Konjunkturschwäche in der Schweiz

Bern, 13.12.2011 - Konjunkturtendenzen und Prognosen der Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes – Winter 2011/2012*. Belastet durch das verschlechterte Konjunkturumfeld in der EU sowie den immer noch hoch bewerteten Franken kühlt sich die Schweizer Wirtschaft derzeit stark ab. Ein krisenhafter Konjunktureinbruch wie Ende 2008 zeichnet sich bislang aber nicht ab. Unter der Annahme, dass eine weitere Eskalation der Schuldenkrise im Euroraum vermieden werden kann, sollte die Konjunkturschwäche in der Schweiz begrenzt und von relativ kurzer Dauer bleiben. Die Expertengruppe rechnet für 2012 mit einem schwachen BIP-Wachstum (+0,5%), gefolgt von einer Erholung 2013 (+1,9%). Die Arbeitslosigkeit dürfte sich 2012 als Folge des Konjunkturtiefs vorübergehend spürbar erhöhen.

Internationale Konjunktur
Die internationale Konjunktur präsentiert sich gegen Ende 2011 in fragiler Verfassung. Vor allem in Europa schlägt die Verunsicherung an den Finanzmärkten über die Bewältigung der Staatsschuldenkrise zunehmend negativ auf die Konjunktur durch. Dies, weil immer mehr Euro-Länder notgedrungen eine betont restriktive Finanzpolitik (Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen) verfolgen und ausserdem das gesunkene Wirtschaftsvertrauen die private Investitions- und Konsumnachfrage dämpfen könnte. Vor diesem Hintergrund dürfte die Wirtschaftsentwicklung im gesamten Euroraum für einige Quartale sehr schwach verlaufen, was auch eine leichte Rezession bedeuten könnte. Für die weitere Entwicklung der Schuldenkrise geht die Expertengruppe davon aus, dass eine unkontrollierte Ausbreitung vermieden werden kann und sich die angespannte Situation an den Finanzmärkten im nächsten Jahr allmählich beruhigt. Unter dieser Voraussetzung sollte sich die Wirtschaft im Euroraum langsam wieder erholen.

Vergleichsweise weniger schwach als in der EU, wenn auch nicht rosig, ist die Wirtschaftslage in anderen Weltregionen. So konnte die stotternde Konjunktur in den USA nach der Jahresmitte wieder Tritt fassen, während sich die japanische Wirtschaft erwartungsgemäss von der Natur- und Atomkatastrophe des Frühjahrs 2011 erholt. Die Schwellenländer erscheinen - trotz unverkennbarer Abkühlung - relativ robust und dürften weiterhin eine positive Rolle für die Weltwirtschaft spielen.

Aber auch wenn die Beruhigung der aktuellen Krise gelingt, werden die zugrundeliegenden strukturellen Probleme für die Weltwirtschaft noch lange nachwirken. So könnte die notwendige Rückführung der hohen (staatlichen und privaten) Verschuldung in vielen Industrieländern die wirtschaftliche Wachstumsdynamik über Jahre hinweg belasten.

Konjunkturprognose Schweiz
In der Schweiz hat sich die bis Mitte Jahr noch solide Konjunktur im Herbst deutlich abgekühlt. Dass die Wirtschaft im 3. Quartal überhaupt noch ein bescheidenes Wachstum verzeichnete (+0,2% zum Vorquartal), war in erster Linie den anhaltend positiven Impulsen von den Binnensektoren, insbesondere der Bauwirtschaft, zu verdanken. Dagegen hinterlässt die ungünstige Kombination aus schwächerer Weltkonjunktur und des immer noch hoch bewerteten Frankens unübersehbare Bremsspuren bei den Exporten und den
Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen. Die Wechselkursuntergrenze der SNB hat die Währungssituation für die Unternehmen zwar stabilisiert und dadurch leicht entschärft. Allerdings ist der Franken auch beim gegenwärtigen Kursniveau (rund 1,23 CHF/EUR) noch sehr hoch bewertet und drückt auf die internationale Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen.

Vor dem Hintergrund der bis zuletzt weiter verschlechterten Stimmungsindikatoren zeichnet sich für den kurzfristigen Ausblick (Winter 2011/2012) eine sehr schwache - allenfalls für einzelne Quartale sogar leicht schrumpfende - Wirtschaftsentwicklung ab. Die Indikatoren weisen aber nicht auf einen krisenhaften Konjunktureinbruch wie Ende 2008 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hin.

