Zeitmessung: Atomuhren der Weltklasse

Bern-Wabern, 21. März 2006, 21.03.2006 - Die Schweiz ist wieder Weltspitze in der Zeitmessung: Einem Forscherteam des Observatoriums Neuenburg gelang es, die modernste Cäsium-Atomuhr der Welt weiter zu stabilisieren. Das ist ein entscheidender Durchbruch auf dem Weg zu einer noch genaueren Zeitmessung.

Wie viele Forscher und Forscherinnen geben sich Metrologen mit dem Erreichten nie ganz zufrieden. Das bestätigt sich am Projekt Fontaine Continue Suisse (FOCS) und hat zu einem weiteren, unerwarteten Erfolg geführt. 1997 hat das Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) dem Observatorium Neuenburg (ON) den Auftrag erteilt, eine hoch genaue Atomuhr zu entwickeln, die auf einem kontinuierlichen Strahl von kalten Cäsium-Atomen basiert. Der Schweizerische Nationalfonds und der Kanton Neuenburg finanzierten dieses Projekt mit.

Weltweit einzigartiges Prinzip

Von Projektbeginn weg schlugen die ON-Forscher unter der Leitung von Pierre Thomann eigene Wege ein. FOCS 1 ist das erste und bisher einzige so genannte Frequenznormal der Welt, das auf dem Prinzip eines kontinuierlichen Strahls kalter, das heisst stark verlangsamter Cäsium-Atome beruht. In einem Frequenznormal geht es darum, die Eigenfrequenz von Atomen mit äusserster Genauigkeit zu bestimmen. Dies ist umso besser möglich, je länger die Atome zur Beobachtung zur Verfügung stehen.

Seit einigen Jahren werden deshalb Atome des Isotops Cäsium-133 mit Hilfe von Lasern auf wenige Millionstel Grad über den absoluten Temperaturnullpunkt (-273.15 °C) abgekühlt. Dank dieser Abkühlung bewegen sich die Atome nur noch mit wenigen Zentimetern pro Sekunde statt – wie bei Raumtemperatur – mit 200 Metern pro Sekunde.

Bisher wurden derart gekühlte Cäsium-Atome jedoch nur paketweise verwendet. Neu ist bei der Fontaine Continue Suisse, dass die Atome zu einem kontinuierlichen Strahl gebündelt werden. Das hat gegenüber dem gepulsten Betrieb unter anderem einen entscheidenden Vorteil:

Würden nämlich weltweit alle Frequenznormale nach dem genau gleichen Prinzip aufgebaut, könnten sich Fehler bei der Bestimmung der Eigenfrequenz einschleichen, die den Forschern verborgen blieben. Mit dem originellen Ansatz der Schweizer Metrologen kann diesem Problem nun begegnet werden. Somit leistet das Projekt einen international wichtigen Beitrag zur Frequenzmetrologie und damit zur Zeitmessung auf höchstem Niveau.

Eine Sekunde Abweichung in 30 Millionen Jahren

Im April 2003 wurde FOCS 1 vom ON ins METAS nach Bern-Wabern transferiert. Dort stehen Laboratorien zur Verfügung, die beste Abschirmung gegen äussere Einflüsse wie Erschütterungen sowie Schwankungen von Temperatur und Feuchtigkeit bieten. Unter diesen Bedingungen ist mit FOCS 1 bereits heute eine Genauigkeit zu erreichen, die einer Abweichung von einer Sekunde in 30 Millionen Jahren entspricht.

Die Kurzzeitstabilität, eine der wichtigsten Charakteristiken eines Frequenznormals, hängt direkt von der Intensität des Atomstrahls ab: Je mehr Atome pro Sekunde zur Verfügung stehen, desto stabiler verhält sich das Instrument. Seit der Auslieferung von FOCS 1 ans METAS suchte deshalb das Forscherteam in Neuenburg nach Wegen, um einen noch stärkeren Atomfluss zu erzeugen.

Den ON-Forschern, die sich bereits mit FOCS 1 international einen Namen geschaffen hatten, gelang nun ein weiterer Durchbruch: Experimente an einem Versuchsaufbau zeigen, dass es mit einer speziellen Technik möglich ist, den kontinuierlichen Strahl kalter Atome nochmals um einen Faktor 40 zu intensivieren.

FOCS 2, die dank starkem Atomstrahl noch stabilere Atomuhr als FOCS 1, wurde Mitte März vom ON ans METAS transferiert, um dort fertig aufgebaut und in Betrieb genommen zu werden. Bestätigen sich die Prognosen der ON-Forscher, so wird dieses Instrument weltweit zum besten Kompromiss zwischen Stabilität und Genauigkeit. Es wird somit einen wesentlichen Beitrag leisten, um die Zeiteinheit Sekunde noch genauer als bisher realisieren zu können.

Genauere Navigation

Mit den beiden Instrumenten FOCS 1 und FOCS 2 verfügt die Schweiz erstmals über so genannte primäre Frequenznormale. Diese sind nicht nur für einige Metrologen von Bedeutung. Je genauer die Frequenzen realisiert werden können, desto genauer funktionieren Satelliten-Navigationssysteme wie das amerikanische Global Positioning System (GPS) oder das sich im Aufbau befindliche europäische System Galileo. Aber auch die Telekommunikation und die Astronomie profitieren von dieser Entwicklung. Zudem verhelfen die neuen Primärfrequenznormale dem Uhrenland Schweiz wieder zu einer führenden Position in der Zeitmessung.

Zuständig für die Realisierung und Verbreitung der offiziellen Schweizer Zeit, betreibt das Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) in Bern-Wabern mehrere kommerzielle Cäsium-Atomuhren. Die neuen, hoch genauen Frequenznormale FOCS 1 und FOCS 2 werden diesen Cäsium-Atomuhren quasi den Takt geben. Zusammen mit 50 weiteren Zeitinstituten auf der ganzen Welt trägt METAS damit zur koordinierten Weltzeit bei, die am Bureau International des Poids et Mesures in Paris ermittelt wird.

Legende zu Bild 1:

Pierre Thomann, Projektleiter FOCS am Observatorium Neuenburg (links), und Gregor Dudle, Leiter des Labors Zeit und Frequenz im Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (METAS) in Bern-Wabern, suchen mit Erfolg nach Wegen, um die Fontaine Continue Suisse (FOCS) weiter zu verbessern. (Bild: METAS)

Legende zu Bild 2:

Die verschiedenen Elemente des Primärfrequenznormals FOCS 1 – der optische Tisch (im Vordergrund), das Vakuumsystem (rechts) und die Steuerelektronik (im Hintergrund) – werden am METAS in einem Labor betrieben, das weitgehend vor Umwelteinflüssen wie Vibrationen sowie Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen geschützt ist. (Bild: METAS)

Die Bilder und der Text können von www.metas.ch/de/medien heruntergeladen werden.


Adresse für Rückfragen

Dr. Gregor Dudle, Leiter des Labors Zeit und Frequenz, Tel. 031 32 33 298, gregor.dudle@metas.ch.


Herausgeber

Eidgenössisches Institut für Metrologie
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