein ausgefülltes und unterschriebenes Formular. Sie kann jederzeit geändert werden. Bei verschiedenen Organisationen können ausformulierte Patientenverfügungen bezogen werden, die teilweise mit eigenen Bemerkungen und Ergänzungen versehen werden können. Gewisse Organisationen bieten auch Formulare von Patientenverfügungen an, die sich auf bestimmte Diagnosen beziehen. Eine gute Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit bietet die Dokumentation des Instituts Neumünster.

Ärzte müssen Patientenverfügung beachten

Die Errichtung einer Patientenverfügung und deren Hinterlegungsort können auf der Versichertenkarte eingetragen werden. Zum Eintrag berechtigt sind Ärzte und weitere medizinische Leistungserbringer. Die Ärzte sind verpflichtet, die Versichertenkarte zu konsultieren, bevor sie einen urteilsunfähigen Patienten behandeln. Sie müssen einer allfälligen Patientenverfügung entsprechen, ausser wenn sie unzulässige Anweisungen enthält (direkte aktive Sterbehilfe) oder wenn sie begründete Zweifel hegen, dass sie dem Willen des Patienten entsprechen.

Nur Ärzte und weitere medizinische Leistungserbringer, die mit dem erforderlichen Lesegerät ausgerüstet sind, können die Daten auf der Versichertenkarte abfragen. Da das Lesegerät nicht in jedem Fall ab 1. Januar 2013 vorhanden sein dürfte, empfiehlt es sich, im Portemonnaie einen Hinweis auf Patientenverfügung und deren Hinterlegungsort sowie die Adresse der Vertrauenspersonen aufbewahren. Die Patientenverfügung kann bei Angehörigen oder anderen Vertrauenspersonen sowie beim Hausarzt hinterlegt werden. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Betroffenen im Notfall auf diese Daten zugreifen können.

Hat die urteilsunfähige Person keine Patientenverfügung errichtet oder ist die Patientenverfügung wegen Formmängeln ungültig, berücksichtigen die vertretungsberechtigten Personen den mutmasslichen Willen und die Interessen des Patienten. Das neue Erwachsenenschutzrecht legt fest, welche Personen der Reihe nach berechtigt sind, an Stelle des Patienten über medizinische Massnahmen zu entscheiden: der Beistand mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen, der Ehegatte bzw. der eingetragene Partner oder die eingetragene Partnerin, der Konkubinatspartner, die Nachkommen, die Eltern und schliesslich die Geschwister.


Adresse für Rückfragen

Bundesamt für Justiz, T +41 58 462 48 48, media@bj.admin.ch



Herausgeber

Bundesamt für Justiz
http://www.bj.admin.ch

https://www.admin.ch/content/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-46738.html