Ressourcen und Sicherheit

Bern, 24.06.2011 - Referat von Bundesrat Ueli Maurer, Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), gehalten an der Jubiläums-Mitgliederversammlung der Erdöl-Vereinigung vom 24. Juni 2011 in Bern.

Es gilt das gesprochene Wort!

Wenn wir heute über Ressourcen und Sicherheit sprechen, dann sprechen wir über das älteste Kapitel der Schweizer Konfliktgeschichte: Kurz nach Gründung der Eidgenossenschaft verhängten die Habsburger eine wirtschaftliche Sperre gegen die Urkantone. Der damals schon wichtige Handel und die Einfuhr von Ressourcen aller Art wurden damit unterbunden.[1] Der erste Konflikt, den die junge Schweiz zu bestehen hatte, war also ein Wirtschaftskrieg.

Dass Sie mir „Ressourcen und Sicherheit" als Thema für die heutige Veranstaltung gegeben haben zeigt, dass dieses seine Bedeutung durch die Jahrhunderte behalten hat.

Und tatsächlich: Wenn wir heute über Ressourcen und Sicherheit sprechen, dann sprechen wir nicht nur über das älteste, sondern auch über das aktuellste Kapitel der Geopolitik.

Denn ich meine, wir registrieren bereits jetzt sehr deutlich Veränderungen, die weltweite Machtgleichgewichte beeinflussen und möglicherweise zu neuen Kräfteverhältnissen führen werden. Das ergibt sich allein aus dem einfachen Zusammenhang, dass die Nachfrage nach Ressourcen steigt, die Ressourcen selbst aber in der Regel begrenzt sind. Das steigert die Preise, aber auch die strategische Bedeutung der knappen Ressourcen. Und wenn neue Güter eine neue Bedeutung bekommen, dann ergeben sich daraus auch neue politische Konstellationen.

Schauen wir uns diese Zusammenhänge etwas genauer an; beginnen wir mit der rasch steigenden Nachfrage:

Weltbevölkerung und Wohlstand nehmen zu

Die Weltbevölkerung nimmt zu. Und das sehr schnell: Bevölkerungsstatistiker rechnen mit einem jährlichen Wachstum von um die 80 Millionen Menschen. Jetzt leben bereits gegen 7 Milliarden Menschen auf der Erde. Gemäss UNO-Prognose werden es in den nächsten 10 bis 13 Jahren 8 Milliarden sein[2] - Tausend Millionen Menschen mehr, die auch jeden Tag essen und trinken müssen, die Kleidung und ein Dach über dem Kopf brauchen. Und die alles daran setzen werden, auch irgendwie zu einigen der heiss begehrten modernen Konsumgütern zu kommen.

Nebst dem Bevölkerungswachstum wirkt sich der wachsende Wohlstand auf die Nachfrage aus: Mehr Leute können sich mehr leisten. In kurzer Zeit hat sich die Weltwirtschaft stark verändert. Wenn vor wenigen Jahren von Ländern wie China, Indien, Russland oder Brasilien die Rede war, dachte man unwillkürlich an Armut, an wirtschaftliche Probleme und Stagnation. Das hat sich radikal geändert. Heute ist es gerade umgekehrt: Wenn wir von diesen Schwellenländern hören, denken wir an rasantes Wirtschaftswachstum. 

Deutlich macht sich ein neuer Wohlstand ausserhalb von Europa und Nordamerika an den internationalen Märkten bemerkbar. Neue Käufer- und Konsumentenschichten sind entstanden. Ganz wesentlich beeinflussen diese nun die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft. China ist beispielsweise bereits zum weltgrössten Automarkt geworden.[3]

Der Ressourcenverbrauch steigt

Diese neuen wirtschaftlichen Realitäten bedeuten, dass der Verbrauch zunimmt - der Verbrauch von allem: Seien es seltene Erden oder sauberes Trinkwasser, seien es Nahrungsmittel oder Metalle.

Ganz wesentlich zeigt sich der höhere Verbrauch bei der Energie. Seit Beginn der Sechziger-Jahre führt der Ölkonzern BP eine Statistik über den weltweiten Energiekonsum. Der Verbrauch steigt Jahr für Jahr an, wenige Ausnahmen infolge Krisen ausgenommen. Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen den entwickelten Volkswirtschaften von OECD-Staaten und den neuen Aufsteigern: OECD-Staaten verbrauchten letztes Jahr 3.5% mehr, die andern 7.5%. Die Nicht-OECD-Staaten lagen 2010 63% über dem Verbrauchsniveau von 2000. Der Energieverbrauch Chinas wuchs 2010 um 11.2%; damit überholte China die USA als den weltweit grössten Energiekonsumenten. [4]

Die Verknappung können wir auch bei andern Gütern an den Warenmärkten mitverfolgen: Rohstoffpreise sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen.