Aufgrund der schlechteren Konjunkturlage in der EU und den entsprechenden Wirkungen auf den Schweizer Exportsektor erachtet es die Expertengruppe als wahrscheinlich, dass die Konjunkturdelle in der Schweiz etwas ausgeprägter ausfällt als in der letzten Prognose (September 2011) erwartet. Die BIP-Wachstumsprognose für 2012 wird leicht auf 0,5% (bisher 0,9%) gesenkt. Die grundsätzliche Einschätzung der September-Prognose wird jedoch beibehalten und geht nicht von einem starken Einbruch aus. Ab  dem zweiten Halbjahr 2012 sollte die Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnehmen. Entsprechend dürfte sich das BIP-Wachstum 2013 auf 1,9% beschleunigen.

Zur positiven Konjunkturwende dürften sowohl die Exporte als auch die solide inländische Nachfrage beitragen. Mit anziehender Konjunktur auf den Auslandmärkten ist davon auszugehen, dass die Schweizer Exporte wieder zulegen werden, selbst wenn ein hoch bleibender Frankenkurs die Verbesserung etwas bremsen könnte. Anhaltend positive Impulse sind von den Bauinvestitionen zu erwarten. Zwar dürften diese angesichts der mittlerweile erreichten Rekordstände ihren Wachstumsgipfel überschritten haben, doch wird vor allem der Wohnungsbau weiter durch die tiefen Zinsen und die wachsende Bevölkerung gestützt. Beim privaten Konsum dürfte positiv zu Buche schlagen, dass die tieferen Inflationsraten die Realeinkommen der privaten Haushalte stärken.

Am Arbeitsmarkt zeigten sich im Herbst 2011 erste Anzeichen für eine negative konjunkturbedingte Wende. Im Oktober und im November nahm die Arbeitslosigkeit (auf saisonbereinigter Basis) erstmals seit zwei Jahren wieder leicht zu. Eine rapide Verschlechterung zeichnet sich aber bislang nicht ab: Verschiedene vorlaufende Arbeitsmarktindikatoren deuten für die nähere Zukunft auf ein nachlassendes Beschäftigungswachstum, nicht aber einen unmittelbar bevorstehenden Rückgang hin. Im Verlauf von 2012 dürften sich die Schwächetendenzen am Arbeitsmarkt weiter verstärken. Die Expertengruppe geht davon aus, dass die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote von derzeit 3,0% im nächsten Jahr kontinuierlich bis auf einen Höchststand von 3,9% Ende 2012 steigen wird, ehe sie im Verlauf von 2013 allmählich wieder sinken dürfte. Im Jahresdurchschnitt bedeutet dies Arbeitslosenquoten von 3,1% für 2011, 3,6% für 2012 sowie 3,7% für 2013.

Konjunkturrisiken
Die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der europäischen Schuldenkrise stellen eindeutig das grösste Konjunkturrisiko dar. Zentrale Voraussetzung für einen glimpflichen Konjunkturverlauf (international wie in der Schweiz) ist, dass es nicht zu einer grossflächigen internationalen Bankenkrise kommt. Denn dies hätte potenziell gravierende Auswirkungen auf die Realwirtschaft (z.B. durch eine ausgeprägte Kreditverknappung für Unternehmen). Die hohe Nervosität an den Finanzmärkten ist ein Beleg, dass bezüglich des Risikos einer unkontrollierten Ausweitung der Krise noch keine Entwarnung gegeben werden kann.

Umgekehrt dürfte sich eine nachhaltige Vertrauensberuhigung an den Finanzmärkten deutlich positiv auswirken. Zum einen würde die Schweizer Wirtschaft von der damit verbundenen Aufhellung der Konjunkturaussichten im Euroraum profitieren. Zum anderen könnte es zu einer Tieferbewertung des Frankens kommen (wegen nachlassender Safe-Haven-Effekte), was dazu beitragen würde, die schwierige Wechselkurssituation für die Schweizer Unternehmen zu entspannen.

*Die Expertengruppe des Bundes für die Konjunkturprognosen publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose von Dezember 2011 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die aktuelle Ausgabe der «Konjunkturtendenzen», eine vierteljährliche Publikation des SECO, integriert diese Prognosen und vertieft weitere Aspekte der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklung. Diese Publikation  erscheint in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Oktobernummern der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (www.dievolkswirtschaft.ch). Sie sind ebenfalls kostenlos auch im Internet als pdf-Datei abrufbar, unter http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de


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