Asylsuchende brauchen mehr als Nothilfe
Bern, 05.09.2012 - Allen Asylsuchenden nur noch Nothilfe auszurichten, wie es der Nationalrat bei der Revision des Asylgesetzes vorgeschlagen hat, ist völker- und verfassungsrechtlich hoch problematisch. Zu diesem Schluss kommt ein vom Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen EKM erstelltes Rechtsgutachten.
Der Nationalrat forderte im Juni, dass alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe erhalten sollen - sowohl während der Verfahrensdauer wie auch nach einem Wegweisungsentscheid. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats trägt diesen Entscheid jedoch nicht mit und schlägt vor, renitenten und abgewiesenen Asylsuchenden Nothilfe auszurichten, während alle anderen Asylsuchenden reduzierte Sozialhilfe erhalten sollen.
Aufgrund des Beschlusses im Nationalrat hat die EKM das SKMR beauftragt, ein Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit von Nothilfe für Asylsuchende mit Völker- und Verfassungsrecht auszustellen. Die Autoren Walter Kälin, Alberto Achermann und Jörg Künzli haben im Gutachten den nationalrätlichen Beschluss untersucht, allen Asylsuchenden nur noch Nothilfe zukommen zu lassen. Sie kamen nach Analyse von Völker- und Verfassungsrecht sowie europäischem Recht zu folgenden Schlussfolgerungen:
Die Schweiz muss bei der Nothilfe für Asylsuchende Differenzierungen vornehmen, damit Zumutbarkeit, sich ändernde Verhältnisse und der Zeitfaktor berücksichtigt werden können. So muss primär zwischen Asyl- und Abschiebungsverfahren in Bezug auf Sozialleistungen ein Unterschied bestehen. Asylsuchende im Asylverfahren und Personen, welche die Schweiz zu verlassen haben, müssen differenziert behandelt werden. Die für die Schweiz verbindliche Rückführungsrichtlinie sieht für Personen mit Wegweisungsentscheid die Sicherung des Existenzminimums vor, womit Asylsuchenden während des Verfahrens Leistungen über dem Existenzminimum garantiert werden müssen. Blosse Nothilfe für alle Asylsuchenden würde somit europäische Mindeststandards unterschreiten.
Des Weiteren müssen besondere Bedürfnisse und Verletzlichkeiten von individuellen Asylsuchenden berücksichtigt werden, auch wenn diese nicht zu der Kategorie der besonders vulnerablen Personen gehören. Dabei muss auch der Zeitfaktor berücksichtigt werden: Was für kurze Zeit hingenommen werden kann, kann über Dauer zu Marginalisierung sowie gesundheitlichen Problemen führen. Daher sollten die Leistungen bei langer Verfahrensdauer schrittweise angehoben werden.
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