Dazu zählen auch die Lebensmittel. In den letzten Jahren sind die Preise für Grundnahrungsmittel teilweise dramatisch in die Höhe geschossen. Die Welternährungsorganisation FAO berechnete für die letzten Jahre in gewissen Regionen einen Anstieg der Grundnahrungsmittel um 60%, für Getreide um 100%.[5]

Preisanstiege in dieser Grössenordnung haben schnell politische Auswirkungen: Wir hörten von der Mais-Krise in Mexiko, von Hunger-Unruhen in Afrika und Asien. Und auch die Revolten in Nordafrika und im arabischen Raum werden in einen engen Zusammenhang mit dem Anstieg der Grundnahrungsmittelpreise gebracht. Da wird der Zusammenhang von Ressourcen und Sicherheit klar sichtbar.

Mehr Güter erhalten strategische Bedeutung

Ich habe zu Beginn gesagt, wenn wir heute über Ressourcen und Sicherheit sprechen, dann sprechen wir gleichzeitig über das älteste und jüngste Kapitel der Geopolitik. Konflikte um Ressourcen sind nichts Neues. Neu ist aber, dass es durch den steigenden Verbrauch bei immer mehr Gütern zu einer Verknappung kommt.

In den letzten Jahrzehnten war vor allem das Öl im Fokus - Öl wurde zum Synonym für die umstrittene Ressource. Bereits im zweiten Weltkrieg war die Beherrschung der rumänischen Ölfelder für die Kriegsparteien ein wichtiges strategisches Ziel. Und seither sind Ölkriege zum festen Begriff geworden.

So wie es Konflikte um das Öl gibt, wird es zunehmend zu Spannungen um weitere Güter kommen, die durch die steigende Nachfrage immer knapper, teurer und somit auch wichtiger werden. Der Öl-Effekt spielt so bei immer mehr Ressourcen.

Was knapp und wichtig ist, weckt Begehrlichkeiten. Umgekehrt kann es auch als Druckmittel eingesetzt werden. So sind Ressourcen ein Konfliktgrund, aber auch selbst eine Waffe in Konflikten.

Wir erinnern uns an den Erdöl-Schock infolge der Export-Restriktionen der OPEC. Oder, aktueller, an den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Da werden Ressourcen zu Machtmitteln, zu Waffen.

Zusammenfassend können wir festhalten: Versorgungsfragen werden immer stärker die Politik dominieren. Wer über Ressourcen verfügt, ist in einer besseren Lage als derjenige, der sich Ressourcen beschaffen muss. Das wird zwangsläufig zu machtpolitischen Verschiebungen führen. Profiteure sind jene, die über Ressourcen verfügen oder sich solche wirtschaftlich beziehungsweise militärisch sichern können.

Die Sicherheit der Energiequellen

Geopolitisch gesehen sind aber auch jene Staaten Profiteure, welche die Risiken von Energiequellen anders beurteilen als wir. Die Diskussion um die Kernenergie sehe ich darum auch in einem machtstrategischen Zusammenhang: Der Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet einen bewussten Verzicht auf eine bedeutende Energiequelle zugunsten des Strebens nach mehr Sicherheit. Das allerdings bringt Staaten in einen klaren Vorteil, die entweder genügend natürliche Ressourcen haben oder aber eine andere Haltung gegenüber der Kernenergie einnehmen.

Die Wettbewerbssituation innerhalb von Europa wird sich verändern. Die einen nehmen bewusst in Kauf, dass sich ihre Energiekosten verteuern und dass sie von Lieferungen aus dem Ausland abhängig sind. Andere gewinnen dadurch einen Standortvorteil, indem sie sicherstellen, dass sie genügend und günstige Energie anbieten können.

Eine noch wichtigere Verschiebung steht uns aber möglicherweise zwischen Europa und Asien bevor: Indien und China setzen ganz bewusst und im grossen Stil auf den Ausbau der Kernenergie. Sie schaffen sich ein neues Ressourcenpotential und damit einen wirtschaftlichen und auch machtpolitischen Vorteil. Dagegen wählen viele Länder in Europa den umgekehrten Weg: Sie streben nach mehr Sicherheit, schmälern aber mit dem Ausstiegsentscheid ihre Ressourcenbasis und müssen in Zukunft höhere Energiepreise, zunehmende Abhängigkeit und einen dauernden politischen Versorgungsstress bewältigen. Das wird die Gewichtsverlagerung von West nach Ost zusätzlich beschleunigen.

