Prix Meret Oppenheim 2009

Bern, 21.12.2009 - Das Bundesamt für Kultur hat auf Empfehlung der Eidgenössischen Kunstkommission die Prix Meret Oppenheim 2009 vergeben. Die Auszeichnungen gehen an die Künstlerin und Kuratorin Ursula Biemann, an die Künstlerinnen Ingrid Wildi, Muda Mathis und Sus Zwick, an den Künstler Christian Marclay sowie an den Architekten Roger Diener. Jeder Preis ist mit 35'000 Franken dotiert.

Die Prix Meret Oppenheim werden dieses Jahr zum neunten Mal verliehen. Sie gehen an Schweizer Kunstschaffende, Architektinnen und Architekten sowie Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler, die älter als 40 Jahre sind und deren Arbeit von besonderer Aktualität für die Kunst und Architektur der Gegenwart sind.

Im Rahmen der Preisvergabe werden mit den Preisträgerinnen und Preisträgern Interviews geführt. Sie erscheinen im Frühjahr 2010 in der vom Bundesamt für Kultur (BAK) herausgegebenen Publikation «Prix Meret Oppenheim 2009» als Beilage zum Kunst Bulletin. Zur Buchvernissage im Mai 2010 wird eine öffentliche Preisverleihungsfeier in Basel stattfinden.

Ursula Biemann
Mit Ursula Biemann (*1955) zeichnet die Jury eine Videokünstlerin, Theoretikerin und Kuratorin aus, die sich seit vielen Jahren intensiv mit den territorialen und sozialen Verwerfungen in der Folge der Globalisierung auseinandersetzt. In Arbeiten wie «Geography and the Politics of Mobility» (Generali Foundation Wien, 2003), «Black Sea Files» (Kunstwerke Berlin, 2005), «The Maghreb Connection» (Kairo, Genf 2006), oder «Sahara Chronicle» (2006/7) spürt sie den Waren- und Menschenströmen in ihren geopolitischen Ursachen, in den mikrogeographischen Strukturen und den existenziellen Folgen für die Einzelnen nach. Ihre Projekte entstehen aus der Zusammenarbeit mit den Betroffenen, mit Kulturtheorikerinnen, Anthropologen, NGO-Verantwortlichen, Architektinnen u.a. und in gross angelegten kollaborativen Projekten mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Unter der Regie von Ursula Biemann verbinden sich so vielfältige Perspektiven zu einem Panorama, das die Nähe zu den Betroffenen sucht.

Ursula Biemann war von 1995 bis 1998 Kuratorin an der Shedhalle in Zürich, unterrichtete von 2000 bis 2003 an der HEAD in Genf und forscht heute am Institut für Theorie der Gestaltung und Kunst ZhdK. Im Jahr 2008 erhielt sie den Ehrendoktor der Universität von Umea in Schweden.

Roger Diener
Roger Diener (*1950) ist einer der grossen Namen der aktuellen Architektur. Mit dem Büro Diener & Diener Architekten, das einen Sitz in Basel und in Berlin unterhält, steht Roger Diener für eine Fokussierung auf die urbane Architektur in allen Massstäben, vom privaten Wohnhaus über den öffentlichen Grossbau bis hin zum den urbanistischen Masterplan. Ausgangspunkt seiner Projekte ist die genaue Analyse des Ortes als geschichtliches Artefakt, das auf der Basis komplexer ökonomischer, politischer und sozialer Strukturen entstand. Diese Strukturen können gelesen und mittels präziser Setzungen weitergeschrieben werden. Die architektonische Sprache von Diener & Diener steht für Zurückhaltung und formale Beschränkung, für eine Eleganz, die den nachfolgenden Generationen schon zu einer «klassischen» geworden ist.
Roger Diener lehrt seit 1999 als Professor für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Zusammen mit Pierre de Meuron, Jacques Herzog und Marcel Meili führt er das Studio Basel, Institut Stadt der Gegenwart. 2002 verlieh ihm die Académie Française den Architekturpreis für das Gesamtwerk.

Christian Marclay
Christian Marclay ist ein vielseitiger Künstler und ständig in Bewegung. Seit dreissig Jahren durchdringt die Musik sein Werk und bewirkt eine Überlegung über die Hybridisierung der Träger, Arten und Genres. Er ist einer der seltenen zeitgenössischen Künstler, der die Musik mit der bildenden Kunst verbindet: Abwechslungsweise ist er Performer, Bildhauer, Fotograf und Videokünstler, aber auch Musiker, Komponist und DJ.

