Durchgreifende Konjunkturerholung und Arbeitsmarktwende wohl erst im Verlauf von 2011

Bern, 15.12.2009 - Konjunkturtendenzen und Prognosen der Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes – Winter 2009/2010*. Im aufgehellten weltwirtschaftlichen Umfeld konnte auch die Schweizer Wirtschaft im 3. Quartal 2009 die Rezession überwinden. Im nächsten Jahr wird sich die kon-junkturelle Erholung nach Einschätzung der Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes fortsetzen, im Zuge vorübergehend wieder nachlassender positiver Impulse vom internationalen Konjunkturumfeld jedoch nur verhalten ausfallen (BIP-Wachstum 2010 +0,7%). Erst 2011 dürfte die Konjunktur spürbar an Schwung gewinnen (BIP-Wachstum +2,0%). Vor dem Hintergrund der nur schleppend vorankommenden konjunkturellen Erholung bleiben die Arbeitsmarktperspektiven düster. Erst im Verlauf von 2011 ist mit einer einsetzenden Wende bei der Arbeitslosigkeit zu rechnen.

Internationale Konjunktur
Seit Mitte 2009 ist weltweit eine Konjunkturerholung von der vorangegangenen scharfen Rezession festzustellen. Diese ist massgeblich durch die vielfältigen wirtschaftspolitischen Stützungsmassnahmen getragen und dürfte sich, den positiven Frühindikatoren zufolge, vorerst weiter fortsetzen.

Gleichwohl präsentiert sich der internationale Konjunkturausblick für 2010 und wohl auch darüber hinaus keineswegs ungetrübt. Die derzeit tragenden Impulse sind überwiegend vorübergehender Natur – insbesondere die staatlichen Konjunkturprogramme, aber auch die Umkehr des Lagerzyklus – und werden im kommenden Jahr unweigerlich wieder nachlassen. Notwendig für einen tragfähigen Aufschwung ist ein baldiges Anspringen der privaten Konsum- und Investitionsnachfrage, was jedoch aus verschiedenen Gründen fraglich erscheint. So könnte die Expansion des privaten Konsums namentlich in den USA (sowie in weiteren Ländern, die im zurückliegenden Jahrzehnt einen verschuldungsge-triebenen Konsumboom verzeichneten) durchaus noch einige Jahre durch den Umstand gebremst werden, dass die privaten Haushalte bemüht sein werden, ihre hohe Verschul-dung zu reduzieren. Daneben erscheint auch eine schnelle und starke Belebung der weltweiten Unternehmensinvestitionen vor dem Hintergrund schwach ausgelasteter Kapazitäten als wenig wahrscheinlich.

Daher geht die Expertengruppe von einer stotternden und insgesamt schwunglosen welt-wirtschaftlichen Dynamik aus, wobei ein nochmaliger Rückfall in die Rezession nicht erwartet wird. Das BIP-Wachstum dürfte 2010 in den USA unter 2% und in der EU bei rund 1% liegen und sich 2011 allmählich beschleunigen (USA 2,5%, Euroraum 1,7%). Insgesamt entspricht dieses weltwirtschaftliche Szenario einer langsamen und im historischen Vergleich unterdurchschnittlichen Erholung, was in der Vergangenheit nach Finanz- und Immobilienkrisen häufig festzustellen war.

Konjunkturprognose Schweiz
Im aufgehellten weltwirtschaftlichen Umfeld konnte auch die Schweiz die Rezession nach der Jahresmitte überwinden. Nach vier negativen Quartalen nahm das reale BIP im 3. Quartal 2009 erstmals wieder leicht zu (+0,3% gegenüber Vorquartal, ohne Hochrechnung auf Jahresbasis). Positiv schlug dabei die Wende bei den Exporten zu Buche, die im 3. Quartal nach einjähriger rasanter Talfahrt wieder gewachsen sind. Daneben blieb die Inlandnachfrage, namentlich der private und der öffentliche Konsum sowie die Bauinvesti-tionen, weiterhin eine robuste Konjunkturstütze.

Über das gesamte Jahr 2009 dürfte die Wirtschaftsleistung in der Schweiz um 1,6% schrumpfen. Dies entspräche zwar dem stärksten Jahresrückgang seit 1975. Gleichwohl hat die Schweizer Wirtschaft damit die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise im Vergleich zu vielen anderen Ländern relativ glimpflich überstanden. Günstig wirkte sich dabei aus, dass die Binnenwirtschaft in guter Verfassung in die Rezession eingetreten ist, das heisst keine grösseren Ungleichgewichte bestanden (keine übermässige private wie staatliche Verschuldung, keine Immobilienkrise). Darüber hinaus trug das anhaltende Bevölkerungswachstum in den letzten Jahren zur Expansion des privaten Konsums sowie der Bauinvestitionen bei.