Letztlich müssen wir eine Güterabwägung vornehmen: Auf der einen Seite haben wir den Wunsch nach möglichst hoher Sicherheit der Energiequellen, auf der andern Seite steht der Wunsch nach einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft, nach Komfort und nach Wohlstand. Wir sind also auf der Suche nach einer Balance, die durch einen soliden, langfristigen Konsens getragen ist.

Die Versorgung einer modernen Gesellschaft mit Energie ist nie ganz ungefährlich. Auf welche Energiequelle man auch setzt, frei von Risiko ist keine. Staudämme können brechen, Öltanker, Ölleitungen oder Ölbohrplattformen können lecken; wir erinnern uns an den Unfall der Exxon Valdez oder an das Unglück im Golf von Mexiko im letzten Jahr. Im Augenblick des Unglücks dominiert der Schrecken, nach einiger Zeit beurteilt man den Vorfall wieder etwas gefasster. Letzten Sommer wurde heftig über Ölbohrplattformen diskutiert, heute interessieren sich noch die Fachleute dafür. Oft hilft etwas Distanz, um nach sachlichen Lösungen zu suchen, aus den Fehlern zu lernen und die Sicherheit gezielt zu verbessern.

Die Betroffenheit der Schweiz

Was bedeutet das nun für unser Land? Die Schweiz ist als ressourcenarmer Kleinstaat besonders gefordert.

Bisher sind wir von der bequemen Annahme ausgegangen, dass wir uns auf dem globalen Markt stets nach Belieben versorgen können; dass uns für Nahrungsmittel, für Energie oder für Rohstoffe für unsere Industrie immer ein üppiges weltweites Angebot zur Verfügung stehe.

Diese Einstellung prägt unsere Haltung zur heimischen Landwirtschaft: Es gilt dann schnell einmal als teurer Luxus, wenn wir unter topographisch schwierigen Bedingungen Nahrungsmittel produzieren, wo doch die Nahrungsmittelgrossindustrie im Ausland so viel effizienter ist.

Eine ähnliche Haltung bestimmt unsere Energiepolitik. Auch da glaubt man, Strom beispielsweise komme einfach aus der Steckdose. Und wenn nötig, könne man ihn problemlos im Ausland beziehen. Die heimische Energieproduktion wird zu wenig in einem grösseren Zusammenhang gesehen; strategische Überlegungen zur Versorgungssicherheit kommen zu kurz.

Solange der globale Markt spielt, kommen wir damit durch. Aber auf der Welt gibt es nicht nur die Gesetze des Marktes, sondern auch die Gesetze der Macht. Ein Angebot kann an Bedingungen geknüpft werden. Oder Lieferungen können durch Krieg und Krisen ganz unmöglich werden. 

Die Schweiz ist von der neuen strategischen Bedeutung der Ressourcen auf drei Ebenen betroffen:

Eine erste Ebene sind Störungen des Marktes: Die Grossmächte stehen in einem weltweiten Wettlauf um begehrte Ressourcen. Sie sichern sich diese durch strategische Investitionen, etwa indem sie Land, Schürfrechte, Minen usw. erwerben. Sie sichern sich diese aber auch durch die Einflussnahme auf ressourcenreiche Länder in der Dritten Welt oder durch militärische Interventionen.

Dieser Wettlauf der Grossen führt zu Verzerrungen des Marktes und kann sogar in einem gesteuerten, manipulierten Markt enden. Wir sind nicht Direktbetroffene, aber wir können jederzeit den Wellenschlag des Geschehens zu spüren bekommen: Preisschwankungen, massive Preissteigerungen, Versorgungsengpässe - mit jeweils allen wirtschaftlichen Auswirkungen von importierter Inflation bis zu Produktionsausfällen.

Denken wir nur an den Gasstreit, den ich schon erwähnt habe: Davon betroffen waren auch unbeteiligte Balkanstaaten. Und auch Österreich erhielt 90% weniger russisches Erdgas.[6] Oder schauen wir auf die instabile Lage in Nordafrika: Algerien ist vor allem für Südeuropa ein wichtiger Erdgaslieferant. Falls die Unruhen auch auf dieses Land übergreifen, müsste mit Versorgungsstörungen vor allem in Italien gerechnet werden. Sollten solche Mangellagen länger andauern, können sie sich auch auf die Schweiz auswirken.

