Patricia Highsmith in der Schweizerischen Landesbibliothek

Bern, 07.03.2006 - Ihre Romane faszinierten Alfred Hitchcock und Wim Wenders, ihr Antiheld Tom Ripley wurde von Alain Delon und Matt Damon verkörpert: Patricia Highsmith hat manches Drehbuch inspiriert. Sie ist für die Literatur, was Hitchcock für den Film ist – die Meisterin der Spannung. Die Ausstellung „Patricia Highsmith“ in der Schweizerischen Landesbibliothek ermöglicht es nun, in die abgründige Welt dieser Autorin einzutauchen. Das Schweizerische Literaturarchiv hat ihren Nachlass geöffnet und zeigt anhand von Originalobjekten erstmals einen Einblick in ihre Werkstatt. Die Ausstellung dauert vom 10. März bis zum 10. September 2006. Sie ist auch an Sonntagen und Feiertagen geöffnet.

1995 stirbt im Spital von Locarno Patricia Highsmith. Seit 1988 lebte sie zurückgezogen im Tessiner Dorf Tegna. 1964 war die Texanerin im Alter von 43 Jahren nach Europa emigriert, hatte einige Jahre in England und Frankreich gelebt, bevor sie sich 1981 als weltbekannte Autorin in der Schweiz niederliess. Nach ihrem Tod kam ihr Nachlass ins Schweizerische Literaturarchiv, wo er betreut und erschlossen wird.
 
Zwei Etiketts haften Patricia Highsmith an: „Krimiautorin“ ist das eine, „Lesbenautorin“ das andere. Mit „Zwei Fremde im Zug“ (1950), „Der talentierte Mr. Ripley“ (1955), „Der Schrei der Eule“ (1962) und rund zwei Dutzend weiteren Titeln schrieb sie sich in die vorderen Ränge der Thriller-AutorInnen. Mit „Salz und sein Preis“ schuf sie 1952 einen Klassiker der Lesbenliteratur.
 
Beide Klassifizierungen greifen jedoch zu kurz. Die Ausstellung in der Schweizerischen Landesbibliothek macht in acht Etappen die Vielfalt der Themen deutlich, die Patricia Highsmiths Leben und Werk durchziehen: Familie als Heimat und Hölle, Fantasie und Verbrechen, Moral normal, Musik und Kunst, Die Häuser, Seltsame Sammler und Züchter, Die Gesellschaft als Gefängnis oder Die universelle Observation, Porträt mit Spiegel.

Eine eigene Moral

Highsmith zeigte ein grosses Interesse für Neurotiker und Psychopathen, wenn nicht gar eine zärtliche Zuneigung. Den Wunsch des Publikums nach Gerechtigkeit in Erzählungen und Romanen empfand sie als Ärgernis. Indem sie die Regeln des Kriminalromans auf den Kopf stellte, entwickelte sie ihre eigenen Begriffe von Gerechtigkeit, Moral und Ethik. Eine „moralische Auflösung“ ihrer Erzählungen und Romane schloss sie im Vornherein aus.
 
Die Eigenheit ihrer Intrigen und die beunruhigende Kraft ihrer Antihelden brachte Highsmith die Aufmerksamkeit zahlreicher ausserordentlicher Künstler: Truman Capote, Alfred Hitchcock, Paul Bowles, Graham Greene, Arthur Koestler, Peter Handke, Wim Wenders, um nur die wichtigsten zu nennen.

Die Hölle sind die anderen

Die breite Anerkennung brachte Highsmith in ihrer inneren Unrast nicht zur Ruhe. „Hell is the other“ – „Die Hölle sind die anderen“, pflegte sie zu sagen. Als Homosexuelle hatte sie seit ihrer frühen Jugend in Texas das Gefühl und Bewusstsein, nicht in die soziale Norm zu passen. Später war sie als in Europa lebende Amerikanerin Aussenseiterin – fremd, wo sie wohnte, und fremd in ihrem Heimatland. Die scheue Autorin Patricia Highsmith spiegelt sich in vielfältiger Weise in ihren Helden, denen sie viel von ihren sozialen Ängsten verleiht. Tom Ripley, den sexuell ambivalenten Mörder, bezeichnete sie als ihre Lieblingsfigur, die ihr zu einer Art zweitem Ich wurde.
 
Die Tagebücher, Briefe und anderen Dokumente aus dem Nachlass im Schweizerischen Literaturarchiv zeigen die gegenseitige Verflechtung von Leben und Werk bei Patricia Highsmith, die mit ihren scheinbar privaten Romanen sehr viel an gesellschaftlicher Stimmung eingefangen und mit unbestechlichem Auge die labilen Fundamente unserer Normalität offen gelegt hat.
 
Die Ausstellung wird in Koproduktion mit der Stadt Zürich realisiert und vom 21.3. bis 27.5. 2007 im Museum Strauhof gezeigt.


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