Suizidhilfe: Stärkung des Rechts auf Selbstbestimmung; Bundesrat fördert weiterhin Suizidprävention und Palliative Care

(Letzte Änderung 06.03.2012)

Bern, 29.06.2011 - Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, auf eine ausdrückliche Regelung der organisierten Suizidhilfe im Strafrecht zu verzichten. Er ist zum Schluss gekommen, dass eine Gesetzesänderung verschiedene Nachteile mit sich bringen würde. Die Landesregierung will aber die Suizidprävention und Palliative Care weiter fördern, um die Anzahl der Suizide zu verringern. Das gesamte Massnahmenpaket soll zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts beitragen.

Am 17. September 2010 hatte der Bundesrat das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, die vorgeschlagene Festlegung von Sorgfaltspflichten für Mitarbeitende von Suizidhilfeorganisationen im Lichte der Vernehmlassungsergebnisse zu überarbeiten.

Der Bundesrat ist heute nun zur Ansicht gelangt, dass eine solche Bestimmung lediglich die Verpflichtungen konkretisieren würde, die sich ohnehin aus dem geltenden Recht ergeben (Artikel 115 StGB und 119 MStG): Bereits heute muss nämlich die suizidwillige Person urteilsfähig und ausreichend informiert sein, damit Suizidhilfe zulässig ist. Der Begriff der "selbstsüchtigen Beweggründe" ermöglicht es zudem ebenfalls bereits heute, gegen allfällige finanzielle Missbräuche im Bereich der organisierten Suizidhilfe vorzugehen.

Eine Gesetzesänderung würde auf der anderen Seite verschiedene Nachteile mit sich bringen. So würde sie insbesondere die Suizidhilfeorganisationen staatlich legitimieren, was einen Anreiz schaffen könnte, deren Dienste in Anspruch zu nehmen. Diese Legitimierung könnte den Eindruck vermitteln, dass es schutzwürdiges und nicht schutzwürdiges Leben gibt, und damit die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens relativieren. Ferner würde die Gesetzesänderung gerade in Ärztekreisen auf geringe Akzeptanz stossen. Deren Berufsverband hatte sich in der Vernehmlassung dagegen ausgesprochen, dass die Suizidhilfe eine ärztliche Tätigkeit wird. Er hatte vielmehr dafür plädiert, dass die Verschreibung einer letalen Substanz in der persönlichen Verantwortung der Ärztin oder des Arztes bleibt.

Nach erneuter Prüfung der Situation ist der Bundesrat überzeugt, dass allfällige Missbräuche - wie etwa Suizidhilfe bei nicht urteilsfähigen Menschen, Abgabe von Natrium-Pentobarbital (NaP) ohne ärztliche Verschreibung oder widerrechtliche Lagerung von NaP - mit den heutigen gesetzlichen Mitteln bekämpft werden können. Die einschlägigen Bestimmungen des Strafrechts bieten den Behörden zusammen mit dem Heilmittelgesetz, dem Betäubungsmittelgesetz und den standesrechtlichen Regeln ein geeignetes Instrumentarium, um wirksame strafrechtliche, administrative oder zivilrechtliche Sanktionen zu verhängen. Dieses Instrumentarium hat ausserdem den Vorteil, dass es flexibel und praxisorientiert ist und ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen der staatlichen Schutzpflicht und der Achtung der persönlichen Freiheit bildet.

Die Selbstbestimmung am Lebensende verbessern

Der Bundesrat räumt der Verhinderung von Suiziden weiterhin Priorität ein. Die seit Jahren konstante Zahl der jährlichen Suizide in der Schweiz dürfte infolge der Alterung der Bevölkerung in Zukunft zunehmen. Deshalb will der Bundesrat die Suizidprävention und Palliative Care, die Betreuung und Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten, weiterhin fördern. Im Zentrum steht dabei die Verbesserung der Selbstbestimmung am Lebensende. Um dies zu ermöglichen, sollen der Bevölkerung die Alternativen zum Suizid bekannt gemacht werden.

Der Bundesrat beauftragte das Eidg. Departement des Innern (EDI), eine Weiterführung der Ende 2012 auslaufenden Nationalen Strategie Palliative Care zu prüfen. Das EDI wird zudem die Kantone weiterhin bei der Einführung des Programms zur Früherkennung und Behandlungsoptimierung von Depressionen "Bündnis gegen Depression" unterstützen. Schliesslich wird das EDI eine interdepartementale Arbeitsgruppe einsetzen, die Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege von unheilbar kranken Angehörigen (z. B. Betreuungsurlaub oder Betreuungsgutscheine) vorschlagen soll.


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