Eine zweite Ebene ist gezielter Druck auf die Schweiz: Unser Land kann auch direkt in die Mangel genommen werden. Je mehr Güter wir ausschliesslich im Ausland erwerben, desto stärker wird unsere Abhängigkeit. Und früher oder später wird diese auch gegen uns verwendet. Dass der Tonfall in den internationalen Beziehungen in den letzten Jahren wieder aggressiver geworden ist und auch Drohungen miteinschliesst, haben wir ja bereits erlebt. Ich meine, wer mit schwarzen Listen droht, der ist bereit, auch andere Mittel der Erpressung einzusetzen.

Es wäre auch eine Illusion zu glauben, in der modernen, vernetzten Wirtschaft wolle niemand den Güterfluss stören, weil er damit seine eigene Wirtschaft ebenso belaste. Das gehört zum zwischenstaatlichen Kräftemessen: Erinnern wir uns beispielsweise an die 24-Stunden-Regel, mit der uns die EU drohte. Danach hätten Warentransporte bis zu 24 Stunden im Voraus an der EU-Aussengrenze angemeldet werden müssen - die Gegenseite drohte also indirekt damit, einen Verkehrskollaps an den wichtigen Grenzübergängen zu provozieren und damit den Warenverkehr zu erschweren.

Eine dritte Ebene ist der Griff nach unseren eigenen Ressourcen: Schliesslich kann auch die Schweiz direkt wegen unserer Stärken und Guthaben unter Druck geraten.

Denn in einer modernen Wirtschaft sind auch Bankkundeneinlagen und Steuersubstrat Ressourcen. Dazu brauche ich gar nicht mehr viel zu sagen - dieser Ressourcenkonflikt gegen die Schweiz ist bereits im Gang.

Das Sicherheitsdispositiv der Schweiz erweitern

Wenn wir uns so vor Augen führen, wie unser Land bereits betroffen ist oder betroffen sein könnte, stehen wir inmitten sicherheitspolitischer Fragestellungen.

Weil Ressourcenfragen und Landessicherheit schon immer gekoppelt waren - wie wir gesehen haben seit der Staatsgründung -, verfügen wir für kurzfristige Mangellagen auch bereits über bewährte Instrumente: So hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung einen Verfassungsauftrag, vorsorgliche Massnahmen zur Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern in Krisenzeiten zu treffen.[7]

Als Vertreter der Ölindustrie sind Sie Teil der Vorsorgeplanung, indem Sie zu Mindestreserven verpflichtet sind, die den Verbrauch von Benzin, Diesel und Heizöl während einigen Monaten decken.

Das ist ein guter Ansatz. Aber er kann der neuen Bedeutung der Versorgungssicherheit nicht vollumfänglich gerecht werden, weil er sich vor allem auf eher kurze, vorübergehende Störungen im globalen Markt konzentriert. Im Vordergrund stehen hier begrenzte Ausfälle, die mit Vorratsplanung ausgeglichen werden können.

Sicherheitspolitisch hat aber die Versorgungssicherheit noch eine weitere, grössere Dimension. Wir müssen uns mit Szenarien auseinandersetzen, in denen es für bestimmte strategische Güter für eine gewisse Zeit keinen funktionierenden internationalen Markt mehr gibt. Macht ersetzt Markt, heisst das plausible Szenario. Sei es, dass die Güter durch einen Ressourcenkonflikt ausfallen, sei es, dass sie selbst als Waffe zur Durchsetzung von Interessen eingesetzt werden.

Das Sicherheitsdispositiv der Schweiz muss deshalb entsprechend ausgerichtet werden. Die wichtigsten Eckpunkte kann man mit einigen Stichworten umreissen:

Erstens die eigene Produktion stärken: Sei das nun in der Landwirtschaft oder in der Energiegewinnung. Weder Globalisierung noch Nachhaltigkeit dürfen uns in die Abhängigkeit führen.

Zweitens eine interessengeleitete Aussenpolitik betreiben: Versorgungspolitische Ziele sollen in unserer Aussenpolitik einen festen Platz haben. Unsere Aussenpolitik muss Interessenpolitik sein.

Drittens diversifizieren und Abhängigkeiten vermeiden: Wenn immer möglich, muss die Schweiz davon absehen, wichtige Güter von einem einzigen Anbieter zu beziehen. Ganz besonders dann, wenn dieser wegen Instabilität oder machtpolitischen Ambitionen ausfallen könnte.

