Sanierung Gotthard-Strassentunnel: Bericht über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf die Kantone Uri und Tessin

Bern, 19.12.2011 - Im Hinblick auf die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels wurde auf Wunsch der ständerätlichen Verkehrskommission ein Bericht zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen erarbeitet. Dieser zeigt auf, dass sich die Erreichbarkeit der Kantone Uri und Tessin bei allen Sanierungsvarianten verschlechtern wird. Es ist aber davon auszugehen, dass das Potenzial, das sich aufgrund der Bautätigkeit ergibt, die negativen Auswirkungen auf den Tourismus und die verladende Wirtschaft insgesamt überwiegen wird.

Der bestehende Gotthard-Strassentunnel muss zwischen 2020 und 2025 umfassend erneuert werden. In einem Bericht an das Parlament hat der Bundesrat Ende 2010 verschiedene Sanierungsvarianten vorgestellt (Vollsperrung für zweieinhalb Jahre ohne Sommeröffnung / Vollsperrung für dreieinhalb Jahre mit Sommeröffnung / Bau einer zweiten Tunnelröhre ohne Kapazitätserweiterung). Auf Wunsch der ständerätlichen Verkehrskommission hat das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im Frühling 2011 einen ergänzenden Bericht zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen dieser drei Varianten in Auftrag gegeben. Inzwischen wurde der Bericht den Verkehrskommissionen der beiden Räte, den beiden Anrainerkantonen Uri und Tessin sowie den Kantonen Graubünden und Wallis zugestellt, welche während der Sanierung mit Ausweichverkehr rechnen müssen.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass alle drei Sanierungsvarianten die Erreichbarkeit der Kantone Tessin und Uri verschlechtern und in gewissen Bereichen negative Auswirkungen mit sich bringen werden. Die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft der Kantone wären laut Bericht aber vergleichsweise gering. Eine allfällige Sperrung des Tunnels wäre zeitlich begrenzt und planbar. Es wäre somit möglich, rechtzeitig ausreichende Verladekapazitäten für Personenwagen und den Schwerverkehr sowie Ausweichrouten zu schaffen. Zu berücksichtigen ist, dass bis zur Sanierung auch der neue Eisenbahnbasistunnel durch den Gotthard zur Verfügung stehen wird. Insgesamt ist laut Bericht davon auszugehen, dass das Potenzial, das sich aufgrund der mit der Sanierung verbundenen Bautätigkeit ergibt, die negativen Auswirkungen auf den Tourismus und die verladende Wirtschaft überwiegen wird. Den Verlusten, welche Tourismus, Gastronomie und Transportgewerbe während der Sanierung erdulden müssen, stellt der Bericht die positiven Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte gegenüber, die sich aus der Sanierung bzw. einem Tunnelneubau voraussichtlich ergeben werden. Die Verluste werden bei einer Vollsperrung ohne Sommeröffnung auf 128 bis 294 Millionen Franken beziffert, das Potenzial für die Wertschöpfung auf rund 585 Millionen. Bei einer Vollsperrung des Tunnels mit Sommeröffnung wären die negativen Auswirkungen etwas weniger ausgeprägt und das Potenzial für die Wertschöpfung wäre etwas höher. Die Einbussen im Tourismus würden beispielsweise reduziert. Bei der Variante Bau einer zweiten Tunnelröhre und anschliessende Sanierung ergäbe sich laut Studie eine noch bessere Wertschöpfungsbilanz: Das entsprechende Potenzial läge bei rund 1,2 Milliarden Franken, die Verluste bei 19 bis 40 Millionen Franken. Der Bau einer zweiten Röhre würde die regionalwirtschaftlichen Risiken somit verringern. Ohne Einbussen ginge es aber auch bei dieser Variante nicht, weil der bestehende Tunnel aufgrund einer kurzen Zwischensanierung ebenfalls einige Monate geschlossen werden müsste und im Unterschied zu den anderen Sanierungsvarianten dann als Alternative kein Bahnverlad zur Verfügung stehen würde.  