Geboren im Jahre 1955 in San Rafael, Kalifornien, von Schweizer Eltern, verbrachte Christian Marclay seine Jugend in Genf. Nach zwei Studienjahren an der Hochschule für visuelle Kunst, von 1975 bis 1977, beendete er seine Ausbildung in den USA, am Massachussetts College of Art in Boston. Gegenwärtig lebt er in London. Im Jahr 1979 spielte er zusammen mit dem Gitarristen Kurt Henry in der Gruppe «The Bachelors, even» und realisierte seine ersten Performances mit Platten und Plattenspieler. Parallel zu den Performances entwickelte er ein plastisches Werk, stets mit der Welt der Musik verbunden (Tape Fall, 1989; White Noise, 1993; Grand Piano, 1994 ; Drumkit, 1999). Spielerisch und lärmend in seinen Performances, leise in seinen Installationen, ist Christian Marclay im Zentrum des laufenden Diskurses der zeitgenössischen Künstler über die Stellung des Objektes, seine Verbindung zum andern und zur Gesellschaft. Marcel Duchamp ist nie sehr weit weg.

Seit 1983 wird Christian Marclay von zahlreichen Galerien und Museen eingeladen, seine Arbeit zu präsentieren und neue sonore und visuelle Sprachformen zu inszenieren. Im Jahr 1995 vertrat er die Schweiz an der Biennale von Venedig mit einer Installation für die Kirche von San Stae. In letzter Zeit wurde seine Arbeit im Mamco in Genf 2008, sowie 2007 in der Cité de la Musique in Paris gezeigt.

Muda Mathis und Sus Zwick
Das Künstlerinnenduo Muda Mathis (*1959 in Zürich) und Sus Zwick (*1950 in Fribourg) ist für seine humorvoll-kritischen und hintersinnigen, mit leiser Selbstironie umspielten Aktivitäten in den Bereichen Performance, populäre Musik, Video und Fotografie bekannt. Namentlich über ihre Auftritte mit der Band «Les Reines Prochaines» haben sich die Künstlerinnen nicht nur international ein breites Publikum erschlossen, sie haben auch einer jüngeren Generation von Künstlerinnen und Künstlern Modelle für ein gleichermassen künstlerisches wie gesellschaftliches Agieren aufgezeigt. Ebenso bedeutend ist ihr Engagement für die Performanceszene Schweiz, sei es anlässlich von Festivals wie «ACT» oder im Rahmen des Programms des «Kaskadenkondensators» in Basel. Bei Muda Mathis und Sus Zwick bleiben die Grenzen zwischen Performance, Installation und Videoarbeiten immer fliessend. In bildhaft pointierter Form und mit grosser Stilsicherheit ausgestattet navigieren sie

in einem Spektrum aus kaleidoskopischer Vielfalt durch kühne Stilwechsel, thematisieren cross-gender und andere gesellschaftliche Fragen. Die beiden Künstlerinnen leben und arbeiten in Basel, wo Muda Mathis seit Jahren an der Hochschule für Gestaltung und Kunst HGK Basel lehrt.

Ingrid Wildi
Gegenwärtig wird in der Kunstwelt eine breite Auseinandersetzung um Themen der Migration, der interkulturellen Kommunikation und der Geschlechterrollen geführt. Dieser Ansatz ist bei Ingrid Wildi eine seit Jahrzehnten biographisch fundierte Praxis. 1963 in Santiago de Chile geboren, muss sie 1981 mit ihrer Familie in die Schweiz emigrieren, wo sie seit ihrer Ausbildung in Zürich und in Genf mit zahlreichen Einzelausstellungen präsent ist, u.a. 2004 im Kunsthaus Aarau und im Centre d‘ Art Contemporain in Genf. 2005 war sie Teil der Gruppenausstellung im Schweizer Pavillon an der Biennale Venedig. Ingrid Wildi ist ein Vorbild für viele jüngere KünstlerInnen und Künstler, seit kurzem auch als Dozentin in Genf. Für ihre Videos hat sie eine sehr persönliche Schnitttechnik entwickelt, die uns einzelne Menschen ungewöhnlich nahe bringt, ohne ihnen zu nahe zu treten. Sie gewährt ihnen Raum, manchmal sogar die Anonymität, die zum Schutz vor Verfolgung nötig ist. Wildis Arbeiten konfrontieren nicht nur die Kunstwelt mit den Anliegen der Bedrohten und Ausgegrenzten; «Los invisibles» (2007) werden auch von den „Sans papiers" der Pariser Banlieu heftig diskutiert. Politik ist nicht einfach Gegenstand der Kunst; Kunst machen und über die soziale Segregation hinweg engagiert zu vermitteln ist bei Ingrid Wildi selbst ein Politikum.

 


Adresse für Rückfragen

Andreas Münch, Leiter Dienst Kunst, Bundesamt für Kultur, Tel. 031 322 92 89, Email: andreas.muench@bak.admin.ch

Hans Rudolf Reust, Präsident der Eidg. Kunstkommission, Tel. 079 215 83 29, Email: hreust@bluewin.ch


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