Sie können diesbezüglich als positives Beispiel gelten: Unsere nachrichtendienstlichen Fachleute sind der Meinung, dass die schweizerische Ölwirtschaft für kurzfristige Versorgungsstörungen gut gerüstet ist. Die Importe sind bezüglich Herkunft und Transportrouten optimal diversifiziert und haben sich in der Vergangenheit bewährt. Sie verfügen zudem über eine routinierte Krisenfestigkeit: Die Krise zwischen der Schweiz und Libyen hat beispielsweise dazu geführt, dass Tamoil seit 2009 den Rohölimport sukzessive reduziert hat. Oder 2010 musste aufgrund mehrwöchiger Streiks in Frankreich die Raffinerie in Cressier die Produktion drosseln. Und im Januar dieses Jahres kenterte auf dem Rhein ein Transportschiff, was zu einer mehrwöchigen Blockierung dieser bedeutenden Wasserstrasse geführt hat. Aber keines der Ereignisse hat die Ölversorgung der Schweiz gefährdet.

Viertens ein einsatzbereites robustes Mittel bereithalten: Wir können nie ausschliessen, dass ein Konflikt die höchste Eskalationsstufe erreicht, jene von Chaos und Gewalt. Und das gerade auch im Zusammenhang mit Versorgungsfragen. Die Versorgung kann Ziel von Sabotage sein. Und eine gestörte Versorgung kann rasch zu einem Zusammenbruch des öffentlichen Lebens führen. Bevölkerung und Wirtschaft sind besonders verletzlich, wenn elementare Bedürfnisse betroffen sind: Wenn es ums Essen, Trinken oder Heizen geht, wenn das Benzin knapp wird oder wenn der Strom ausfällt - Dann kann auch die öffentliche Ordnung ins Wanken geraten. Da wären die Polizeikorps der Kantone personell schnell überfordert.

Unter anderem auch solche Szenarien haben wir vor Augen, wenn wir jetzt am Sicherheitsverbund Schweiz arbeiten. Das ist eine Plattform, die der vertieften Zusammenarbeit von Gemeinden, Kantonen und Bund, der Blaulichtorganisationen, dem Bevölkerungsschutz, der Polizei und der Armee dient. Je nach Lage werden auch Private miteinbezogen. Ziel ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um uns für verschiedene denkbare Eskalationsstufen effizient und unbürokratisch aufzustellen. Weil die zivilen Mittel bald erschöpft sind, spielt die Armee dabei als letzte Sicherheitsreserve eine wichtige Rolle - und weil die letzte Reserve in einer Krise nicht versagen darf, liegt sie mir auch so am Herzen. 

Fazit

Zu Beginn habe ich gesagt, ein Wirtschaftskonflikt sei die erste sicherheitspolitische Herausforderung gewesen, welche die Schweiz ganz am Anfang ihrer Geschichte zu bestehen hatte. Jetzt kann ich ergänzen: Ein Wirtschaftskonflikt hat die Schweiz in der Gegenwart im Zusammenhang mit unserem Banken- und Finanzplatz um die Ressource Kapital zu bestehen. Und ich kann unschwer die Vorhersage wagen, dass auch der nächste Konflikt wegen oder mittels Ressourcen ausgetragen wird.

Wenn durch Bevölkerungs- und Wohlstandswachstum immer mehr Güter knapp und die bereits knappen Güter immer noch knapper werden, dann nimmt damit auch deren Wichtigkeit zu - sie erhalten eine strategische Bedeutung. So wie es in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten um Öl gekommen ist, wird es in Zukunft vermehrt auch zu Konflikten um andere Ressourcen kommen.

Die Vertreter der Ölwirtschaft wird das möglicherweise nicht gross erstaunen. Sie befassen sich professionell mit einem Gut, das seit Jahrzehnten eine strategische Bedeutung hat. Wechselweise stehen Sie im Epizentrum oder zumindest an den Randzonen der weltpolitischen Beben.

Wir andern jedoch müssen uns rechtzeitig auf eine neue Schärfe des Verteilkampfes einstellen und alles daran setzen, die Schweiz so zu positionieren, dass wir auch in Zukunft unseren Wohlstand und unsere Unabhängigkeit wahren können!

[1] Peter Dürrenmatt, Schweizer Geschichte, Zürich 1963, S. 25
[2] United Nations Press Release, World Population to reach 10 billion by 2100 if Fertility in all Countries Converges to Replacement Level, New York, 3 May 2011
[3] http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/autohandel_europa_1.9091699.html
[4] BP Statistical Review of World Energy, June 2011, S. 2
[5] http://www.fao.org/isfp/background/en/, nachgeschlagen am 17. Mai 2011
[6] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/441626/Ukraine_Gazprom-will-dem-Westen-das-Gas-ganz-abdrehen
[7] Art. 102 BV


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