Korallen belegen Wechsel zum Warmwassermodus im Atlantik

Dübendorf, 04.01.2011 - Dank ihrer Jahrringe erlauben Tiefseekorallen Rückschlüsse auf die frühere Zusammensetzung ihrer Nahrung und somit auf die damaligen Wassertemperaturen. Ein Team von Forschenden von Eawag, Uni Basel und der Universität Neufundland (Kanada) hat sich dieses „Klima-Archiv“ zu Nutze gemacht und einschneidende Veränderungen der Meeresströmung im Nordatlantik sei den 1970er Jahren nachgewiesen. Der Einfluss des kalten Labradorstroms nimmt gegenüber dem warmen Golfstrom kontinuierlich ab. Diese Änderung ist einzigartig für die letzten 2000 Jahre. Das belegt der Vergleich mit fossilen Tiefseekorallen, beschreiben die Wissenschafter in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „PNAS“.

Eines der ältesten bekannten Wettersysteme ist die Nordatlantische Oszillation (NAO), der periodische Wechsel der Luftdruckunterschiede zwischen den Azoren und Island. Es bestimmt nicht nur, ob die Winter in Europa kalt und trocken oder nass und warm sind, sondern beeinflusst auch die Meeresströmung im Nordatlantik. Auf dem Kontinentalsockel vor Neuschottland scheint die NAO die Wechselwirkung verschiedener Wassermassen zu steuern. Während positiven Phasen der NAO bestimmt eine mit 10 Grad Celsius relativ warme, aus dem Golfstromsystem entspringende, salz- und nährstoffreiche Wassermasse die Ozeanografie des nordwestamerikanischen Kontinentalrandes. Befindet sich die NAO in einer negativen Phase, ist die Labradorströmung prägend, eine mit 6 Grad Celsius relativ kalte und nährstoffärmere Wassermasse, welche  subpolaren Gebieten entspringt. Ein internationales Forschungsteam um die beiden Biogeochemiker Prof. Moritz Lehmann (Universität Basel) und Dr. Carsten Schubert (Eawag -  Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs) konnte nun mit neuen geochemischen Methoden nachweisen, dass in den frühen 1970er-Jahren im westlichen Nordatlantik ein einschneidender Wechsel zu einem «Warmwasser-Modus» stattgefunden hat. Dieser mit der globalen Klimaerwärmung zeitlich einhergehende und möglicherweise mit ihr in direkter Verbindung stehende Vorgang ist für die letzten 2000 Jahre einmalig. 

Korallen speichern Klimadaten

Die Forschenden machten sich zunutze, dass Wassermassen wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft unterschiedliche Stickstoffisotopensignaturen (unterschiedliche Verhältnisse der stabilen Stickstoffisotope 15N und 14N) aufweisen. Diese Isotopensignale werden in der Biomasse von Tiefseekorallen in mehreren hundert Metern Tiefe eingebaut, die sich von aus dem Oberflächenwasser herabsinkenden organischen Partikeln ernähren. Die Tiefseekorallen erlauben so eine Rekonstruktion der Meeresströmungsverhältnisse der letzten Jahrzehnte.  Eine genaue Datierung der einzelnen Proben wird dadurch erleichtert dass die Korallen gut aufzutrennende Jahresringe ausbilden. Die Forschenden konnten eine klare Abnahme des 15N/14N-Verhältnisses seit 1970 nachweisen, was darauf hindeutet, dass die kältere Labradorströmung, die ein höheres 15N/14N aufzeigt, in den letzten Jahrzehnten eine immer weniger wichtige Rolle einnimmt. Mögliche andere biologisch-ökologische oder geochemische Ursachen für eine derartige Veränderung der Isotopenverhältnisse konnten von den Forschenden mittels komponentenspezifischer Stickstoffisotopenanalysen der Korallen ausgeschlossen werden. Je nach Nahrungskettenstruktur verändert sich das 15N/14N-Verhältnis bestimmter Aminosäuren in den einzelnen Jahresringen der Koralle. Die Stickstoffisotopensignaturen der Aminosäuren bezeugen, dass Nahrungsketteneffekte zumindest in den letzen 70 Jahren keine wichtige Rolle spielten. 

Klimaerwärmung mit Folgen

Die Isotopenanalyse von fossilen Tiefseekorallen aus derselben Gegend bestätigte, dass sich die Stickstoffisotopensignaturen und damit die Meeresströmungsverhältnisse in den knapp 2000 Jahren zuvor so gut wie nicht verändert haben. Dies deutet darauf hin, dass die ozeanografische Meeresströmungsveränderung seit den 1970er-Jahren in diesem Ausmass innerhalb der letzten 2000 Jahre einzigartig zu sein scheint. Die Forschenden vermuten eine direkte Verbindung zwischen den Meeresströmungsveränderungen im Nordatlantik und der hauptsächlich durch den Menschen verursachten globalen Klimaerwärmung.  


Adresse für Rückfragen

Prof. Dr. Moritz Lehmann, Universität Basel, Institut für Umweltgeowissenschaft, Bernoullistrasse 30, 4056 Basel, Tel: +41 (0)61 267 30 16, E-Mail: Moritz.Lehmann@unibas.ch

Dr. Carsten J. Schubert, Eawag – Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, Seestrasse 79, 6004 Kastanienbaum,
Tel. +41 (0)44 823 51 04, E-Mail: carsten.schubert@eawag.ch


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Eawag: Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs
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