Von einer Vollsperrung besonders betroffene Bereiche und Regionen:

  • Tourismus in Locarno und in der Leventina sowie im Bedretto- und Bleniotal: Verlust von 1 Prozent der Bruttowertschöpfung der gesamten Region.
  • In der Transithotellerie wäre mit einzelnen Härtefällen zu rechnen. Stark unter einer Vollsperrung leiden würden die Tankstellen und die Raststätten. Der Bericht rechnet hier mit Umsatzeinbussen zwischen 4 und 7 Millionen Franken pro Jahr. Beim Detailhandel und den Autowerkstätten wäre auf der Gotthardachse ebenfalls mit Einbussen sowie Arbeitsplatzverlusten zu rechnen.
  • In der Transport- und Logistikbranche wären vorab die kleinen Unternehmen betroffen, die auf zeitkritische Transporte spezialisiert sind und wenig Verlagerungsmöglichkeiten haben.
  • Die Attraktivität des Tourismusortes Andermatt würde aufgrund der verlängerten Anreisezeit und der zusätzlichen Verkehrsbelastung verringert, aber nicht prinzipiell in Frage gestellt. 

Vorbereitungszeit nutzen

Für die regionale Wertschöpfung entscheidend ist die Frage, ob bei der Vergabe der Sanierungs- und Bauarbeiten lokale Unternehmen zum Zug kommen werden. Die Studie ortet bei den Baufirmen in den Kantonen Uri und Tessin ein beträchtliches Potenzial - unter der Voraussetzung, dass sie sich rechtzeitig auf den internationalen Wettbewerb vorbereiten, zum Beispiel mit der Bildung von Arbeitsgemeinschaften.Über alle Branchen hinweg wird zudem entscheidend sein, wie gut im Laufe der weiteren Planung die Sanierungs- und Verkehrsmanagementmassnahmen optimiert werden, und ob es der lokalen Wirtschaft gelingen wird, die Zeit bis zur vorhersehbaren Sanierung zu nutzen, um geeignete Massnahmen zur Abfederung der negativen Auswirkungen zu ergreifen. Viel hängt davon ab, wie leistungsfähig der Bahnverlad für Personenwagen, Cars und Lastwagen ausgestaltet wird. Bei den Auswirkungen einer Teil- oder Vollsperrung des Gotthard-Strassentunnels auf Ausweichstrecken, insbesondere auf die San-Bernardino-Route, zeigt sich ein gemischtes Bild: Einerseits werden gemäss Bericht Detailhandel, Gastronomie, Tankstellen und Autowerkstätten entlang der A13 vom Mehrverkehr profitieren. Andererseits wird der Mehrverkehr beträchtliche Immissionen und Lärm mit sich bringen.  

Weiteres Vorgehen

Mit dem Grundlagenbericht vom Dezember 2010 und dem nun vorliegenden Bericht zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen ist eine sachgerechte Diskussion möglich. In eine abschliessende Beurteilung gehören auch finanzielle Aspekte: Die Kosten für Bau, Unterhalt und Betrieb der Strassen sind in der Schweiz in den letzten Jahren stark gestiegen. Das zwingt den Bund, die verschiedenen Projekte gegeneinander abzuwägen und Prioritäten zu setzen. Die drei Sanierungsvarianten für den Gotthardtunnel weisen bei den Investitions- und Betriebsausgaben erhebliche Unterschiede auf: Bei einer Vollsperrung ohne Sommeröffnung ist laut Bericht mit Ausgaben von 1,2 Mia. Franken zu rechnen, bei einer Vollsperrung mit Sommeröffnung erhöhen sie sich auf 1,3 Mia. Franken. Die Variante zweite Tunnelröhre ohne Kapazitätserweiterung wäre mit Ausgaben von 2,7 Mia. Franken verbunden. 

Das UVEK wird den ergänzenden Bericht zu den regionalwirtschaftlichen Auswirkungen nun als nächstes mit den Verkehrskommissionen der beiden Räte besprechen. Danach wird das UVEK alle Elemente würdigen und dem Bundesrat gestützt darauf eine Auslegeordnung und einen konkreten Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten. Ziel ist, die Diskussion im Verlauf des nächsten Jahres einer politischen Entscheidung zuzuführen.  

Der vollständige Bericht sowie weitere Informationen zur Sanierung des Gotthard-Strassentunnel finden sich auf folgender Webseite: http://www.astra.admin.ch/themen/nationalstrassen/04656/04660/index.html?lang=de


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