Auch wenn die konjunkturelle Wende in der Schweiz vollzogen scheint, bleiben die Wachstumserwartungen vor allem für 2010 wegen der voraussichtlich schwunglosen weltwirtschaftlichen Dynamik begrenzt. Die Expertengruppe prognostiziert für 2010 neu ein BIP-Wachstum um 0,7% (bisher +0,4%). Dies entspricht nach wie vor dem Szenario einer nur zögerlichen Konjunkturerholung, welche von einem durchgreifenden Aufschwung noch weit entfernt ist. Erst im Verlauf von 2011 rechnet die Expertengruppe mit einer kräftigeren BIP-Erholung in der Schweiz (+2,0%).

Für die Exporte wird für die nächsten beiden Jahre eine eher moderate Belebung nach dem ausgeprägten Einbruch von 2009 (-9,7%) erwartet. Eine Erholung der Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen dürfte noch länger auf sich warten lassen, weil die Kapazitätsauslastung in der Industrie auf einen langjährigen Tiefststand gefallen ist und somit entsprechend wenig Bedarf für Kapazitätserweiterungen besteht. Angesichts der gedämpften Arbeitsmarkt- und Einkommensaussichten ist auch beim bislang lebhaften privaten Konsum 2010 vorübergehend mit einer etwas verlangsamten Expansion zu rechnen.

Angesichts der schleppenden BIP-Erholung dürfte der Arbeitsmarkt auch im nächsten Jahr noch der Schwachpunkt der Wirtschaftsentwicklung bleiben. Bei der Beschäftigung gibt es zwar erste Signale für einen nachlassenden Rückgang. Allerdings ist zu befürchten, dass bei vielen Unternehmen angesichts unterausgelasteter Kapazitäten auch im kommenden Jahr noch kaum Bedarf für Personaleinstellungen bestehen wird. Für die (saisonbereinigte) Arbeitslosenquote wird daher ein weiterer Anstieg von derzeit 4,1% (November 2009) auf einen Höchststand von gut 5% bis Ende 2010 prognostiziert (entspricht rund 200‘000 gemeldeten Arbeitslosen), ehe sich im Verlauf von 2011 ein langsamer Rückgang einstellen sollte. Im Jahresmittel dürfte die Arbeitslosenquote sowohl 2010 als auch 2011 jeweils 4,9% betragen.

Die Phase erdölpreisbedingt negativer Konsumteuerung ist in der Schweiz wie in vielen anderen Ländern im Herbst 2009 ausgelaufen. Für 2010 (+0,8%) und 2011 (+0,7%) rechnet die Expertengruppe wieder mit leicht positiven Teuerungsraten. Angesichts der hohen konjunkturellen Unterauslastung wird die Inflationsgefahr indes als gering beurteilt.

Konjunkturrisiken
Die Nachwirkungen der internationalen Finanzkrise sowie die möglichst reibungslose Li-quiditätsrückführung seitens der Notenbanken (Exit-Strategien) stellen grosse und schwer abschätzbare Unsicherheitsfaktoren für die weltweite Konjunkturentwicklung der kommenden Jahre dar. Für das von der Expertengruppe als am wahrscheinlichsten erachtete Szenario einer langsamen Konjunkturerholung in der Schweiz gibt es erhebliche Risiken sowohl nach oben als auch nach unten. Falls sich die derzeit in allen Weltregionen fest-zustellenden Belebungstendenzen – spiegelbildlich wie der letztjährige Einbruch – wechselseitig verstärken, könnte sich das weltwirtschaftliche Wachstum 2010 allen bremsenden Faktoren zum Trotz doch robuster als angenommen erweisen (V-förmige Erholung). Auf der andern Seite besteht ein erhebliches Negativrisiko für den Konjunkturausblick in den nach wie vor nicht überwundenen Problemen im internationalen Finanzsystem. Eine mögliche Gefahr liegt etwa darin, dass die zu erwartende Liquiditätsrücknahme seitens der Notenbanken die vorhandenen Schwächen einzelner Finanzinstitute wieder stärker zu Tage treten lässt. 

 *Die Expertengruppe des Bundes publiziert viermal pro Jahr eine Prognose der konjunkturellen Entwicklung in der Schweiz. Die aktuelle Prognose vom Dezember 2009 wird in dieser Medienmitteilung kommentiert. Die «Konjunkturtendenzen», eine vierteljährliche Publikation des SECO, erscheinen in gedruckter Form als Beilage der Februar-, April-, Juli-, und Oktobernummern der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» (www.dievolkswirtschaft.ch). Sie sind auch im Internet (http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00375/00381/index.html?lang=de) als pdf-Datei abrufbar.


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